Als Konsequenz von Vertuschung und Schweigen in Bezug auf sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige durch Kirchenangestellte und Prominente soll die Meldung solcher Verbrechen bald zur Pflicht werden. Ein Verstoß gegen diese Berichtspflicht wird dann zur strafbaren Handlung. Da die Verpflichtung auch durch gebeichteten Missbrauch ausgelöst würde, wandte sich ein anglikanischer Bischofsrat nun an die Regierung, um eine Ausnahme für die Beichte zu erwirken. Als Grund wird, unter anderem, die Sorge um beichtende Missbrauchsüberlebende angegeben.
Bereits in den 1970er Jahren wurden Fälle sexualisierter Gewalt von Priestern an Minderjährigen bekannt. Oft mit geringen Konsequenzen für die Kirchenmänner. Eine Situation, die sich bis Anfang der 2000er Jahre kaum änderte. Erst ab etwa 2008 wurden intensivere Untersuchungen und Bestrafungen der Täter durchgeführt. Im Jahr 2010 veröffentlichte die Church of England eine Überprüfung früherer Fälle. Nur zwei Jahre später wurden hunderte Missbrauchsfälle durch den prominenten Moderator Jimmy Savile bekannt. Die im Zuge dieser Aufdeckungen aufkeimende Frage, wie diese Verbrechen so lange unbemerkt passieren konnten, lässt sich nur mit groß angelegtem Schweigen und Vertuschen beantworten.
Um dagegen vorzugehen, hat die britische Regierung nun eine Berichtspflicht entworfen. Diese richtet sich an alle, die Fälle von Missbrauch Minderjähriger oder Anzeichen dafür bemerken. Die Pflicht richtet sich im Besonderen an Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, Personen in Vertrauenspositionen und die Polizei. Als Ausnahme von einer Berichtspflicht soll gelten, wenn die betroffene Person zwischen 13 und 16 Jahren alt ist, die sexuelle Beziehung einvernehmlich, nicht ausbeuterisch oder unter Zwang besteht, das Kind oder die jugendliche Person nicht verletzt oder dem Risiko der Verletzung ausgesetzt wird und kein Unterschied in Fähigkeiten und Reife zwischen den beteiligten Personen besteht. Zudem darf der Altersunterschied nicht mehr als drei Jahre betragen.
Eine weitere Ausnahme von der Berichtspflicht für kirchlich gebeichtete Verbrechen ist nicht vorgesehen. Das ist The Society ein Dorn im Auge. Bei dieser Organisation handelt es sich um einen anglikanischen Bischofsrat, der unter anderem die katholische Lehre und Praxis innerhalb der Church of England sicherstellen soll. Darum hat sie sich mit einem vierseitigen Lobbyschreiben an die britische Regierung gewandt. Darin fordert sie die bereits beschriebene Ausnahme von der Berichtspflicht auf 13- bis 15-Jährige zu beschränken. Zudem fordert sie ein, die Beichte von der Berichtspflicht auszunehmen. Die Bedingungen für die Beichte sind streng umfasst, sodass nicht jedes Gespräch mit einem Priester eine solche ist. Findet jedoch eine Beichte statt, solle ihr Geheimnis gewahrt bleiben. Als Gründe dafür werden im Schreiben aufgeführt, dass Betroffene, die erfahrene Gewalt beichteten, ihren sicheren Raum und den Ort zum Beginn ihrer Heilung verlieren könnten. Schließlich könne die Sorge entstehen, dass auch Täter das Beichtgeheimnis dann brächen.
Als weitere Gründe gegen eine Berichtspflicht auch gebeichteter Verbrechen gibt der Bischofsrat an, dass es für den Priester eine kaum zu treffende Entscheidung sei, wann nun zu berichten sei und wann nicht. Immerhin könnten ja auch andere Verbrechen gebeichtet werden, woher solle ein Geistlicher wissen, ob er die womöglich auch melden müsste. Da bräuchte es dann staatliche Richtlinien. Zudem sei eine sakramentale Beichte eine private und vertrauliche Begegnung. Es sei nicht klar, wie säkulare Autoritäten diese zufriedenstellend überwachen könnten. Hinzu käme, dass es bedenklich sei, wenn die Regierung dem Staat erlaube das Siegel der Beichte zu brechen und so in die Belange religiöser Freiheit und religiösen Gewissens eingreife.
Um ihre Forderungen zu unterstreichen, berufen sich die acht Bischöfe, die das Lobbyschreiben unterzeichnet haben, auch auf die römisch-katholische Kirche, welche Beichtinhalte ebenfalls als streng vertraulich ansehe. Sicherlich würden sich die römisch-katholischen Bischöfe Englands und Wales' auch noch zu Wort melden.
Als Zusatz zu ihrem Schreiben übersandten der Vorsitzende Bischof von Wakefield und seine The Society-Mitstreiter noch die Ausführungen eines anonymen Priesters. Dieser erklärt darin, dass er schon mehrfach mit den Beichten Missbrauchsbetroffener konfrontiert gewesen sei, jedoch niemals ein Täter gebeichtet habe. Für ihn wäre es also eine weitere Verletzung Überlebender, die Berichte an Behörden weiterzugeben.