Nicht aufklärerisch, sondern manipulativ

Die Kampfschrift "Don't Go Veggie!"

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BONN. (hpd) Die Autoren Udo Pollmer, Georg Keckl und Klaus Alfs wollen in ihrem Buch "Don't Go Veggie! 75 Fakten zum vegetarischen Wahn" gegen behauptete Auffassungen von Gegnern des Fleischkonsums anargumentieren. Es handelt sich indessen um ein von Gehässigkeit und Herabwürdigungen geprägtes Werk, das mit Manipulationen statt Sachargumenten gegen Vegetarismus und Veganismus polemisiert.

Der Fleischkonsum steht in der öffentlichen Kritik, denn ethische und gesundheitliche, ökologische und wirtschaftliche Gründe sprechen dagegen. Die Minderheit der Vegetarier und Veganer findet daher auch größere Aufmerksamkeit: Betriebe der Fleischindustrie haben auf einmal fleischfreie Produkte im Angebot, neue Magazine auf dem Zeitschriftenmarkt werben um vegane Leser. Gleichwohl bedarf diese Entwicklung der kritischen Aufmerksamkeit, allein schon motiviert durch den Fanatismus einiger Tierfreunde und mache ungeklärten Fragen im Veganismus.

Als ein Buch in diesem Sinne präsentiert sich "Don't Go veggie! 75 Fakten zum vegetarischen Wahn", geschrieben von dem Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, dem Agrarstatistiker Georg Keckl und dem Landwirt Klaus Alfs. Wer angesichts der Berufsangaben zu den Autoren eine informative, nüchterne und sachliche Publikation erwartet, wird indessen enttäuscht. Denn das vom Verlag als "gepfefferte Kampfschrift" angekündigte Buch ist voll von Gehässigkeiten und Herabwürdigungen.

Bereits im Inhaltsverzeichnis kann man eine Auflistung von angeblichen oder tatsächlichen Behauptungen von Vegetariern und Veganern lesen. Ihnen vorangestellt sind Bezeichnungen wie "Total Banane" (S. 9), "Setzen, sechs" (S. 50) oder "Verarsche" (S. 61), was bereits in den Formulierungen nicht für Sachlichkeit und Seriosität steht. Es geht dort auch nicht um Polemik oder Satire, letztendlich erklärt man Andersdenkende zu Dummköpfen, Naivlingen oder Schwindlern. Demgegenüber heißt es über die Autoren auf dem Buchrücken "Ihr Anliegen ist ein genuin aufklärerisches: Sie kämpfen für Toleranz und eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Fakten und gegen moralische Keulen."

Den Anschein der Seriosität sollen die 75 einzelnen Kapitel vermitteln: Ihr Aufhänger ist eine behauptete Position von Gegnern des Fleischkonsums, daraufhin kommentieren die Autoren diese kritisch als falsch oder unangemessen und liefern dann noch einige Literaturangaben zum Thema. Indessen ist ihr Anliegen nicht aufklärerisch, sondern manipulativ.

Dafür seien hier einige Beispiele für einschlägige Methoden genannt. Durch viele Abschnitte zieht sich als Manipulationstechnik die Argumentation mit "Strohmännern". Dabei schreibt man dem Andersdenkenden eine besonders absurde Auffassung zu, welche dann um so einfacher widerlegt werden kann. Eine Variante davon bezieht sich auf einzelne oder randständige Meinungen von Andersdenkenden. Damit beginnt bereits das Buch: "Total Banane: Menschenrechte für Menschenaffen" greift eine Forderung auf: "Dank der genannten Menschenrechte wäre es strafbar, den Lebensraum der Affen zu beschneiden oder diese zu jagen" (S. 9). Dies hätte in Afrika "brutale Konsequenzen für jene Menschen, die bei uns kein Gehör finden …" Die Bejahung von Grundrechten für Tiere erhebt indessen nur eine Minderheit von Tierethikern. Der Hinweis "die Menschen in Afrika haben ein anderes Verständnis …" (S. 10) ist kein Argument dagegen. Und schließlich hat diese Frage auch direkt gar nichts mit dem Thema "Vegetarismus" zu tun.

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Eine andere Manipulationstechnik besteht darin, dass man einen einzelnen Aspekt durchaus zutreffend beschreibt und kommentiert, dann aber aus diesem Detail eine grundlegende Negierung ableitet. Ein Beispiel dafür ist der Abschnitt "Tatsache: Vegetarier vergeuden Land und Energie". Deutlich gemacht werden soll dies anhand des Spargels, der "reichlich Fläche bei wenig Ertrag" benötige. Hinzu komme ein "erklecklicher Energieverbrauch" etwa durch "spezielle Fußbodenheizungen" (S. 78). Selbst wenn die jeweiligen Angaben so hoch wären, würde dies nicht gegen Vegetarismus sprechen. Denn Spargel ist weder das alleinige noch primäre Ersatznahrungsmittel für die Anhänger fleischfreien Essens. Aus der von den Autoren präsentierten Statistik geht übrigens hervor, dass der Eiweißertrag von Pellkartoffeln pro Hektar Ackerland höher als der von Schweinefleisch ist. Zwar hat Futtermais und Futterweizen hier die höchsten Werte (vgl. S 80), damit ist aber gerade noch nicht das Endprodukt für die fleischliche Nahrung, sondern nur dessen Voraussetzung präsent.

Auch die Maßstäbe der Kritik geraten häufig durcheinander, was nicht für eine sachliche und stringente Argumentation spricht. So heißt es beispielsweise: "Denn all die Teile vom Tier, die bei uns nicht gegessen werden, finden auf dem Weltmarkt Käufer. Das bedeutet in der Konsequenz, dass unsere hocheffektiven Mäster mit ihren Schweinen und Hühnern nicht nur die deutsche Bevölkerung ernähren, sondern noch viele weitere Menschen auf der ganzen Welt" (S. 62). Dies trifft durchaus zu: Die Abfallprodukte der Fleischindustrie in Europa landen als Ramsch-Importware auf den Märkten von Entwicklungsländern. Dort führen sie zu Absatzproblemen für die einheimliche Landwirtschaft, was zu ökonomischen Krisen- und Stagnationsprozessen führt.

Bei der Frage nach den Rechten für Tiere hatten die Autoren indessen noch beklagt, hier "müssten viele Subsistenzbauern auf ihre Existenzgrundlage verzichten" (S. 10). Gleiches gilt dann aber auch für den Export der Fleischabfälle. Auch hier merkt man die Absicht der Autoren: Es wird nicht aufgeklärt, sondern manipuliert!

Der vergleichende Blick auf die einzelnen Kapitel veranschaulicht viele Widersprüche: In dem Abschnitt "Verarsche: Unser Fleischkonsum ist viel zu hoch" legt man bezüglich der Entwicklung des Fleischkonsums nahe, "dass der tatsächliche Konsum viel niedriger liegt als die Statistiken angeben" (S. 61). Die zuvor gedruckte Statistik zur "Entwicklung des Viehbestands in Deutschland" (S. 34) macht indessen deutlich, dass dieser zwischen 1913 und 2013 bezogen auf Geflügel doppelt so stark angestiegen ist, hinsichtlich der Schweine zwar in der Tendenz immer mal wieder rückläufig war, aber von 2000 auf 2013 wieder stark anstieg.

Darüber hinaus behaupten die Autoren, die Anhänger der fleischfreien Ernährung würden "echte Luxusgüter" aus anderen Ländern mit "hohen Ressourcenverbrauch" mit dem "Flugzeug nach Deutschland" (S. 164) verfrachten. Nur wenige Seiten später wird dann in dem Abschnitt "In die Tasche gelogen: Regionalität schützt uns vor der Globalisierung" die Provinzialität "regionaler Kost" und "regionaler Kreislaufwirtschaft" (S. 183) verdammt.

Letztendlich geht es den Autoren gar nicht um eine Kritik an der vegetarischen oder veganen Ernährungsform, denn viele Abschnitte richten sich in beleidigendem und zynischem Ton gegen deren Anhänger. Ihre Glaubwürdigkeit und Motive sollen in Zweifel gezogen werden. Denn nur so ist erklärbar, warum behauptete negative Seiten von Gegnern des Fleischkonsums immer wieder hervorgehoben werden. Entgegen deren mitunter auszumachendem Selbstverständnis, sind Vegetarier und Veganer keineswegs pes se die besseren Menschen. Es gibt auch ganz unterschiedliche Motive für den Verzicht auf Fleisch. Dafür kann eine ethische Auffassung bezogen auf die Tiere ebenso wie der gesundheitliche Gesichtspunkt hinsichtlich des Menschen dienen. Die Autoren betonen die Schattenseiten bekannter Vegetarier: Bei Mahatma Ghandi verstören dann Genussabstinenz und "Keuschheitsgelübde" (S. 120). Doch was haben solche angeblichen oder tatsächlichen Fehler einzelner Gegner des Fleischkonsums mit der Frage des Vegetarismus zu tun?

Man ahnt in diesem Kontext, was noch kommen muss: Denn auch Adolf Hitler aß kein Fleisch. Doch was besagt dies? Er trank auch keinen Alkohol und rauchte keine Zigaretten. Was ergibt sich aus dieser Einsicht? Hier soll derartigen Gedankengängen gar nicht weiter gefolgt werden.

Als Beispiel für einen weiteren Eindruck von Argumentationsweise und Niveau folgt einfach noch kommentarlos ein Zitat, das sich auf die Praxis des Stierkampfs in Spanien bezieht. Diese Frage hat auch – wie so viele andere Abschnitte in dem Buch – eigentlich nichts mit dem ursprünglichen Anliegen oder Thema zu tun. Gleichwohl heißt es dort: "Den Kampfstieren geht es nach den Maßstäben der Tierschützer besser als den meisten Rindern dieser Welt. Wenn es keine Stierkämpfe mehr gäbe, wären diese Stiere nicht ‘noch besser geschützt’, sondern die gleiche Anzahl von Tieren stünde im Stall statt auf den Weiden, bis sie schließlich im Schlachthof der gleichen Bestimmung zugeführt würden. Es wäre das schmähliche Ende des geachteten Kampfstiers" (S. 112).

Wie lässt sich nun "Don't Go Veggie" abschließend einschätzen? Eine kritische Auseinandersetzung mit Differenzierungsvermögen und Sachverstand wäre gegenüber dem Vegetarismus und Vegantum durchaus wünschenswert. Noch sind viele Fragen offen, sowohl bezogen auf die gesellschaftliche wie die gesundheitliche Dimension. Auch verdient das Agieren und der Habitus mancher Tierschützer mehr als nur Kritik. Und schließlich überzeugen keineswegs alle Argumentationsmuster in der Tierethik. Zu all dem liefert das Buch aber keinen erkenntnisfördernden Beitrag. Vielmehr ist es der Ausdruck einer von Gehässigkeit und nicht nur von Polemik getragenen Einstellung gegenüber den hier Andersdenkenden. Durch diese Absicht entwertet das Buch auch die überlegenswerten Aspekte, die indessen an den Fingern einer Hand abzählbar sind. Die ausführliche Besprechung und Kritik ist denn auch nicht durch die argumentative, sondern die manipulative Dimension motiviert. Ihr gegenüber ist kritische Aufklärung notwendig.


Udo Pollmer/Georg Keckl/Klaus Alfs, Don't Go Veggie! 75 Fakten zum vegetarischen Wahn, Stuttgart 2015 (S. Hirzel-Verlag), 222 S., 19,80 Euro