Humanistische Alternative Bodensee

Rücktritt von Baden-Württembergs Justizminister gefordert

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Eingang zur Justizvollzugsanstalt Bruchsal
Eingang zur Justizvollzugsanstalt Bruchsal

KONSTANZ. (hpd) Zum wiederholten Mal innerhalb nur weniger Wochen und Monate ist es in einer Justizvollzugsanstalt in Baden-Württemberg zu einem schweren Zwischenfall gekommen. Erneut ist die Einrichtung in Bruchsal betroffen, die bereits durch den Tod eines Häftlings bekannt geworden war. Im aktuellen Fall handelten Mitarbeiter offenkundig ohne Genehmigung, als sie mindestens eine Maßnahme der Einzelhaft vornahmen, ohne sich dafür die entsprechende Weisung des Dienstherrn einzuholen. In solch einer Haftsituation war auch der verstorbene Insasse untergebracht gewesen.

Die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) fordert nach der Häufung der Vorkommnisse nun den Rücktritt des baden-württembergischen Justizministers. Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, formuliert: “Anfänglich waren Stickelbergers Ausreden offenbar noch ausreichend genug, um ihn in seinem Amt zu belassen. Doch nun muss die Landesregierung erkennen, dass in seinem Ministerium offenbar das blanke Chaos herrscht. Die Vorsprache vor dem ‘Ständigen Ausschuss’ des Landtages reicht hier nicht mehr aus. Der Minister muss jetzt persönliche Konsequenzen aus dem scheinbar systematischen Versagen in mehreren Haftanstalten ziehen.”

Kritik war auch daran aufgekommen, dass die medizinische Versorgung in den baden-württembergischen Gefängnissen offenkundig dramatisch unterbesetzt ist: “Abseits des Haftkrankenhauses sind gerade Psychiater und Psychotherapeuten in den Justizvollzugsanstalten selbst absolute Mangelware. Dabei wissen wir seit langem, welche dramatischen Auswirkungen Haftbedingungen gerade auf die Seele der Gefangenen haben können. Hier haben alle Vorgängerregierungen, aber nun auch die grün-rote Landesregierung nichts unternommen – wohl, weil man mit diesem Thema in der breiten Öffentlichkeit kaum Anerkennung gewinnen kann. Aber wer die Menschenrechte in den Gefängnissen vernachlässigt, der hat das Prädikat einer humanen Gesellschaft nicht verdient”, so Riehle.

Der HABO-Sprecher fordert aber nicht nur kurzfristige Maßnahmen: “Neben einer lückenlosen Aufklärung der aktuellen Geschehnisse bedarf es dringend einer Debatte über den Strafvollzug in seiner Gesamtheit. Die rückläufige Bereitschaft, finanzielle Mittel in die Haftanstalten, ihre personelle Ausrichtung und die therapeutischen Angebote fließen zu lassen, haben die Gefängnisse zu Verwahrungsstätten verkommen lassen. Der Grundgedanke unseres Rechtsstaates, wonach die Resozialisierung obersten Rang haben muss, wird somit seit langem ausgeblendet. Nahezu alle Straftäter sind in der Lage, durch eine gelungene Betreuung und Wiedereingliederung den Weg zurück ins Leben zu schaffen. Sie wären nicht nur der Beweis, wonach der dumpfe Spruch ‘einmal Knacki – immer Knacki’ eben nur Populismus ist; sie würden auch Kosten sparen, weil die Rückfälligkeitsquote geringer wäre.”

Im Augenblick müssten die Strukturen in den baden-württembergischen Gefängnissen umgekrempelt und durchleuchtet werden, so Riehle. “Wir werden eine entsprechende Petition ins Parlament einbringen, die die Überprüfung möglicher personeller Fehlbesetzungen in den Leitungsgremien der Justizvollzugsanstalten fordert und ermahnt, sowohl die geltenden Einzelhaft-Bestimmungen, als auch das Gesundheitswesen im Gefängnis kritisch zu betrachten und zu überarbeiten. Dass mit Häftlingen nur noch über die Türfenster kommuniziert und somit der nahende Tod von Beamten ‚übersehen‘ wird, ist ein Skandal. Zudem brauchen die Insassen eine unabhängige und verlässliche Ansprechperson, um ihre Grundrechte jederzeit an die zuständigen Entscheidungsträger übermitteln zu können. Häufigere unangekündigte Kontrollbesuche über die Zustände in den Gefängnissen müssen überdies obligatorisch werden”, fasst der HABO-Sprecher die Eingabe an den Landtag abschließend zusammen.