Rezension

Aufklärerisches Durcheinander zu Verschwörungsvorstellungen

Der Politik- und Religionswissenschaftler Michael Blume legt ein Buch zu "Verschwörungsmythen. Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können" vor. Indessen stellt er darin allzu sehr auf Dualismus und Platonismus ab, womit die Deutung dann selbst etwas zu einfach und darüber hinaus eher unsystematisch vermittelt wird.

Man kann schon von einem historischen Gesetz sprechen: Kommt es zu gesellschaftlichen Krisen, kommen unterschiedliche Verschwörungsideologien auf. Dies ist auch seit Beginn der Corona-Pandemie so und konnte daher Kenner solcher Vorstellungen nicht überraschen. Zu ihnen gehört auch Michael Blume, studierter Politik- und Religionswissenschaftler, der mit einer Arbeit über Hirnforschung und Religion promoviert wurde. Bekannt ist Blume als öffentliche Person dadurch, dass er das Amt des Antisemitismusbeauftragten in Baden-Württemberg innehat. Auf die erwähnten Konspirationsauffassungen geht er in einer eigenen Monographie ein: "Verschwörungsmythen. Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können". Dies klingt nach einer Einführung ins Thema. Auch wenn der Autor eine verständliche Darstellung vorlegt, handelt es sich aber gerade nicht um eine solche Einführung, behandelt er doch mehr umkreisende Aspekte von Konspirationsvorstellungen. Deren Kern wird eher gestreift, weniger ins Zentrum gestellt.

Beispielbild

Dem Autor geht es gleichwohl darum, Adornos Aufforderung hinsichtlich der Mechanismen von Verschwörungsmythen zu folgen. Dabei steigt er tief in die Ideengeschichte ein und erinnert an den antiken Philosophen Platon. Eine besondere Denkweise sei in seinem berühmten "Höhlengleichnis" angelegt, Blume spricht gar für abendländisch-westlich Gebildete von einem Ur-Verschwörungsmythos. Denn dort sei die Fixierung auf einen erlösenden Führer und gleichzeitig eine Neigung zur Tyrannei aufgekommen. Ähnliche Argumente finden sich übrigens bei Karl R. Popper, der indessen hier gar kein Thema ist. Blume verkoppelt nun den erwähnten Denkansatz mit der Hirnforschung und stellt dabei auf einen Dualismus wie eine Kausalitätsneigung ab. So erklärt er sich, warum Gebildete ebenfalls für einen Konspirationsglauben offen seien. Dies wird dann ausführlicher am Beispiel von Martin Heidegger thematisiert, wenngleich es dabei allgemein um seine Denkprinzipien und weniger um die Verschwörungsneigung geht.

Derartige Denkansätze mündeten dann in einem Freund-Feind-Denken, wobei der Bösewicht und der Held im Konflikt stünden. Genau darin sieht Blume einen Faktor für Verschwörungsvorstellungen. Immer wieder nennt er dabei als Beispiel Hitler, sei doch dessen Denken von solchen Prägungen durchzogen gewesen. Es folgen dann wieder Exkurse zur Hirnforschung oder Neuropsychologie, womit auch Schimpfworte an heutigen Schulen erklärt werden könnten. Allgemein ist bei all dem häufig die Rede von einer hier relevanten platonisch-verschwörungsmythischen Wirklichkeitswahrnehmung. Sie macht Blume für historische Fälle ebenso wie für gegenwärtige Phänomene verantwortlich, wobei sie gerade an Schulen besondere Verbreitung finden würde. Dies sieht der Autor als besonders problematisch an und schlägt dazu ein vierstufiges Modell für den aufklärerischen Umgang vor. Dabei will sich Blume gegen Dualismus, Platonismus, Verschwörungsmythen und deren kombinierte Wirkung wenden.

Bilanzierend hat man es bei dem Buch in der Gesamtschau mit beachtenswerten Reflexionen zu tun, welche aber entgegen der angekündigten Struktur im Untertitel nicht systematisch entfaltet werden. Der Autor geht einmal auf die Hirnforschung und dann wieder auf Platon ein, er thematisiert die Angst von Hitler und den Konspirationsglauben des Islamischen Staats. Das ist alles jeweils für sich als Ansatz interessant, wird aber dann in ein einfaches Erklärungsmuster gepresst: Dualismus und Platon. Damit einhergehende Denkweisen prägen zwar tatsächlich kursierende Konspirationsvorstellungen. Gleichwohl wirkt dies als Erklärung doch wieder selbst ein wenig dualistisch und fragmentarisch, zumal es letztendlich auch an einer systematischen Zuspitzung mangelt. Indessen lag Blume mit seiner Prognose zum Scheitern von Trump zwar richtig, nicht aber was den für die "QAnon"-Bewegung erwarteten Niedergang angeht. Gerade bei der deutschen "Querdenker"-Bewegung kursieren in ansteigendem Maße derartige Vorstellungen.

Michael Blume: Verschwörungsmythen. Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können. Ostfildern 2020, Patmos-Verlag, 160 Seiten, 15 Euro

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