Die meisten säkularen Liberalen denken, dass alle Religionen gleich sind und sie betrachten jeden gegenteiligen Vorschlag als ein Zeichen der Bigotterie. Irgendwie überlebt dieser Glaubenssatz den täglichen Gegenbeweis. Unsere Sprache kann zu weiten Teilen dafür verantwortlich gemacht werden. Wie ich bei vielen Gelegenheiten dargestellt habe: “Religion” ist nur ein Begriff, wie “Sport”: Einige Sportarten sind friedlich, aber wahnsinnig gefährlich (wie das Freiklettern ohne Seil, oder Straßenrodeln) einige sind sicherer, aber gleichbedeutend mit Gewalt (Boxen, Mixed Martial Arts) und einige beinhalten nicht mehr Risiko sich schwer zu verletzen, als unter der Dusche zu stehen (Bowling, Badminton). Von Sport als allgemeiner Aktivität zu sprechen macht es unmöglich, zu diskutieren, was Sportler tatsächlich tun, oder welche physischen Attribute notwendig sind ihn auszuüben. Was haben alle Sportarten außer atmen gemeinsam? Nicht viel. Der Begriff “Religion” ist kaum brauchbarer.
Betrachten wir das Mormonentum: Viele meiner liberalen Freunde würden es als moralisch unfair bezeichnen, Romney’s Glauben als Argument gegen ihn einzusetzen. In ihren Augen ist das Mormonentum nur eine Religion wie alle anderen auch. In Wahrheit jedoch hat die “Kirche von Jesus Christus den heiligen der letzten Tage” mehr als genug seltsame Eigenarten. Zum Beispiel war sie explizit rassistisch bis 1978, als Gott plötzlich seine Meinung zu Farbigen änderte (einige Jahre nachdem Archie Bunker dies tat) und empfahl, dass ihnen die volle Bandbreite der Sakramente und religiöser Verantwortlichkeiten gegeben werden soll. Zu diesem Zeitpunkt war Romney ein Erwachsener und seit mehr als einem Jahrzehnt ein außergewöhnlich energiegeladenes Mitglied seiner Kirche.
Anders als über die meisten Gründer anderer Religionen, von denen nur wenig bekannt ist, ist das Mormonentum das Produkt der Plagiate und Konfabulationen eines offensichtlichen Hochstaplers, Joseph Smith, dessen Abenteuer von den Leichtgläubigen als – in jedem Sinne – die reine geschichtliche Wahrheit angesehen wird. Bedenkt man was wir von Smith wissen, ist es schwieriger ein Mormone als ein Christ zu sein. Eine tiefere Anbetung des Absurden ist notwendig – und die Tatsache, dass Romney das bewerkstelligt bekommt, sagt etwas über ihn aus. Gerade so als wäre er ein Mitglied von Scientology, der vorschlägt, sein E-Meter im Oval Office zu platzieren. Der Bereich zwischen rationalem Glauben und eigennützigem Wahn ist eine offensichtliche Steigerung. Es ist eine Sache daran zu glauben, dass Jesus existiert hat und vielleicht ein bemerkenswerter Mensch war. Es ist etwas völlig anderes zu akzeptieren – wie dies die meisten Christen tun – dass er körperlich wieder auferstanden ist und auf die Erde zurückkehren wird um die Lebenden und die Toten zu richten. Es ist noch mal ein anderer Sprung des Glaubens, viel zu groß um ihn sich vorzustellen, wie es alle guten Mormonen müssen, dass er seine kosmische Magie vom geheiligten Grund von Jackson County Missouri aus vollzieht.
Dieses letzte provinzielle Detail spielt eine Rolle. Es macht das Mormonentum objektiv weniger glaubhaft als das Durchschnittschristentum – wie es auch die Behauptung macht, Jesus hätte seine “Nachfolger” in Amerika zu irgendeinem Zeitpunkt nach seiner Wiederauferstehung besucht. In dem Moment, an dem man Kristallkugeln, heilige Unterhosen oder den Planeten Kolob und einen heiligen Handschlag benötigt, um Zugang zum Himmel zu bekommen, entlarven sich die mormonischen Standards als das was sie sind: das religiöse Äquivalent zu rhythmischer Gymnastik.
Der Punkt ist jedoch, dass ich all diese Dinge zum Mormonentum sagen kann und Joseph Smith aus tiefstem Herzen verunglimpfen kann, ohne dass ich befürchten muss, dass ich dafür ermordet werde. Säkulare Liberale ignorieren diesen Unterschied bei jeder Gelegenheit und auf jedes Risiko hin. Denken sie einen Moment über die Existenz des Musicals “Das Buch der Mormonen” nach. Nun überlegen Sie sich die Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden müssten um das gleiche Stück über den Islam aufzuführen. Das Projekt ist undenkbar – nicht nur in Beirut, Bagdad oder Jerusalem, sondern auch in New York City.
Die Freiheit über bestimmte Themen laut nachzudenken, ohne Angst haben zu müssen gejagt, oder getötet zu werden ist bereits verloren gegangen. Und die einzigen Kräfte auf Erden, die sie wiederherstellen kann, sind starke säkulare Regierungen, die Anklagen der Blasphemie mit Verachtung gegenüber treten. Keine Entschuldigung nötig. Moslems müssen lernen, dass sie, wenn sie kriegerische und fanatische Behauptungen zur Toleranz freier Gesellschaften machen, die Grenzen dieser Toleranz erreicht haben. Und Gouverneur Romney, obwohl er wohl mit allem unter der Sonne – einschließlich der Sonne selbst – falsch liegt, hat sicherlich Recht damit zu glauben, dass es Zeit ist, dass unsere Regierung diese Botschaft ohne mit der Wimper zu zucken überbringt.
Übersetzer: Joseph Wolsing, Jörg Elbe
Übernahme von richarddawkins.net; das Original des Artikels findet sich auf samharris.org
15 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Sam Harris, der in seinem Buch 'Das Ende des Glaubens' Folter rechtfertigte?
Folter?
Wo bin ich jetzt hier?
David am Permanenter Link
Vielleicht lesen Sie die entsprechende Passage in seinem Buch nochmal gründlich durch, bevor Sie implizieren, Harris wäre ein fröhlicher Verfechter der Folter.
Aber schön, dass Sie mit dem hier gesagten übereinstimmen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich denke, die entsprecchende Passage in Harris Buch deroft gründlich gelesen zu haben, dass ich meine, Harris befürwortet Folter im Falle eines Falles (was er m.W.n. auch nie widerrufen hat).
David am Permanenter Link
Wenn Sie das ganze Buch gelesen haben und Harris generelle Positionen kennen, kann man es nur als unredlich bezeichnen, ihm generell das Befürworten von Folter zu unterstellen.
Er beschreibt im Buch (wie auch in seinen weiteren statements, die durch bewusste Missdeutungsversuche wie der Ihren nötig wurden) sachlich und sehr genau, welchen speziellen Sachverhalt er meint und warum er es meint.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich beziehe mich auf die deutsche Ausgabe von 2007, S. 199-206.
David am Permanenter Link
Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie das ganze Buch nicht verstehen.
Entweder können Sie das Geschriebene intellektuell oder fremdsprachlich nicht erfassen oder Sie sind gehässig und wollen Harris bewusst missverstehen und diffamieren.
Ich tippe auf letzteres, womöglich deshalb, weil Sie seine kritische Position zum Thema Religion anfrisst.
Die Passage so auszulegen, als ob er Folter für akzeptabel hält, weil auch Kollateralschäden akzeptieren werden, ist eine derart groteske Verzerrung seiner Argumentation, dass man wirklich nur den Kopf schütteln kann.
Versuchen Sie doch einmal, Ihre Religionsbrillle abzunehmen und der Argumentation Harris' sachlich zu folgen. Ich bin sicher, dann kommen wir zu dem gleichen Ergebnis.
F. Nicolai am Permanenter Link
Herrn Trutnau zu unterstellen, er hätte eine "Religionsbrille auf" ist ein grober Fehlschluss.
Michael Krause am Permanenter Link
Zu Herrn Trutnaus Meinung wurde nur gesagt, dass er wie ein Religiöser argumentiert - also ohne sich mit den Fakten wirklich auseinanderzusetzen, Drittmeinungen zu akzeptieren und so Fehlschlüsse zu ziehen.
Und dass er ein Mitglieder des Trägervereines hat auch dahingegend keine Bedeutung (oder sind wir hier bei der katholischen Kirche, wo alle "Oberen" nicht kritisiert werden dürfen?).
Hätte er Harris gelesen, wäre seine Argumentationsweise nicht so ausgefallen. Stattdessen wurde von ihm pauschal jegliche Argumentationsweise von Harris zu anderen Themen (wie im obigen Artikel) abgelehnt.
Harris Argumentation zu Folter war eine philosophische Diskussion, in der er meinte, dass Folter nicht vollkommen ausgeschlossen ist und es Situationen geben könnte, in denen diese einen geringeren Schaden hätte.
Deshalb auch das Beispiel mit dem (Trutnau scheint nicht zu wissen, was Kollateralschaden wirklich heisst):
Wir haben mittlerweile akzeptiert, dass es angebracht ist Bomben auf bekannte Terroristen abzuwerfen, auch wenn dies gleichzeitig mit dem Verletzen/Tod von vielen Unschuldigen verbunden wäre. Aber wenn man z.B. durch Folter den Tod von hunderten Menschen verhindern könnte, wird dies kategorisch abgelehnt.
Dabei geht es nicht darum, ob wir foltern sollten, sondern nur ob Fälle existieren könnten, in denen durch Folter das Leben von hunderten oder tausenden Menschen gerettet werden könnten.
Harris ist ausserdem dafür, dass Folter illegal bleibt und Guantanamo geschlossen wird (genau wie er den Irakkrieg von anfang an ablehnte).
Trutnau hat sich aber mit Harris Argumentationsweise nicht auseinandergesetzt, hier pauschal Harris verurteilt mit "Wissen", was er von Amazon Bewertungen geholt hat. Was kommt als Nächstes? Dawkins verurteilen, weil Bewertern "der Gotteswahn" nicht gefallen hat?
Hier 2 Erklärungen von Harris zu seinem Gedankenexperiment Folter (und nicht politischer Rechtfertigung!):
http://www.huffingtonpost.com/sam-harris/in-defense-of-torture_b_8993.html
http://www.samharris.org/blog/item/why-id-rather-not-speak-about-torture1
Michael Krause am Permanenter Link
Hier nochmals Harris Erklärung in welchem Zusammenhang er über Folter spricht.
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=WVl3BJoEoAU#t=10387
Fakt ist, wir haben Kollateralschaden akzeptiert. Wenn das Militär eingreift (z.B. um einen Vökermord zu verhindern), dann wissen wir, dass durch unser Eingreifen viele Unschuldige sterben werden. Dies lässt sich leider beim Beschuss gegnerischer Einheiten nie komplett vermeiden.
Wir wissen, dass wenn wir ISIS bombardieren, sich zivile Tote nicht vermeiden lassen. Wenn wir allerdings nichts machen, würden noch mehr sterben.
In diesem Fall treffen wir die Entscheidung, dass wir zivile Opfer in Kauf nehmen müssen, um weitaus mehr Menschen zu retten.
Harris redet dann darüber, dass in einem solchen Fall auch Folter gerechtfertigt sein könnte (z.B. wir fassen einen Terroristen, der einen Laptop hat, wo die Zündungsinformationen für eine nukleare Bombe liegen, oder auf dem die Namen von vielen anderen Terroristen sind, die mehrere Anschläge planen).
Es geht in seiner Diskussion nicht darum, wie wahrscheinlich solche Situationen sind; sondern nur ob in einem solchen Fall Folter theoretisch das "kleinere Übel" wäre.
Aber selbst wenn das alles nicht zutreffen würde, Harris wirklich für Folter wäre: Herr Trutnau hat nur den Namen des Autors gelesen und sofort jegliche Meinung von ihm abgelehnt, ohne auf die Punkte im Artikel einzugehen (ich schätze wahrscheinlich nicht einmal gelesen).
Da stelle ich mir tatsächlich seine Frage: Wo bin ich jetzt hier, dass wir auf so eine Weise diskutieren?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das ("Trutnau hat nur den Namen des Autors gelesen") ist mir jetzt echt zu blöd und oberflächlich; ebenso von 'David' ("fremdsprachlich").
Folter (selbst in einer Erstausgabe + in dem DE-Nachwort ohne jegliche Erläuterung) auch nur in Erwägung zu ziehen, ist für mich humanistisch jenseitig.
"Wo bin ich jetzt hier, dass wir auf so eine Weise diskutieren?"
Ja, diese Frage stelle ich mir auch.
Wobei die mir angedichtete Religionsbrille einfach nur unterirdisch ist.
Viel Spaß noch dabei.
Aber danke, Frank, für Deine Unterstützung!
David am Permanenter Link
"Das ("Trutnau hat nur den Namen des Autors gelesen") ist mir jetzt echt zu blöd und oberflächlich"
Wie soll man denn Ihren ersten Kommentar sonst verstehen? Hier geht es um Harris' Argumentation in Bezug auf Blasphemie, nicht um Harris' Position bezüglich Folter.
Anstelle sich mit den Argumenten in diesem Artikel zu beschäftigen, lehnen Sie offenbar die Person Harris pauschal ab, weil Sie in einer bestimmten Position anderer Meinung sind als er.
Wie die Faust aufs Auge passt hierzu übrigens wunderbar der Kommentar von Herrn Nicolai: "Bitte akzeptiere, dass man in Einzelfragen auch mal anderer Meinung sein kann, ohne gleich zu Unterstellungen greifen zu müssen.". Es verwundert doch sehr, dass Sie das nach all den Ausführungen nicht erkennen wollen.
Auch habe ich Ihnen nichts angedichtet, sondern lediglich eine klar als solche gekennzeichnete Vermutung hinsichtlich Ihrer Motivation geäußert, die sich bei Ihrer Argumentationsweise nun mal leider aufdrängt. Ich freue mich, wenn meine Vermutung falsch ist. Allerdings wird dann Ihr Gebaren noch unverständlicher.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Das ("Trutnau hat nur den Namen des Autors gelesen") ist mir jetzt echt zu blöd und oberflächlich" Wie soll man denn Ihren ersten Kommentar sonst verstehen?
Hier geht es um Harris' Argumentation in Bezug auf Blasphemie, nicht um Harris' Position bezüglich Folter."
Interessanterweise nehmen Sie ('David') selbst mehrfach (16., 19., 20.1.15) auf Harris' Buch Bezug - und dass ich es angeblich nicht gelesen hätte.
Und ich fragte lediglich, ob es sich um denselben Harris (Autor von "Das Ende des Glaubens") handelt. Mehr gab es da eigentlich nicht. Abenteuerlich, was daraus konstruiert wird.
Was soll also dieser wirklich zu blöde Unfug?
Die "Faust aufs Auge"-Attacke auf Frank Nicolai ist nebenbei so unterirdisch, dass ich mich frage, aus welcher Ecke der Poster stammt.
David am Permanenter Link
Sie fragten nicht "lediglich" die Information ab, ob es sich um denselben Autor handelt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Leider an die falsche Adresse." Nu ja; wird zu verkraften sein.
Siegfried am Permanenter Link
"Wir haben die Freiheit den Koran oder jedes andere Buch zu verbrennen und Mohammed oder jeden anderen Menschen zu kritisieren. Das sollte niemand vergessen."
Wir haben auch die Freiheit uns nicht vorschreiben zu lassen, von Vertretern u. Anhängern des Aberglaubens sowieso und erst recht nicht von Menschen und Organisationen die toleranzbesoffen und menschenrechtsbenebelt und mit einer sehr hoch auf der Nase tragenden kunterbunten Brille meinen, ihre Ideologie u. die Art u. Weise Defekte beim Namen zu nennen wäre das einzig richtige u. wahre, wie und mit welchen Worten wir dieses steinzeitliche Krebsgeschwür und größte Lügensch... der Menschheitsgeschichte zu kritisieren und abzulehnen haben. Sam Harris würde hier Beifall klatschen, garantiert!!
In diesem Sinne ... meine Freunde, und weiterhin viel Kopfschmerzen mit dem Paradoxon Einwanderungsland, Islam und andere religiöse Geisteskrankheiten in Einklang mit Toleranz, Weltoffenheit und Menschenrechte zu bringen! Es funktioniert nicht, da geht vorher der Sperling schritt!!!