Der Publizist Jürgen Beetz nimmt in seinem Buch "Auffällig feines Deutsch. Verborgene Schlüsselwörter eines Parteiprogramms" eine Analyse der AFD vor. Dies geschieht zwar eher subjektiv und unsystematisch, vermittelt aber viele Einsichten in die "Parteidenke".
Was meint, was will eigentlich die "Alternative für Deutschland" (AfD)? Wenn man nicht nach dem Abgelehnten, sondern dem Bejahten fragt, dann wird es häufig diffus. Nicht selten widersprechen sich die Führungsfiguren in öffentlichen Statements. Besser wurde es hier auch nicht mit dem neuen Parteiprogramm, das häufig sehr allgemein und dann wieder sehr widersprüchlich ist. Doch wie steht es mit den dortigen Begriffen, mit was für einer Sprache hat man es zu tun? Dieser Frage geht Jürgen Beetz in seinem Buch "Auffällig feines Deutsch. Verborgene Schlüsselwörter eines Parteiprogramms" nach. Er ist Informatiker und hat als Systemanalytiker gearbeitet. Demnach ist er weder Linguist noch Politikwissenschaftler. Gleichwohl muss man dies nicht notwendigerweise sein, wenn hinter die Bedeutung von Diskursen und Schlüsselwörtern geschaut werden soll. Es kommt auf die argumentative Herangehensweise und die methodische Stringenz an. Aber auch darum geht es dem Autor nicht so sehr, will er doch mehr den "gesunden Menschenverstand" aktivieren.
Er macht zunächst deutlich, dass es sich bei Programmen von randständigen Parteien häufig um "weichgespülte Formulierungen" (S. 17) handele, will man sich doch möglichst nicht angreifbar machen, muss aber auch attraktiv erscheinen. Gleichwohl will der Autor "nach halben Wahrheiten und Killerphrasen suchen – bei einer Partei, die ja explizit und stolz den ‚Empörialisten‘ zu repräsentieren versucht" (S. 20). Nach kurzen Ausführungen zur Bedeutung von Kommunikation geht es dann direkt um "Verräterisches im Grundsatzprogramm", wobei Begriffe dargestellt und kommentiert werden. Die Auseinandersetzung reicht von "Digitalisierung" und "Flüchtling" über "Islam" und "Politische Klasse", "Migrationshintergrund" und "Parallelgesellschaft" bis zu "Steuerbremse" und "Volk". Es gibt dabei jeweils Kommentare wie die folgenden zu "Nation": "Bemerkenswert auch hier: die Nation als Person ('Die Nation tut ihr Möglichstes …'). Ein Deutungsrahmen, eine Metapher: Die Nation ist ein handelndes Subjekt" (S. 44).
Bilanzierend heißt es zur Einschätzung der Partei: "Die AfD, aus ihrem Grundsatzprogramm zu schließen, scheint ihren Anker im konservativ-bürgerlichen Milieu zu haben. Das sieht man an den vielen akzeptablen demokratischen Grundsätzen, die darin formuliert sind. Aber die Ankerleine ist lang, und einige prominente Protagonisten zerren gewaltig an ihr. Also treibt das Parteischifflein – unter anderem von Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit getrieben – in die politisch rechte Richtung" (S. 125). Und weiter bemerkt Beetz hinsichtlich der Bezugspunkte und Zukunftsorientierung: "Die Utopie der AfD ist das 'zurück zu …' in eine vermeintlich bessere Vergangenheit. Sie hat kein Konzept für die Gegenwart und schon gar nicht für die Zukunft. Die Partei repräsentiert 'das Volk', behauptet sie, und meint das 'gesunde Volksempfinden'. Die Betonung liegt auf 'Empfinden', also der gefühlten Befindlichkeit. Leider gehören – durch Abwesenheit der entsprechenden Vokabeln bewiesen – Toleranz und Humanität nicht dazu" (S. 126).
Der Autor kann diese Einschätzungen gut belegen, wobei er differenziert und nicht pauschalisiert: Die artikulierte Kritik müsste nicht mit den gezogenen Schlüssen übereinstimmen. Ein Beispiel dafür: "Die Kritik an der Flüchtlingspolitik ist eine Sache, die Wortwahl eine andere" (S. 73). Dies alles geschieht aber doch etwas zu subjektiv und unsystematisch. Ersteres macht die lockere Schreibe deutlich, die für eine gute Lesbarkeit steht, aber die persönliche Perspektive unverkennbar dominieren lässt. Damit einher geht der andere Aspekt: Es bleibt etwas unklar, worin das genaue Erkenntnisinteresse für die Untersuchungen der Wörter besteht. Es hätte zum Beispiel hinsichtlich der demokratie- oder extremismustheoretischen Einschätzung sein können. Einen derartigen Ansatz findet man zu Beginn aber nicht und daher bleibt die genaue Zielsetzung etwas unklar. Insofern kann auch nicht verwundern, dass der Autor gelegentlich von der beabsichtigten Programmanalyse abweicht. Gleichwohl liefert Beetz einen kritischen Einblick in die "Parteidenke".
Jürgen Beetz, Auffällig feines Deutsch. Verborgene Schlüsselwörter eines Parteiprogramms, Aschaffenburg 2017 (Alibri-Verlag), 145 S., ISBN 978-3-86569-230-6, 10,00 Euro
4 Kommentare
Kommentare
Ulf am Permanenter Link
Bleiben wir doch einmal bei der Analyse von Schlüsselwörtern.
Ich verweise dazu auf den kurzen aber guten Beitrag von 2008 auf HPD " Drei Fragen an Klaus Blees" https://hpd.de/node/4633
Ansonsten: Endlich miteinander reden, anstatt im eigenen Kosmos kreisen und in die Deutungskugel schauen, dies gilt für alle Seiten. Das Spektrum zu diskutierender, aber erlaubter Meinungen wieder erweitern. Was man beispielsweise im AfD Programm liest , unterscheidet sich nicht oder kaum von einem CDU Programm der frühen Zweitausender. Es unterscheidet sich im Hinblick auf Fragen zur Migration auch nicht von der Staatspolitik so ziemlich jeden Staates auf der Welt, vom sozialdemokratisch dominierten regierten Tschechien bis Australien.
Was ich persönlich feststellen muss, ist die Tatsache, dass viele Bürger in unserem Land im Kern immer noch autoritär agieren, sich leicht beeinflussen ĺassen, gern paternalistisch aufbereitete Meinungen konsumieren und dann vehement zur Eigenen transformieren. Hinterfragen, Beweggründe für gegenteilige Ansichten wahrhaft erkunden, versuchen zu verstehen, zu oft Fehlanzeige. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir zu einer offenen Gesellschaft im eigentlichen Sinne zurückfinden.
Grüße
little Louis am Permanenter Link
@ Ulf am 24ten um22:40
Ich stimme weitgehend zu. Aber:
Wenn unter "Offene Gesellschaft" die weltweite Agenda eines Multimilliönärs verstandenwerden sollte, hätte ich bedenken.
Den seit dem Kalten Krieg (etwa seit den 60ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts) betriebenen Bestrebungen, die Philosophie Poppers zur propagandistischen Durchsetzung eines universalen Neokapitalismus zu missbrauchen, sollten kritisch und skeptisch-ideologiekritisch denkende Humanisten eigentlich nicht auf den Leim gehen.
Und ich hoffe mal, dass zwei Buchstaben in "GBS" nicht für "George Soros- Stiftung" stehen.
Ulf am Permanenter Link
@little Louis
Vielen Dank für ihre Nachfrage.
Eine offene Gesellschaft, wie ich sie verstehe, limitiert kein erlaubtes Meinungsspektrum in engen Grenzen, wie derzeit zu sehen.
Ausgenommen von der freien Rede, von der Formulierung geistiger Theorien sind nur Gewaltaufrufe oder Bestrebungen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu vernichten.
Ansonsten muss rationale Vernunft in kritischem Gedankenaustausch zum bestmöglichen Wohle einer Gesellschaft erarbeitet werden. Was ich derzeit wahrnehme ist viel zu oft eher die Immunisierung eigener festgefügter Ideologien, die keinerlei Zweifel erlauben, indem man Kritik daran erstickt mit Schlagwörtern und Schubladen, mit Ausgrenzung und Diffamierung, mit Rabulistik und gar mit Bedrohung der reinen sozialen Existenz. Das wir alle irren können in Einschätzungen, mit Theorien zu Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, dass Selbstkritik essentiell und daher Kritik auch an der eigenen Meinung unverzichtbar ist, diese einfache Erkenntnis ist selten geworden.
Grüße
little Louis am Permanenter Link
Danke für Reaktion. Vorläufig keine Einwände. Ihr Wort "in Gottes Ohr". Der Blick auf Teile der Realität lässt mich aber immer öfter zweifeln, ob SEINE Kinder das mehrheitlich auch so sehen.
Grüße von L.L