(hpd) Thomas Hocke, der ehemalige Redakteur des ZDF für Literatur und Bildende Kunst, Begründer etlicher Literaturformate in ZDF, 3sat und arte sowie Mitbegründer des Rheingau-Literatur-Festivals stellt im hpd Bücher vor, die nicht unbedingt Bestseller sind; es aber noch werden könnten.
Miranda Beverly-Whittemore, "Bittersweet", Insel
Der kurze Titel, klar und eindeutig, deutet die ganze Geschichte an: Mabel, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, aber zielstrebig im Studium, wohnt mit Ev, einer aus elitären, finanziell sehr gut gestellten Familie stammenden Kommilitonin zusammen in einem Studentenwohnheim. Ev, die es mit dem Studium nicht ganz so genau wie Mabel nimmt, kann doch aus allem Profit ziehen, was ihr passt und wie es ihr Vorteil bringt. Diese Gegensätze überragen die Studien- und Ferienzeit, werden aber künstlich überbrückt von Evs Seite, die natürlich etwas von ihrer "Freundin" Mabel will - was weiß diese nur nicht genau. Sie lässt sich aber reinziehen während des Urlaubs, zu dem sie überraschenderweise eingeladen wird nach Vermont auf das prachtvolle Familiengrundstück. Auch die erste Liebe, Vergünstigungen aller Art - paradiesische Zustände. Alles geht gut, bis Mabel einem Geheimnis auf die Spur kommt, das sie "verpflichtet". Es geht um die Vorgeschichte der Familie von Ev und all dem, was diese getan hat, um "Macht" zu erhalten. Die gegensätzlichen Ebenen erhalten eine neue Dimension - und Mabel macht mit…
Eben bittersweet.
Andre ́Herzberg, "Alle Nähe fern", Ullstein
Die Gruppe "Pankow" war genauso berühmt wie "Karat" oder die "Puhdys", nicht nur in der DDR, auch im Westen. Ihr Frontmann und Sänger André Herzberg, in Ostberlin geboren, beschreibt seine Familiengeschichte über drei Generationen. Die Familie, jüdischen Ursprungs, erlebt vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute Wandlungen, die auch vielen anderen Familien eigen sind: Die politische Einstellung der jeweiligen Familien änderte sich jeweils - sie reichte vom deutschnationalen Weltbild Einzelner bis zum überzeugten Kommunisten. Alle Spannungen in der Familie wie in der Geschichte beschreibt Herzberg in einer lakonischen Art (der Titel "Alle Nähe fern" ist brillant gewählt) die, weil sie ebenso behutsam beschrieben wird, die Spannungen erklärbar macht. Nach dem Fall der Mauer 1989, erlebt Jakob - so der Erzähler - die Einbrüche in sein Weltbild elementar als neuen Einbruch in sein Leben. Die Höhen und Tiefen spart er nicht aus - und das macht den Reichtum des Buches aus. Das Buch liefert Erklärungen der Umbrüche. Herzberg beschreibt dabei nur die Auswirkungen der Weltgeschichte auf seine Geschichte.