Kolumne: Sitte & Anstand

Alles fließt. Und Bäume müssen draußen bleiben.

Das Jenseits ist der große Verkaufsschlager von Esoterik und Religionen, wie aber sieht es dort aus? Wir haben uns mal informiert: leider reichlich öde.

"Wie sieht das Jenseits aus?"

Die Frage muss gestattet sein. Das Jenseits ist der Unique Selling Point von Esoterik und Religionen, um seinetwillen hat man sich die gläubigen Nasen blutig gehauen, hat sich in den Staub geworfen und mittelmäßigen Gurus das Konto gefüllt. Das Angepriesene und teuer Erkaufte ist dabei immer seltsam schwammig geblieben. Und klar: Was soll man den Leuten schon sagen? Ist das Jenseits eine Art Abenteuerpark und Schlaraffia, so stellt sich die Frage, ob das nicht auf Dauer langweilig und deprimierend sei. Verkauft man es als ein normales Weiterleben auf höherer Ebene, mit Schrebergärten und Rabattaktionen, so stellte sich die Frage nach dem Sinn des Lebens noch zwingender und bitterer denn je. Was soll der ganze Quatsch hier unten, wenn da oben noch mal der selbe Quatsch lauert?

Das Jenseits ist selten viel weiter ausformuliert worden als ein vager Trost, und vage muss es sein, um die Absurdität des Konzepts nicht zu schnell preiszugeben: Nach dem Tod kommt etwas Tolles, und du wirst alle deine Lieben wiedersehen. Ja, und dann? Was mache ich dann mit denen? Wieso werden die auf der Erde im Materiellen produziert, mit Schwerkraft, Krankheit und Verdauung, wenn sie das ewige Leben im Irgendwo haben? Was ist mit den ganzen Kotzbrocken hier auf Erden, sehe ich die dann auch wieder, und was für ein Paradies soll das sein, wenn die ungestraft rumschweben dürfen?

Nun ja. Über Jahrtausende hat die Menschheit sich überwiegend dafür entschieden, die Bedrohung durch den Tod auf diese Weise für sich zu lösen: möglichst schlicht und möglichst unklar zugleich. Wenn das einem denkenden Hirn aber nicht genug ist?

Dann kann man ja noch googeln.

"Wie sieht das Jenseits aus?" Ich habe die Frage neulich bei der allwissenden Suchmaschine eingegeben, und ganz oben poppte also Syndia Detzler aus dem Saarland auf, die mir das stellvertretend für alle Esoteriken und Religionen mal erklären durfte - aber weniger weil sich im Saarland das Elysium verbirgt, sondern, weil Syndia schon mal Einblicke nehmen durfte, sie hat gute berufliche Kontakte nach drüben, denn sie arbeitet als "Medium, Kartenlegerin und Gesundheitspraktikerin". Nun aber nicht erschrecken: Der Tunnel aus Licht, den man beim Sterben sieht, ist gar kein Tunnel! Sondern eher eine optische Täuschung. Dann, sorry to say: Im Jenseits gibt es leider keine Bäume und keine Straßen. Nix zu essen auch. Dort ist nur ein Fließen, eine Energie, denn: Wir sind ja reine Energiewesen. "Wenn du deine Hand", sagt Syndia, "unter ein Elektronenmikroskop legen würdest, würdest du ja sehen, dass du nicht dicht bist, von der Struktur her."

Das Dasein als Energie sei "wunderschön, wie in Watte gepackt, nur nicht so dumpf, wie wenn man in Watte gepackt ist". Fernerhin sei das Universum hörbar, es habe seinen eigenen Klang, irgendwie chaotisch und doch geordnet zugleich, ebenso sei das Dasein als Fließen irgendwie kollektiv und doch individuell gleichzeitig, man habe Zugriff auf alles Wissen der Welt, befinde sich aber doch ständig im regen Austausch mit all den anderen, die man irgendwie ja auch selbst ist. Wir würden Nebel! So wie das Wasser. Beim Wasser sei das wie mit Holz. Wenn man Holz verbrenne, sei ja das Holz nicht weg, es ändere nur seine Form, kurzum:

Das Jenseits ist offenbar ein Zustand zwischen zwangsweiser Wellnessbehandlung und einem Drogentrip, der nicht aufhören will. Ganz ehrlich? Etwas besseres als das findest du überall.

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