Abstimmung zum Katholikentag 2018 in Münster

Schallende Ohrfeige für die Stadtverwaltung

Von wegen Transparenz

Auch wenn die ins Spiel gebrachten 982.000 Euro für Sachleistungen noch immer eine unangemessen hohe Summe darstellen: Sie sind bereits weniger als die ursprünglich beantragten 1,5 Mio. Euro. Dies zeigt nicht nur, dass der Protest gegen die Durchwink-Praxis wirkt, sondern die Summe bestätigt auch, was die Aktiven vom 11. Gebot schon immer gesagt haben: Die Kirche ist nicht etwa aus Transparenzgründen (wie behauptet) vor ein paar Jahren von Sachleistungen auf Barzuschüsse umgestiegen, sondern weil sie gemerkt hat, dass sie dem Staat in der Regel viel mehr Geld abschwatzen kann, als die Sachleistungen kosten. Und in Bezug auf die Fördermittel von Land und Bund wird ohnehin gar nicht erst versucht, genauer darzulegen, welche Kosten konkret damit finanziert werden sollen. Keinem anderen Veranstalter würde man das durchgehen lassen.

Das Dilemma des ZdKs

Dass die Ratsmitglieder die Sachleistungen im Wert von 982.000 Euro auch nicht – wie von der CDU vorgeschlagen – schon als Obergrenze festlegen wollten, wird dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken nicht schmecken: Das ZdK hatte auf seiner letzten Vollversammlung im November 2014 seinen Generalsekretär Stefan Vesper damit beauftragt, die "für die Durchführung des Katholikentags notwendige Mitfinanzierung durch Kirche und öffentliche Hand bis zum kommenden Mai sicherzustellen."

Nun muss das ZdK auf seiner Vollversammlung am 8. und 9. Mai in Würzburg entscheiden, ob es weiterhin am Austragungsort Münster festhalten wird oder ob es auf eine neue Einladung eines Bistums hofft. Ersteres würde den Fraktionen im Rat der Stadt Münster und auch den Stadträten künftiger Austragungsorte signalisieren, dass es auch mit weniger Leistungen ginge, und so einen Präzedenzfall schaffen. Letzteres würde die Münsteraner Katholiken verprellen, die über Kirchensteuern ihrem Bistum zu einem stattlichen Vermögen von weit über 400 Mio. Euro verholfen haben und die schon jetzt teilweise kein Verständnis dafür haben, dass ihre reiche Kirche bei der hochverschuldeten Stadt bettelt. Ohne göttlichen Beistand will man diese Entscheidung wirklich nicht treffen müssen. Das Bistum Münster schreibt daher auf seiner Seite: "Ein Nein zu Münster wäre ein Knall, den vermutlich sowohl das ZdK als auch die Stadtverwaltung vermeiden wollen."

Das Mantra von der "gesamtgesellschaftlichen Bedeutung"

Ein "Nein" wollen darüber hinaus auch die Fraktionen im Rat vermeiden: Trotz der Differenzen herrschte Einigkeit darüber, dass man den Katholikentag gerne in der Stadt hätte. Wie schon im März wurde die behauptete gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Katholikentags nicht ein einziges Mal kritisch hinterfragt. So führte ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper die folgenden Themen an, um die öffentlichen Zuschüsse zu rechtfertigen: "[Die katholischen Laien] fragen nach Lösungen für das Flüchtlingsproblem und für andere soziale Fragen in unserem Staat. Sie beschäftigen sich mit Zukunftsfragen wie der Demografie und dem Klimawandel und setzen sich für den Frieden in der Welt ein. Wer ein Katholikentagsprogramm in die Hand nimmt, sieht das doch."

Nun dann nehmen wir einmal das Programm in die Hand: In der Beschlussvorlage vom März (die zum Glück abgelehnt wurde) sind bereits die Themenbereiche des Katholikentags aufgeschlüsselt. Der Punkt "globale Verantwortung" ist der einzige, der wirklich für alle Konfessionen interessant sein könnte – leider ist dies nur ein Punkt von 10! Es ist damit eine schlichte Täuschung, wenn Themen wie Flüchtlinge und Klimawandel stets so betont werden, während von den übrigen 9 Themen mindestens 6 rein innerkirchlich sind: 1) Biblisch-Geistlicher Themenbereich – 2) Christlich-jüdischer Dialog/Christlich-islamischer Dialog – 3) Dialog mit den Nichtglaubenden – 4) Dialog mit Wissenschaft und Recht – 5) Kirche vor Ort - Kirche bei den Menschen – 6) Ökumene

Und auch die übrigen Themen (Familie und Generationen, Frauen und Männer, Jugend) werden kraft der Natur der Sache stets aus katholischer Sicht heraus behandelt. Genau deshalb sind auch nur 1,4 Prozent der Kirchentagsbesucher keine Christen – weil sie aufgrund der Ausrichtung der Veranstaltung schlicht kein Interesse daran haben dürften!

Dies ist Grund genug, noch einmal näher zu beleuchten, wie progressiv die Positionen der Fraktionen im Einzelnen tatsächlich sind:

Wie hast Du’s mit der Neutralität?

Die Argumente der Trennung von Staat und Kirche sowie der weltanschaulichen Neutralität des Staates wurden lediglich von der LINKEN ins Feld geführt. Darüber hinaus erklärte der Linken-Fraktionschef im Rat von Münster, Rüdiger Sagel, dass er hinsichtlich der Leistungsliste, die der Beschlussvorlage zugrunde lag, eigene Erkundigungen eingeholt habe. Nach seinen Berechnungen hätten die Sachleistungen lediglich einen Sachwert in Höhe von 300.000 Euro. "Die Kostenhöhe ist völlig indiskutabel, die Berechnungen sind teilweise falsch." Da es somit auch im Interesse der Linken ist, dass die Stadtverwaltung verpflichtet wurde, noch einmal genauer nachzurechnen, stimmte die LINKE nicht gegen den gemeinsamen Änderungsantrag von SPD, Grünen und Piraten/ÖDP (obwohl sie grundsätzlich auch die Sachleistungen ablehnt), sondern sie enthielt sich ihrer Stimme.

Die CDU ignoriert die Neutralitätspflicht natürlich weiterhin standhaft. Im Gegenteil: CDU-Abgeordnete aus Münster und Umgebung wünschten sich per Pressemitteilung "von der Stadt ein stärkeres Engagement für den Glauben." Dabei formuliert das Bundesverfassungsgericht eindeutig "der Gedanke der Fürsorge des Staates in Glaubensangelegenheiten ist dem Grundgesetz fremd." (Entscheidungen des BVerfG, Band 44, S. 37 [52 f.]) Deutlicher konnten die CDU-Mitglieder gar nicht zum Ausdruck bringen, worum es ihnen eigentlich geht: Nicht um die Organisation einer "gesamtgesellschaftlichen Veranstaltung", sondern um die Förderung ihres persönlichen Glaubens.

Es ist immer das Gleiche: Die Säkularen zitieren das Bundesverfassungsgericht, das Grundgesetz und die sich gewaltig geänderten prozentualen Verhältnismäßigkeiten (über 36 Prozent der Deutschen sind konfessionsfrei!) und alles was die Gegenseite darauf zu erwidern hat, lautet "Doch, doch, Religion ist für alle wichtig!"

Auch die Grünen sind sehr bemüht, den Katholikentag willkommen zu heißen. Ihre Ablehnung stützen sie daher nicht auf die Neutralitätspflicht, sondern auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach keine Gruppe bzw. kein Veranstalter mehr Unterstützung erhalten dürfe, als andere. Kurz vor der Abstimmung legte die Fraktion ihre Position noch einmal in einem eigens angefertigten Youtube-Video dar. Die Grünen fordern die Verwaltung weiterhin auf, zu erläutern, welche Unterstützung in ähnlichen Fällen üblich sei. Die 900.000 Euro seien ein viel zu hoher Betrag für Sachleistungen, fasst Otto Reiners zum Abschluss der Ratssitzung die Position der Grünen zusammen.

Tatsächlich ambivalent erscheint das Verhalten der SPD: Einerseits argumentierte sie mit finanziellen Erwägungen, dass die Stadt schlicht nicht so viel Geld übrig habe (was ja auch stimmt), andererseits meinte SPD-Fraktionsführer Michael Jung während der gestrigen Ratssitzung, dass die CDU nur Schein-Gegensätze konstruiere, da die Veranstalter des Katholikentags schon wüssten, dass sie die kommunale Infrastruktur bekommen. Es fehle nur noch eine seriöse Kostenschätzung vonseiten der Stadtverwaltung. Wenn aber die SPD ohnehin schon entschlossen ist, die Sachleistungen zu erbringen, welche Rolle spielt es dann noch, ob die jetzige Schätzung im Vergleich zu den 2018 tatsächlich anfallenden Kosten zu hoch angesetzt ist?

Wie die SPD erkennt auch die FDP in Münster in der einseitigen Privilegierung des christlichen Glaubens keinen Verstoß gegen den liberalen, pluralen und weltanschaulich neutralen Verfassungsstaat. Seit Beginn der Diskussion und so auch gestern Abend, sagte FDP-Fraktionschefin Carola Möllemann-Appelhoff, Notwendiges müsse von Wünschenswertem unterschieden werden. Die Stadt könne sich angesichts eines höheren Millionen-Defizits keine Unterstützung des Katholikentags leisten. Anzurechnen ist der FDP, dass sie – im Gegensatz zur SPD – Konsequenz beweist und nicht nur den Barzuschuss ablehnt, sondern auch die Sachleistungen. Da für letztere im städtischen Haushalt eine Gegenfinanzierungsposition geschaffen werden muss, belasten sie das Stadtsäckel genauso wie ein Barzuschuss. Wenn man also schon rein fiskalisch argumentiert, dann muss man beides ablehnen.

Die rein fiskalische Argumentation erhielt in der gestrigen Ratssitzung nochmals besonderes Gewicht, da die Stadtverwaltung einen neuen Haushaltsbericht vorlegte. "Die Eckdaten des Haushalts sind besorgniserregend", stellte Kämmerer Alfons Reinkemeier klar. Der Berichtsvorlage "Perspektiven für den Haushaltsplan 2016 – Finanzeckwerte" kann entnommen werden, dass bis 2019 ein inzwischen nunmehr schon dreistelliger Millionenbetrag (115 Mio. Euro) als Defizit angehäuft wird. Die Empfehlung des bekennenden Katholikentagsbefürworters Reinkemeier war angesichts dieser dramatischen Zahlen, die Münster an den Rand der Haushaltssicherung bringen, jedoch nicht, gänzlich auf eine Finanzspritze für den Katholikentag zu verzichten. Sein Vorschlag: die Ausgaben für einen Katholikentag zu splitten und auf zwei Haushaltsjahre zu verteilen. Ebenso wie die CDU versucht also offenbar auch die Verwaltung jenseits aller fiskalischen Vernunft, nicht vorhandene städtische Gelder in den Katholikentag zu pumpen – notfalls mit buchhalterischen Taschenspielertricks.

Umso mehr ist zu begrüßen, dass die Mehrheit des Rats der Stadt Münster der Verwaltung gestern die rote Karte zeigte und die mangelhafte Berechnung der Sachleistungen für den Katholikentag zur Nachbearbeitung an die Verwaltung zurückverwies. Die Entscheidung über die Höhe der zu gewährenden Sachleistungen ist nun voraussichtlich nach der Sommerpause zu erwarten.