Wenn der Dialog zur Einbahnstraße wird

Interreligiöse Inkompetenz

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Es gibt einen besonderen Ort im öffentlichen Diskurs, an dem man sich in wohliger Harmonie missversteht: den interreligiösen Dialog. Dort treffen sich Vertreter:innen verschiedener Glaubensrichtungen – gern in klösterlicher Stille oder auf staatlich geförderten Podien – um sich gegenseitig zu versichern, wie viel sie gemeinsam haben. Toleranz, Mitgefühl, Nächstenliebe, Tee mit Keksen. Alles dabei. Fehlt eigentlich nur eines: die Realität.

Während sich Pfarrer, Imame, Rabbiner und gelegentlich auch spirituelle Menschen in fein abgestimmten Runden über ihre Gemeinsamkeiten austauschen, bleibt eine Gruppe nahezu immer außen vor: die Konfessionsfreien. Also jene Menschen, die sich weder durch die Bibel, den Koran noch durch andere göttliche Hotline-Verzeichnisse identifizieren. Humanist:innen, Atheist:innen, Agnostiker:innen, oder einfach Leute, die morgens aufstehen, ohne erst ein heiliges Buch zu konsultieren.

Der Elefant im Sakralraum

Ein konkretes Beispiel für diese exklusive Inklusivität ist das Projekt "Interreligiöse Kompetenz" des Zentrums Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Dort wird laut offizieller Beschreibung vermittelt, wie man religiöse Vielfalt verstehen und wertschätzen könne. Klingt gut. Doch wer auf der Webseite nach Inhalten über konfessionsfreie Menschen sucht, findet – nichts. Keine Module, keine Beispiele, keine Perspektiven. Nicht einmal die Existenz dieser wachsenden Bevölkerungsgruppe wird erwähnt.

Noch deutlicher wird die Blindstelle bei staatlich geförderten Initiativen wie dem "House of One" in Berlin, einem interreligiösen Bet- und Lehrhaus, in dem Christen, Juden und Muslime unter einem Dach beten und lernen sollen. Der Humanismus? Kommt in den Konzeptpapieren nicht vor. Die Begründung: Man wolle nur religiöse Traditionen abbilden. Wie praktisch, wenn man von vornherein definiert, wer nicht dazugehören darf.

Die "Plattform für Menschenrechte Salzburg" veranstaltet seit 2008 jährlich den Lehrgang "Brücken bauen – ein Lehrgang zur Zusammenarbeit von Muslim:innen und Christ:innen". Offiziell heißt es, Zielgruppe seien auch Menschen ohne religiöses Bekenntnis. In der Praxis jedoch dominieren christlich-muslimische Perspektiven. Konfessionsfreie scheinen eine Alibi-Option, offiziell erwähnt, doch strukturell nicht integriert. Wir sind nicht gefragt worden, und ein Modul zum Austausch mit Humanist:innen oder Atheist:innen ist leider eine Fehlanzeige.

In der Seestadt Aspern entsteht aktuell der "Campus der Religionen", ein interreligiöses Begegnungszentrum, an dem acht Religionsgemeinschaften plus die Kirchlich-Pädagogische Hochschule Wien/Krems kooperieren. Öffentlich als Ort der Begegnung, der nicht nur allen religiösen (und auch religionskritischen) Institutionen, sondern einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sei, beworben. Doch was heißt hier religionskritisch? In der Praxis bleiben Weltanschauungen ohne Glaubensbekenntnis außen vor. Der Campus ist klar auf sakrale Architektur und religiöse Praktiken ausgerichtet, Humanist:innen tauchen architektonisch, in Förderstrukturen oder Veranstaltungsplänen nicht als gleichwertige Akteure auf. Eine reale Zusammenarbeit zwischen religiös‑konfessionellen Gruppen und konfessionsfreien Menschen fehlt.

Vielfalt mit Ausschlussklausel

Der interreligiöse Dialog gibt sich pluralistisch, ist aber letztlich ein exklusiver Club: Zutritt nur mit Bekenntnis. Die Leitfrage scheint nicht zu sein: Wie leben wir gemeinsam trotz Unterschied?, sondern: Wie können wir unsere Differenzen verwalten, ohne den Glauben an das Konzept von Glauben zu verlieren? Ein atheistischer Beitrag wäre da wie ein Veganer beim Grillfest: unangenehm ehrlich und strukturell unerwünscht.

Und so bleiben Veranstaltungen wie das Forum für interreligiöse Bildung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in ihrer Wirkung ambivalent, Glaubensrichtungen spielen eine Rolle, säkularer Humanismus hingegen nicht.

Lehrgangsinhalte mit Scheuklappenpflicht

In Seminaren zur "interreligiösen Kompetenz" wird also gelehrt, wie man mit Andersgläubigen spricht – solange diese Andersheit religiös verpackt ist. Wie man respektvoll mit Humanist:innen kommuniziert, ihnen Raum gibt oder gar ihre Perspektive als gleichwertig mit religiösen Traditionen behandelt? Fehlanzeige.

Ich habe in vielen Veranstaltungen erlebt, wie überrascht die Teilnehmenden waren, wenn man betonte, dass Religionsfreiheit eben auch bedeutet, frei von Religion zu sein. Besonders einprägsam war das bei der Generalversammlung von Amnesty International, bei Diskussionen der Plattform Menschenrechte und beim Klagsverband, wo bei allen Menschenrechtsarbeit eigentlich selbstverständlich auf weltanschaulicher Neutralität fußt.

In solchen Momenten konnte man regelrecht beobachten, wie langsam der Groschen fiel: "Ach ja… das ist ja auch ein Menschenrecht." Man nickte, etwas betreten, als hätte man vergessen, dass die Gedankenfreiheit nicht erst bei theologischer Vielfalt anfängt, sondern auch das Recht auf Abstand umfasst.

Finanziert durch alle – gestaltet für wenige

Was all diese Projekte verbindet? Sie erhalten direkte oder indirekte öffentliche Förderungen. Der Campus der Religionen etwa wird durch die Stadt Wien und das Bundeskanzleramt unterstützt, das House of One durch die Bundesregierung und die Hauptstadt Berlin, der Lehrgang "Brücken bauen" durch das Land Salzburg und das Projekt "Interreligiöse Kompetenz" durch kirchliche Träger mit öffentlichen Zuschüssen. Auch Bundesprojekte wie das Forum für interreligiöse Bildung (BAMF) und diverse EU-Programme pumpen Mittel in den interreligiösen Sektor.

Diese Vielfalt an interreligiösen Lehrgängen und Veranstaltungen wird nicht nur von kirchlichen Trägern und NGOs organisiert, sondern in erheblichem Maße auch aus öffentlichen Mitteln subventioniert – gesteuert und getragen über Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und kommunale Projekte.

  • Universitäten und Fachhochschulen (Wien, Salzburg, Graz, Krems, Kärnten u. v. m.) erhalten für Lehrgänge wie "Interkulturelle und Interreligiöse Begegnung", "Spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess" oder "Mediation und Konfliktmanagement (interreligiös)" staatliche Fördergelder und ECTS-Förderung. Diese Mittel stammen direkt aus dem Hochschulbudget, das mit Steuergeldern gespeist wird – und damit zu einem großen Teil von den rund 47 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 33 Prozent (Österreich) der Konfessionsfreien.
  • Pädagogische Hochschulen (KPH Wien/Krems, Edith Stein, Virgil u. a.) werden über Länderbudgets finanziert und bieten interreligiöse Fortbildungen und Schulberatung an, die sich ebenfalls aus öffentlichen Mitteln speisen.
  • Vereine und NGOs wie die Plattform Menschenrechte Salzburg ("Brücken bauen"), der Klagsverband, Amnesty International oder das Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit erhalten Förderungen aus Bundes- wie Landesmitteln, EU-Programmen und kommunalen Top‐Ups.
  • Kommunale Initiativen (Campus der Religionen Wien, Interreligiöser Dialog Krems, VHS-Stammtische, Grenzenlos – Interkultureller Austausch, okay.Integration Vorarlberg) werden von Stadt- und Gemeindekassen, Parteienförderungen und Bildungsfonds alimentiert – wiederum finanziert von allen Steuerzahler:innen, inklusive den Konfessionsfreien.

Und wer zahlt das? Unter anderem jene (fast 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und rund 30 Prozent in Österreich), die keiner Religion mehr angehören. Also genau die Gruppe, die in diesen Projekten strukturell außen vor bleibt, aber selbstverständlich beim Mitbezahlen nicht fehlen darf. Kurz gesagt: Wer in Österreich und Deutschland für keine Kirche mehr zahlt, zahlt dennoch mit, wenn interreligiöse Kompetenzzentren, Hochschullehrgänge und Dialogformate betrieben werden, die Konfessionsfreie strukturell ausklammern.

So entsteht eine paradoxe Situation: Mit ihren Steuergeldern finanzieren Konfessionsfreie eine Palette an Angeboten, für die sie selbst oft nur Alibi‑Teilnehmende sind, während echte säkulare Perspektiven in den Curricula und Dialogformaten kaum Platz finden. Das ist etwa so, als würde man als Veganer gezwungen, eine Steakakademie zu subventionieren, mit der Begründung, dass man ja immerhin die gleichen Teller nutzen kann. Und das Gemüse, was ist mit dem Gemüse…

Fazit: Dialog oder Blase mit Weihrauchduft?

Was als Dialog verkauft wird, ist häufig eine religiöse Echokammer mit ökumenischer Tapete. Es fehlt nicht an Empathie, aber an intellektueller Redlichkeit. Der interreligiöse Diskurs bleibt strukturell blind für jene, die keinen Glauben haben und auch keinen brauchen, um moralisch zu handeln. Wer sich in diesen Dialogen auf den Humanismus beruft, wird schnell zum Spielverderber im liturgischen Kuschelkurs.

Interreligiöse Kompetenz? Ja, bitte, aber nur, wenn sie endlich auch die Kompetenz umfasst, mit Konfessionsfreien nicht nur zu reden, sondern sie als gleichwertige Gesprächspartner:innen anzuerkennen. Alles andere ist – mit Verlaub – Inkompetenz mit Zertifikat.

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