Kommentar

Supergau im Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen

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David Berger
David Berger

BERLIN. (hpd) Aus dem Schlusspapier der Familiensynode des Vatikans wurden alle freundlichen Worte über Homosexuelle komplett gestrichen. Damit hat man sich zugleich von der leicht fortschrittlichen Einstellung des katholischen Katechismus von 1992 zur Homosexualität verabschiedet. Ein Supergau, dessen Schönreden durch Politiker wie Volker Beck höchst gefährlich ist.

Von einem “Erdbeben” war in der vergangenen Woche noch in nahezu allen Medien die Rede: Die Kirche gehe auf “Homosexuelle zu”, habe “ihr Herz für Homos” entdeckt, heiße Schwule und Lesben nun “willkommen”.

Das war der gemeinsame Ton, den alle großen internationalen Zeitungen bis hin zu kleinen homosexuellen Szene-Nachrichtenblogs in Deutschland anschlugen. Kritische und warnende Stimmen, die darauf hinwiesen, man solle angesichts netter Worte nicht Erfolge sehen, wo keine zu verzeichnen sind, wollte man nicht hören. Es war ganz einfach journalistisch wesentlich einfacher eine Revolution zu verkaufen als Stillstand. Und schließlich wäre eine solche Neuerung nach den Jahrhunderten kirchlich motivierter Homosexuellenverfolgung ja auch so schön gewesen…

Bis auf einige völlig Ahnungslose und Naive wachen jetzt alle auf: Zu früh gejubelt, muss man sich spätestens jetzt eingestehen. Der Erfolg, der inhaltlich gesehen keiner war, ist nun auch noch geopfert worden. Im Abschlussdokument der Synode fehlen die in der letzten Woche als Erdbeben verkauften Passagen zu Homosexuellen und zu wiederverheirateten Geschiedenen komplett. Grund: sie konnten bei der Abschlussabstimmung nicht die erforderliche Mehrheit finden.

Das Abschlussdokument der Synode ist zunächst ein herber Schlag für die Medien, die hier ohne weitere Überlegungen und ohne jeden fachwissenschaftlichen Hintergrund zum allgemeinen Jubel aufriefen. Aber auch für viele direkt Betroffene, die bereits vorschnell das Kriegsbeil begraben und kritische Stimmen als aus Verbitterung geborene Nörgelei abgetan haben.

In Abstimmungen über den “Erdbeben”-Absatz des Entwurfs fiel am Samstag ein Willkommen der Kirche an Homosexuelle komplett durch. Auch ein Abschnitt, in dem es darum geht, ob geschiedene und standesamtlich neu verheiratete Katholiken zur Kommunion zugelassen werden, wurde gestrichen. Von “willkommenen Homosexuellen”, denen man mit “Respekt und Feingefühl begegnen” möchte, und die die Gemeinden bereichern sollen, ist nun keine Rede mehr. Auch die unrealistisch sexualfeindliche Idee, dass man Homo-Partnerschaften dulden kann, so lange sie sexualfrei verlaufen und nicht den Anspruch erheben, eine vollwertige Zivil-Ehe zu sein, war der Synode dann doch verdächtig ketzerisch und politisch zu gefährlich.

Bereits während der Synode hatte dazu der Papst ein unzweideutiges Zeichen gesetzt, als der römische Bürgermeister Ignazio Marino in Rom 16 im Ausland geschlossene Ehen von Lesben und Schwule anerkannte. Umgehend erklärte Papst Franziskus, dass er sich “wenig erfreut zeigt, über den Vorstoß des römischen Bürgermeister Ignazio Marino zugunsten der sogenannten ‘Homo-Ehe’”. Wenn jetzt also einige konservative Medien den angeblich homofreundlichen Papst im Kontrast zur homofeindlichen Synode sehen wollen, mag das dem bislang von den Medien gezeichneten Papstbild entsprechen, mit der Realität hat dies schlicht nichts zu tun.

Papst Franziskus hat spätestens jetzt erkannt, dass er nicht gegen seine Bischöfe regieren kann, es auch strategisch nicht klug wäre, dies zu versuchen. Und Strategie ist sein großes Feld, auf dem er punkten kann, da ihm die Intellektualität nicht in die Wiege gelegt wurde. Hinzu kommt, dass schwule Themen für ihn, im Unterschied zu seinem Vorgänger, kein wirkliches Herzensanliegen sind. Neben der seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) zum guten Ton gehörenden Absage an eine “Erstarrung”, warnte der Papst nun erstmals vor einer “falschen Barmherzigkeit”. Sie sei typisch für ein “zerstörerisches Gutmenschentum”.

Man könne die Wunden der Homosexualität oder der Ehescheidung nicht einfach verbinden, ohne sie vorher behandelt zu haben. Also das typisch katholische Lied: wir tolerieren und wollen den Sünder, weil wir ihn brauchen, damit er zur Beichte kommt und wir über das Bußgericht unsere Macht erhalten und stärken.

Dieser Gesinnungswandel hat einen besonders tragischen Aspekt: Schaut man auf das in der letzten Woche Geschehene, muss man feststellen: indem die Bischofssynode Aussagen zur Homosexualität ablehnt, die fast wortgleich bereits seit den frühen 90er Jahren in dem von Josef Kardinal Ratzinger ausgearbeiteten Katechismus stehen, fällt sie deutlich hinter den damals mühsam erkämpften Fortschritt zurück.

Die vorschnelle Rede von einem Erdbeben war nicht nur schädlich, übertrieben und falsch. Wenn wir jetzt in der Rückschau von einem Supergau im Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen sprechen, kommen wir der Sache wesentlich näher.

Umso erstaunter ist es, dass selbst altgediente Homo-Aktivisten (der Papst hat sie “Gutmenschen” genannt) dies schlicht nicht sehen wollen. So fordert der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, heute in einer Pressemitteilung nach der Familiensynode Konsequenzen beim kirchlichen Arbeitsrecht. 
Ist das ein Scherz? Hat er überhaupt nicht mitbekommen, was da beschlossen wurde? Oder will er tatsächlich eine weitere Verschärfung für Schwule und Lesben im kirchlichen Dienst?

Das will er natürlich nicht, aber er redet sich die Situation so schön, wie er sie gerne hätte – indem er etwa einfach die Abstimmungsmodalitäten der Synode als nicht aussagekräftig hinstellt: “Auf der Familiensynode hat eine Mehrheit der Bischöfe sich für einen anderen pastoralen Umgang mit Lesben, Schwulen und wiederverheiratet Geschiedenen entschieden, wenn auch 
die 2/3-Mehrheit verfehlt.”

Eigentlich sollte er es von Wahlkampfabenden wissen: das übliche Schönreden einer Niederlage führt nicht wirklich dazu, dass man am Ende doch als 4-Prozent-Partei die Regierung stellt. Wie das euphemistische Schönreden die Politiker letztlich lächerlich macht und ihnen nichts bringt, so bewirkt auch das Schönreden des kirchlichen Homo-Hasses, der mit der Synode einen neuen Höhepunkt erreicht hat, das genaue Gegenteil. Er verhindert den Widerstand von Schwulen und Lesben und allen anderen Freunden einer offenen Gesellschaft gegen eine unmenschliche Institution: Bitte, lieber Volker Beck, höre damit auf, unserem Anliegen als schwule Männer weiter so zu schaden!

 


David Berger führte gestern ein Interview mit Berlins Regierendem Bürgermeister, Klaus Wowereit, zu diesem Thema: