3. “Islamfeindlichkeit”
Während bezüglich “Islamophobie” in der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch Definitionen und Kriterien formuliert wurden, lässt sich dies meist nicht mehr für die nun folgenden Begriffen sagen. So liegt etwa ein Sammelband mit dem Titel “Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen” (Schneiders 2009) mit zahlreichen wissenschaftlichen Aufsätzen zum Thema vor, ohne dass der Begriff “Islamfeindlichkeit” auch und gerade im Verhältnis zur im Titel genannten “Kritik” definiert und erläutert wird. Es kann definitorisch allenfalls allgemein formuliert werden, dass es sich um Auffassungen zu dieser Religion mit einer rigoros ablehnenden Einstellung handelt. Hierbei zeichnet man zum einen ein durchgängig negatives Bild vom Islam und bringt seine eigenen Auffassungen demgegenüber in eine konfrontative Gegenposition. Als typisch dafür kann eine allgemeine und undifferenzierte Auffassung vom Islam als Bedrohung gelten, welche um der Wahrung des wie auch immer beschriebenen Eigenen bekämpft werden muss.
Die bedeutendsten politischen Propagandisten und Träger dieser Einstellung dürften gegenwärtig die rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien in Europa sein. Als exemplarisch für die Erstgenannten können die “Freiheitliche Partei Österreichs” (FPÖ) oder die “Nationaldemokratische Partei Deutschlands” (NPD) gelten. Da die allgemeine Agitation mit Feindbildern bei derartigen Parteien bereits seit Jahren bekannt ist, lässt sich Fremdenfeindlichkeit als eigentliche Auffassung im Gewand der Islamfeindlichkeit hinter solchen Auffassungen recht gut belegen (vgl. Hafez 2009; Pfeiffer 2011).
Komplizierter verhält es sich bei den rechtspopulistischen Parteien, deren Propaganda ebenfalls mit dramatisierenden Darstellungen und negativen Stereotypen aufwarten, aber damit laut Selbstdarstellung angeblich nur eine Frontstellung gegen den Islam und nicht gegen die Muslime verbinden. Hierfür stehen “Die Freiheit” in Deutschland oder die “Partij voor de Vrijheid” in den Niederlanden (vgl. Curio 2009; Gutsch 2011).
Gleichwohl hält man diese Differenzierung, die auch meist nur auf kritische Nachfrage hin vorgetragen wird, in der öffentlichen Agitation nicht durch: Der beschworene Kampf gegen die “Islamisierung” soll auch immer mit der allgemeinen Ablehnung des Baus von Moscheen und der pauschalen Verhinderung der Einwanderung von Muslimen verbunden werden. Ähnliche politische Auffassungen in Verbindung mit Negativ-Bildern über den Islam findet man mal mehr, mal weniger deutlich formuliert auf Internet-Seiten mit offenbar hohen Besucherzahlen wie “Die grüne Pest”, “Islamkritik.at”, “Politically Incorrect”, “Stop Islam” oder “Akte Islam. Für Europa - gegen Eurabien”. Gerade die letztgenannte Formulierung macht die erwähnte inhaltliche Stoßrichtung exemplarisch deutlich (vgl. Lohlker 2010; Shooman 2008).
Indessen muss nicht jede rigorose Abwertung des Islam etwa als totalitär oder vernunftfeindlich wie von atheistischer oder ex-muslimischer Seite (vgl. Gopal 2004; Warraq 2004) extremistisch oder muslimenfeindlich motiviert sein. [1]
4. “Islamkritik”
Als weiterer Begriff zu Einstellungen gegenüber Islam und Muslimen kursiert “Islamkritik”, wobei dafür die unterschiedlichsten Anwendungen belegbar sind: Islamfeinde im oben genannten Sinne bezeichnen sich selbst als “Islamkritiker”, da diese Bezeichnung im öffentlichen Diskurs weniger negativ belegt ist. Dann unterstellen mitunter aber auch Repräsentanten islamischer Organisationen oder Protagonisten spezieller Vorteilsforschung einigen Kritikern des Islam, hinter ihren Einwänden und Positionen stünde tatsächliche eine “Islamfeindschaft”. Um angesichts der damit einhergehenden Emotionalisierung und Politisierung der Kontroverse eine möglichst trennscharfe Begriffsdefinition zu entwickeln, wird folgende Arbeitsdefinition vorgeschlagen: “Islamkritik” richtet sich mit Einwänden gegen bestimmte Erscheinungsformen der Religion, verwirft sie aber nicht im Sinne eines pauschalen Feindbildes. Dies bedeutet dann aber auch, dass nicht jede Islamkritik auch als differenziert und sachlich in einem sozialwissenschaftlichen Sinne anzusehen ist.
Demnach können entgegen anderslautender Einschätzungen (vgl. Bühl 2010: 183–198; Rommelspacher 2009) Publikationen von Autorinnen wie Seyran Ates oder Necla Kelek (vgl. Ates 2007; Kelek 2006) nicht als islamfeindlich, sondern nur als islamkritisch eingeschätzt werden. Beide türkischstämmige Autorinnen wuchsen in einem muslimisch geprägten Umfeld auf, machten ebendort häufig die Erfahrung von frauenfeindlichem Verhalten und schrieben darüber Bücher mit einer islamkritischen Ausrichtung. Sie kam in der Auffassung zum Ausdruck, wonach in den Einstellungen und Vorgaben der Religion die Ursachen für die beklagten Gegebenheiten zu sehen seien. Im engeren Sinne verstanden handelte es sich dabei um keine Bücher mit wissenschaftlichem Anspruch, sondern um Erfahrungsberichte mit persönlichen Reflexionen. Inhaltlich und methodisch kritikwürdig ist daran, dass es sich um monokausale Analysen sozialer Phänomene wie Frauenfeindlichkeit und Männlichkeitskult nur oder primär aus dem Islam heraus handelt.
Gleichwohl macht diese Einseitigkeit aus der Kritik noch keine Feindschaft, plädieren doch beide Autorinnen für eine Modernisierung und nicht für eine Verdammung des Islam. [2] Genau über die Einnahme der jeweiligen Grundposition besteht denn auch die Möglichkeit einer Unterscheidung von “Islamfeindlichkeit” und “Islamkritik” im hier erörterten Kontext. Eine Ignorierung dieses bedeutsamen Gesichtspunktes, wie es mitunter in der Literatur geschieht (vgl. Bühl 2010; Schneiders 2009), könnte zu einer bedenklichen Grenzverwischung führen: Demnach käme es zu einer Gleichsetzung der Kritik an Frauenunterdrückung mit einem Hinweis auf den Islam mit einer pauschalen Verdammung der Religion als Ausdruck von Gewalt und Verderbnis. Indessen bestehen sehr wohl Unterschiede zwischen einer frauenrechtlichen und einer fremdenfeindlichen Position. Eine Auffassung, die diese Differenzen verkennt, behindert die Erfassung tatsächlicher Feindlichkeit gegenüber dem Islam und diffamiert alle Einwände in Richtung des Islam als Ausdruck von Vorurteilen.
5 Kommentare
Kommentare
Romana Blechschmidt am Permanenter Link
Ist ja alles schön und gut, aber der springende Punkt ist, dass man bezüglich anderer Religionen und sonstigen esoterischen Spinnereien keine ellenlangen Abhandlungen darüber verfasst, ob es sich nun um Irgendwas-Hass
Homöopathie-Gläubige werden in Diskussionsforen gerne als Homöopsychopathen bezeichnet, ist das keine Hetze? Dennoch tobt sich nicht jedes Mal ein entfesselter Pöbel von Glaubuli-Schluckern in den Straßen aus.
Ich lasse mir das Recht nicht absprechen, die Religion Islam ohne wenn und aber abzulehnen, ebenso wie jede andere Spielart von Religion/Esoterik. Der Eiertanz um Islamkritik oder -Feindlichkeit ist in meinen Augen nichts als feige Doppelmoral. Mir sind die Begriffe Hass und Feindlichkeit im Zusammenhang mit Ideologien viel zu melodramatisch. Lassen wir doch die Melodramatik dort, wo sie hingehört, nämlich auf der Opernbühne.
Dass Menschen allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit nicht verfolgt, gedemütigt oder diskriminiert werden dürfen, ist doch wohl Konsens in zivilisierten Gesellschaften. Fragwürdige Verhaltensweisen von Menschen, die sich aus deren religiöser Orientierung ergeben, dürfen jedoch jederzeit deutlich kritisiert werden. Wenn die Verhaltensweisen gesetzwidrig sind, sind Strafverfolgung und Gerichte zuständig.
Gerhard Ranzel am Permanenter Link
Ist es möglich, dass Sie den Artikel nicht in Gänze gelesen haben? Denn darin geht es genau um Differenzierung, die Sie hier als fehlend mokieren.
Romana Blechschmidt am Permanenter Link
Herr Ranzel, vielleicht habe ich mich unzureichend ausgedrückt.
Ebert am Permanenter Link
Der Ausdruck "Phobie" gehört ins Vokabular der Psychologie/Psychiatrie und bezeichnet dort eine psychische Störung, etwa Arachnophobie, ein durch den Anblick von Spinnen ausgelöstes krankhaftes und schreckha
Joachim Koßmann am Permanenter Link
Fakt ist: Die isl. Religionsgemeinschaft hat Privilegien verlangt und z. T. auch schon durchsetzen können: Religionsunterricht, Erlaubnis des Schächtens, Beschneidungen, Muezzinrufe, Forderung nach isl.
Ich bin nicht dazu bereit, das hinzunehmen. Gut, ich kann Protestnoten verschicken, für die sich letzten Endes aber keiner interessiert. Rechtsradikale Parteien, die das alles nicht tolerieren würden, will ich aus anderweitigen Gründen nicht wählen. Wenn ich nun Moslems ausgrenze und "diskriminiere", so dass es für jene auch spürbar wird, bin ich sofort Rassist oder Nazi.
Also, was nun? J. Koßmann www.proliberal.com