Abstimmung zum Katholikentag 2018 in Münster

Schallende Ohrfeige für die Stadtverwaltung

MÜNSTER. (hpd) Keine Bank würde Kredit gewähren, wenn man einen so schlecht begründeten Antrag einreiche – so der Fraktionschef der Grünen, Otto Reiners, im Stadtrat von Münster. Der Satz lässt auf einen (bundesweiten) Politikwechsel in Bezug auf die öffentliche Subventionierung von Kirchen- und Katholikentagen hoffen. Nach einem Überblick unternimmt der Artikel eine kritische Auswertung.

Etwas über einen Monat ist es her, dass ausgerechnet das als katholische Hochburg geltende Münster sich als erste Stadt in der Geschichte geweigert hatte, dem Katholikentag einen Barzuschuss zu gewähren. Gestern sollte nun entschieden werden, ob und in welchem Umfang die Stadt die Veranstaltung stattdessen mit Sachleistungen unterstützen wird. Doch dazu kam es nicht. Wie schon im März begann die Ratsversammlung erst mit einer Stunde Verzögerung, da hinter den Kulissen noch versucht wurde, eine Einigung zu erzielen. Nicht nur Daniela Wakonigg vom 11. Gebot, die unter anderem dem WDR ein Interview gab, wartete gespannt auf die nächste Runde des Pokerspiels, bei dem es mal wieder die Deutungshoheit über die weltanschauliche Neutralität des Staates als Einsatz zu gewinnen gab.

Wer findet die "Provinzposse"?

Während die Kirchen- und ZdK-Funktionärin Notburga Heveling die revolutionäre Abstimmung im März noch als "Provinzposse" abkanzelte, steigt das Interesse der Medien: dpa war vor Ort und auch die taz berichtete wieder vorab. Das katholikentagstreue Lokalblättchen "Westfälische Nachrichten" entschied sich für einen Live-Ticker über die Abstimmung – vielleicht hat man gemerkt, dass die 7 (!) Artikel binnen 48 Stunden beim letzten Mal die eigentliche "Provinzposse" darstellten.

Auch während der gestrigen Beratung ging es anfangs noch einmal um die Westfälischen Nachrichten (WN): LINKEN-Fraktionschef Rüdiger Sagel warf Oberbürgermeister Lewe vor, dass seine Verwaltung die Beschlussvorlage an die WN weitergegeben habe und CDU-Ratsmitglieder der Zeitung gegenüber bereits Stellungnahmen abgaben, bevor die anderen Fraktionen die Vorlage überhaupt in den Händen hielten.

Die "Transparenz", die die Stadtverwaltung wie beschrieben anscheinend gegenüber den Westfälischen Nachrichten bereitwillig an den Tag legte, ließ sie hingegen bei der Erfüllung ihres Arbeitsauftrags (der Prüfung möglicher Sachleistungen) vermissen. Bereits bei der Beantwortung der 4 Fragen, die ihr im September 2014 per Ratsbeschluss aufgetragen worden waren, arbeitete die Verwaltung alles andere als gründlich: Insbesondere der entscheidungsrelevante Vergleich der Kosten- und Nutzenrelation eines Katholikentags mit anderen Veranstaltungen in der Kongressstadt Münster fehlte vollkommen. Die Aktiven vom 11. Gebot hatten – dies vorausahnend – daher diese 4 Fragen zur Grundlage ihres öffentlichen Briefes gemacht.

Von "Paketchen" und Rechenkünsten

War man kurz nach der Abstimmung im März noch davon ausgegangen, dass die statt des Barzuschusses angedachten Sachleistungen mit etwa 600.000 Euro zu beziffern seien, empfahl CDU-Oberbürgermeister Lewe in der gestrigen Ratssitzung Leistungen im Wert von 982.000 Euro. Auf der Webseite des Bistums nennt man die stolze Summe, die gerade mal 1/6 unter den zuletzt beantragten 1,2 Mio. Euro liegt, freilich nur ein "Paketchen". Die Kirche ist es eben gewohnt, in größeren Geldbeträgen zu denken.

Die Überheblichkeit wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, was andere Veranstaltungen an Zuschüssen erhalten: Nachdem das Stadtfest angesichts zu großer Unwägbarkeiten von den privaten (!) Veranstaltern in den letzten Jahren nicht realisiert werden konnte, erhält es nun einen städtischen Zuschuss in Höhe von 70.000 Euro. Bezogen auf die erwartete Mindesteilnehmerzahl von 300.000 Menschen, bedeutet dies eine Pro-Kopf-Förderung von 0,23 Euro. Beim Katholikentag sind es hingegen eher nur 70.000 Teilnehmer (statt 70.000 Euro), dafür aber rund 1 Mio. Euro in Form von Sachleistungen. Dies bedeutet 14,29 Euro pro Kopf und damit mehr als die 62-fache Förderung!

Getoppt wird diese Rechenkunst nur noch von CDU-Fraktionsvize Frank Baumann: Dieser verstieg sich gestern zu der Behauptung, ein Barzuschuss (1,2 Mio. Euro) wäre doch tatsächlich besser gewesen für die Stadt als die Sachleistungen (bislang maximal 982.000 Euro). Die CDU scheint immer wieder bereit zu sein für verbale Entgleisungen: Schon bei der letzten Abstimmung vergaloppierte sich Fraktionschef Stefan Weber mit der Aussage: “SPD und Grüne fordern Barleistungen für Sozialhilfeempfänger, lehnen sie für das Zentralkomitee der Katholiken aber ab.”

Ähnlich dreist in der Formulierung zeigte sich am Tag vor der Abstimmung auch der Diözesangeschäftsführer des Kolpingwerks, Uwe Slüter: Für die "Kolpingmitglieder als Bürgerinnen und Bürger" sprach er nicht etwa eine Bitte aus, sondern man "erwarte, dass der Stadtrat den Katholikentag nachhaltig unterstützt", denn "die Menschen bei Kolping wollen [dies] einfach."

Die Bierdeckel-Rechnung

Von der nur knapp unter der symbolischen Grenze von einer Million bleibenden Summe sind allein 300.000 Euro für die kostenlose Überlassung der Münsterlandhalle und weitere 330.000 Euro für ein Nahverkehrskombiticket vorgesehen. Eigentlich sollten es sogar 1.267.000 Euro sein – das ZdK erbat sich nämlich noch eine Geschäftsstelle sowie Lagerflächen im Wert von 285.000 Euro. Mangels Verfügbarkeit zog die Stadtverwaltung diese Posten von der Aufstellung des ZdK wieder ab. Inzwischen hat sich auch das Bistum Münster bereit erklärt, das ZdK bei dieser Suche entsprechend zu unterstützen – es geht also anscheinend doch ohne staatliche Hilfe! Im Übrigen wurden ausnahmslos alle von den Veranstaltern angegebenen Posten von der Verwaltung als "plausibel" bewertet. Die Aufstellung passt auf eine DIN-A4-Seite.

Dies war den Fraktionen von SPD, Grünen sowie Piraten/ÖDP nicht ausführlich genug, wie Grünen-Fraktionschef Otto Reiners mit dem titelgebenden Zitat zum Ausdruck brachte. Daher brachten sie einen Änderungsantrag ein, der die Verwaltung verpflichtet, Leistungsverzeichnis und Kosten noch einmal konkreter zu benennen. Diesem Antrag musste am Ende selbst die CDU – nach eigenem Bekunden: "zähneknirschend" – zustimmen.