Richard Dawkins und Michael Shermer diskutieren über Vernunft, Wissenschaft und Moral

Atheisten aus Leidenschaft

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Vergangenen Sonntag diskutierten Richard Dawkins und Michael Shermer in der Berliner Urania vor begeistertem Publikum über Vernunft, Wissenschaft und Moral. Die Diskussion bildete die Auftaktveranstaltung der Säkularen Woche der Menschenrechte, die derzeit in Berlin stattfindet.

Eine Bühne mit zwei roten Sesseln. Dazwischen ein Tisch mit Büchern. Dass eine solch spartanische Bühnendekoration am vergangenen Sonntag rund 800 Menschen aus ganz Deutschland anzog, lag an den beiden Männern, die unter tosendem Applaus in jenen Sesseln Platz nahmen: Richard Dawkins und Michael Shermer.

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Richard Dawkins (© Florian Chefai)

Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins gehört mit seinen wissenschaftlichen und religionskritischen Büchern bereits seit Jahrzehnten zu den großen Verfechtern von Atheismus und wissenschaftlichem Denken. Der US-amerikanische Psychologe und Wissenschaftshistoriker Michael Shermer lehrt an Universitäten und in Fernsehsendungen skeptisches Denken und ist Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Skeptic".

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Michael Shermer (© Daniela Wakonigg)

Am Sonntagnachmittag waren Dawkins und Shermer auf Einladung der Richard Dawkins Foundation Deutschland im großen Saal der Berliner Urania zusammengekommen. Auf Grundlage ihrer in Deutschland gerade neu erschienenen Bücher "Forscher aus Leidenschaft" (Dawkins) sowie "Der moralische Fortschritt" (Shermer) diskutierten die beiden leidenschaftlich über den Zusammenhang von Vernunft, Wissenschaft und Moral sowie die Absurdität von Religionen.

Ohne Gesprächsleitung warfen sich Dawkins und Shermer dabei gegenseitig gekonnt die Bälle zu. Wäre nicht die Bühne und ein Saal voller Menschen gewesen, so hätte man meinen können, die beiden säßen im heimischen Wohnzimmer. Und die Wohnzimmeratmosphäre übertrug sich aufs Publikum. Vor allem das gemeinsame Scherzen über absurde religiöse Vorstellungen fand bei den Menschen im Saal großen Anklang.

Der humorvolle Ton blieb auch bei schweren Themen erhalten. Was man als Atheist einem Sterbenden sagen solle, fragte Shermer Dawkins. Auf jeden Fall besuche er keine Krankenhäuser, um sich in die Zimmer von Sterbenden zu schleichen und ihnen zu sagen "Das war's!", antwortete Dawkins.

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Hatten sichtlich Spaß an der Veranstaltung: Richard Dawkins und Michael Shermer. (© Daniela Wakonigg)

Nach Seitenhieben auf Trump und nationalistische Ideen, Diskussionen über Abtreibungen und Außerirdische, Vernunft, Wissenschaft und Moral war das Publikum an der Reihe und stellte Dawkins und Shermer Fragen. Zum Beispiel über Hochphilosophisches wie der Existenz des freien Willens (Dawkins: "Der freie Wille mag eine Illusion sein, aber er ist eine tolle Illusion!") oder ob die Säkularen sich eine stärkere eigene Identität geben müssten, um besser wahrgenommen zu werden. Dawkins gab diesbezüglich seiner Hoffnung Ausdruck, dass so etwas nicht notwendig sei und dass sich vernünftiges Denken als solches durchsetze. "Wenn ich als Atheist einen komischen Hut tragen müsste, wäre ich nicht mehr Teil der Bewegung", sagte er.

Das gemeinschaftliche Lachen über absurde religiöse Vorstellungen ebenso wie über gemeinsam empfundene Probleme schien für das Publikum zutiefst befreiend. Vor allem für jene im Publikum, in deren Heimatländern das Lachen über Religion lebensgefährlich ist. Wie real und nah diese Gefahr auch in Deutschland ist, zeigten nicht zuletzt jene Gäste im Publikum, deren Leben derzeit wegen religionskritischer Äußerungen unmittelbar bedroht ist: Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad, der die Veranstaltung nur in Begleitung von mehreren Personenschützern des LKA besuchen konnte, sowie die Menschenrechtsaktivistin und Gründerin des Zentralrats der Ex-Muslime Mina Ahadi, die derzeit an oberster Stelle der Todesliste des islamischen Regimes im Iran steht.

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Organisiert wurde die Auftaktveranstaltung der "Säkularen Woche der Menschenrechte" von Jörg Elbe von der Richard Dawkins Foundation Deutschland. (© Evelin Frerk)

So war die Diskussionsveranstaltung mit Richard Dawkins und Michael Shermer in jeglicher Hinsicht eine gelungene Auftaktveranstaltung der Säkularen Woche der Menschenrechte, die aktuell in Berlin stattfindet. Die Veranstaltungsreihe, die von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in Kooperation mit verschiedenen säkularen Organisationen wie der Richard Dawkins Foundation (RDF), den Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg e. V. (ehbb), der Säkularen Flüchtlingshilfe sowie dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) durchgeführt wird, möchte darauf aufmerksam machen, dass die universellen Menschenrechte derzeit massiv bedroht sind. Zum einen durch Fundamentalisten, die ihre Religion über jedes weltliche Gesetz stellen, zum anderen durch Nationalisten, denen es ausschließlich um den Vorteil des eigenen Landes geht.

Welche Position Dawkins und Shermer gegenüber religiösen Fundamentalisten jeglicher Konfession vertreten, darüber lassen ihre Bücher keinen Zweifel zu. Auch hinsichtlich ihrer Einstellungen zum Thema "Nationalismus" ließen die beiden am Sonntag keine Fragen offen. "Ich hasse die Vorstellung, dass es so etwas wie Nationen gibt", sagte Dawkins: "We want to make the world great again!"