Mohammed Amjahid legt mit dem Buch "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" persönliche Kommentare zu "weißen Privilegien" und einem "strukturellen Rassismus" vor. Seine Ausführungen machen viele ignorierte Diskriminierungserfahrungen in der Gesellschaft deutlich, bleiben aber auf einer subjektiven Betrachtungsebene stehen und enthalten auch nicht unproblematische Implikationen.
Angehörige der Mehrheitskultur nehmen Rassismus persönlich nicht notwendigerweise wahr. Insofern können sie aus ihrer Alltagswahrnehmung heraus zu Fehlschlüssen kommen, was das Ausmaß von Aversionen und Feindschaften gegenüber Minderheitenangehörigen angeht. Daher gilt es, auf Betroffene zu hören, um deren Empfinden verstehen zu können. Während aber die erstgemeinte Auffassung nicht verallgemeinert werden sollte, so gilt dies für die letztgenannte Deutungsweise ebenso. Eine differenzierte Betrachtung setzt eben nicht nur subjektive Wahrnehmungen voraus. Gleichwohl sollten sie eben Beachtung verdienen, was einschlägige Buchveröffentlichungen ermöglichen. Dazu gehört auch das ältere Buch "Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein" (Berlin 2017), das der Journalist und Moderator Mohammed Amjahid vorgelegt hatte. Ihm folgte jetzt "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken", womit der Autor in eine aktuelle Debatte hineinstößt. Er will darin aufzeigen, wie persönlich und strukturell "weiße Privilegien" (S. 9) wirken.
Dabei handelt es sich um eine persönliche Darstellung, nicht um eine wissenschaftliche Erörterung. Die Feststellung, dass "ich" als Formulierung sehr häufig vorkommt, veranschaulicht auch die Vermittlungsform. Der Autor reiht persönliche Erfahrungen aneinander, erwähnt Berichte von Freunden und Kollegen und präsentiert persönliche Ideen zum antirassistischen Wirken. Dies sollte vor einem möglicherweise anderen Erwartungshorizont klar sein, denn diese individuell-subjektive Komponente dominiert. Amjahid will die Benachteiligung von Minderheitenangehörigen, insbesondere von Schwarzen, zu einem Thema machen. Ein persönliches Bewusstsein für strukturelle Diskriminierung soll somit geschaffen werden. Und dazu greift der Autor unterschiedliche Themen auf. Dazu heißt es: "Kein Individuum kann qua Herkunft die Verantwortung für die geltenden Normen in einer Gesellschaft, aus der es stammt, übernehmen. … Jede Person muss zumindest mitdenken, in welchen Strukturen sie sich bewegt …" (S. 18).
Diese Differenzierung hält die Erörterung aber dann nicht durch, wird doch allzu vereinfachend der Gegensatz "diskriminierte Schwarze" und "diskriminierende Weiße" gepflegt. Für Amjahid sind dann Beschreibungen der Diskriminierung von Weißen, die es etwa als Christen in anderen Ländern gibt, "Opferolympiade" (S. 30). Es dürfte aus universeller Blickrichtung so sein, dass eine Benachteiligung eher von Schwarzen erfahren wird. Gleichwohl steht eine menschenrechtlich-universalistische Perspektive dafür, alle derartigen Diskriminierungen kritisch wahrzunehmen. Der Autor beschränkt sich in seiner persönlichen Betrachtung aber nur auf Schwarze. (Die Aversionen gegenüber Juden von Schwarzen wie Weißen sind für ihn übrigens nicht relevant.) Gleichzeitig machen seine Ausführungen auf Diskriminierungserfahrungen in der Gesellschaft aufmerksam, womit ein Bewusstsein von deren Relevanz entstehen und erhöht werden kann. Es soll mehr "Süßkartoffeln" (S. 173), also nicht-rassistische Deutsche, geben.
Dazu stehen die 50 Empfehlungen am Schluss, dienen sie doch der kritischen Selbstreflexion. Gleichwohl bedarf es hier jeweils kritischer Nachfragen. Es heißt zum Beispiel: "Achten Sie darauf, kulturelle Aneignung so gut es geht zu vermeiden. Sie steht Ihnen als weiße Person nicht. Beispiel: Filzlocken" (S. 197). Da muss die Anmerkung zu erlaubt sein: Was ist denn da der Maßstab? Darf dann Jazz auch nicht mehr von Weißen gespielt werden? Dürfen sie dann auch keine farbenfrohe Kleidung mehr tragen? Eine andere Empfehlung lautet etwa: "Was ist zu radikaler Widerstand gegen Rassismus? Als weiße Person können Sie diese Frage nicht beantworten" (S. 205). Warum sollten aber Ausschreitungen und Gewalttaten im Namen der Rassismusnegierung wie in den USA nicht (nur) von Weißen kritisiert werden? Dadurch wurde der Protestbewegung ein enormer Schaden zugefügt. Bei allen guten Absichten macht sich Amjiahid vieles doch zu einfach. Seine subjektive Betrachtungsweise erlaubt es ihm auch, dass dazu kritische Gedanken erst gar nicht aufkommen.
Mohammed Amjahid, Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken, München 2021, Piper Verlag, 224 Seiten, 16 Euro