Rezension

Gefahren durch eine wissenschaftsfeindliche Wokeness

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Auch an deutschen Universitäten begegnet man der "Wokeness". Dass damit Gefahren für Meinungsfreiheit und Wissenschaft einhergehen, ist in dem neuen Buch "Der Kulturkampf" der Ethnologin Susanne Schröter das zentrale Thema. Darin werden berechtigt viele Entwicklungen kritisiert, trotz gelegentlicher Überzeichnungen.

Eigentlich steht folgender Begriff hinsichtlich der Diskriminierung von Minderheiten für eine besondere Sensibilität: Wokeness. Mittlerweile assoziieren aber viele Kommentatoren damit eine moralische und politische Selbstgefälligkeit, die pauschal Andersdenkende mit haltlosen und stereotypen Vorwürfen konfrontiert. Da werden etwa Einwände gegen die Frauendiskriminierung in muslimisch geprägten Milieus direkt oder indirekt unter Rassismusverdacht gestellt. Betroffen davon war auch Susanne Schröter, die in Ethnologie eine Professur innehat und das "Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam" leitet. Derartige Behauptungen kamen vor einigen Jahren auf, hatte sie doch eine Konferenz zur "Kopftuch-Frage" initiiert. Dabei waren Anhänger wie Kritiker präsent, Letzteres führte bei einer kleinen Gruppe zu den erwähnten Reaktionen. Als Betroffene griff Schröter daraufhin immer wieder die Thematik der "Wokeness" auf, auch in ihrem neuen Buch "Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht".

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Sie behandelt darin insbesondere Fälle an Universitäten, wo die Gemeinten eine besondere Relevanz entfalten konnten. Dies gilt auch für Deutschland, nicht nur für die USA. Gleichwohl stellt sich bereits zu Beginn die Frage, ob hier nicht ein wenig die Dimensionen übertrieben werden. Die Autorin, aus ihrer persönlichen Betroffenheit heraus verständlich, neigt mitunter zu Überzeichnungen. So spricht sie etwa schon in der Einleitung von einer "Meinungsführerschaft" oder von "Umerziehungsprogrammen", was berechtigt kritikwürdige Gesichtspunkte anspricht, aber doch nur an bestimmten Orten auszumachen ist.

Ausführlich geht es zunächst um die persönlichen Erfahrungen, wofür die Kapitelüberschriften "Wie man in der Wissenschaft zu einer umstrittenen Person wird" und "Angst und Einschüchterung im Wissenschaftsbetrieb" stehen. Eigentlich handelt es sich um kleinere Gruppen, die Autorin beschreibt sie leider nur knapp. Bedenklich ist eher die fehlende Distanz ihnen gegenüber bei anderen Hochschullehrern oder Verantwortlichen.

Genau auf diese fehlende Haltung macht Schröter immer wieder aufmerksam, wird doch der Diskurs dann eben von lauten Minderheiten geprägt. Einschlägige persönliche Erfahrungen fehlender Solidarität kommentiert sie mit erkennbarer Verbitterung. Beachtenswert ist bezogen auf entsprechende Eiferer, dass hier von einer "Religion" gesprochen wird. Die Bezeichnung passt nicht ganz, da die transzendente Dimension fehlt. Gleichwohl gibt es erkennbare strukturelle Gemeinsamkeiten, sei es bezogen auf den Dogmatismus, sei es bezogen auf die Rechthaberei. Insbesondere die Abkehr von wissenschaftlichen Grundprinzipien ist dabei ein wichtiges Thema. Hierzu hätte man sich ausführlichere Kommentierungen gewünscht, denn Schröter kritisiert inhaltlich überaus zutreffend. Sie macht danach noch auf weitere Aspekte aufmerksam, wozu etwa die unwissenschaftlichen Kampfbegriffe wie "Islamophobie" oder "antimuslimischer Rassismus" gehören. Beachtlich sind auch die Ausführungen zu kritikwürdigen Entwicklungen im Feminismus.

Und schließlich sind auch noch die ideellen und materiellen Interessen ein Thema, ist doch von "Diskurshoheit und Geschäftsinteressen" die Rede. Auch hier wirken manche Aussagen mitunter wie nicht nachvollziehbare Verallgemeinerungen. Gleichwohl gibt es genügend Beispiele für Fälle, in denen einschlägige Akteure kritikwürdigen Einfluss an bestimmten Stellen gewonnen haben. Die Autorin bringt entsprechende Beispiele, manchmal auch hier mit gewissen Überspitzungen. So heißt ein Abschnitt "Die postkoloniale Begeisterung für Sklavenjäger". Berechtigt wird darin aber auch auf eine selektive Blickrichtung verwiesen, schweigt man doch gar zu gern über die von Afrikanern und Muslimen zu verantwortende Sklaverei, wenn diese abscheuliche Praxis nur den Weißen zugeschrieben wird. Das Buch endet mit aktuellen Geschehnissen, etwa bezogen auf israelfeindliche Gemeinsamkeiten von Islamisten und Linken. Es gibt aber auch und gerade starke Einwände von Linken zu so etwas. Dies geht in der kritischen Kommentierung bedenklicher Tendenzen etwas unter.

Susanne Schröter, Der neue Kulturkampf. Wie eine woke Linke Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft bedroht, Freiburg 2024, Herder-Verlag, 271 Seiten, 20 Euro

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