Bericht aus Münster

Ausflug über den Katholikentag

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Moses in Münster
Moses in Münster

Der Katholikentag in Münster ist inzwischen fast vergessen. Doch unser Autor Ingo Eitelbach erinnert sich noch gut an den Tag, als er mit Moses, der das "11. Gebot" verkündete, in der Stadt unterwegs war.

Bei schönstem Sommerwetter in Münster trafen wir die Entscheidung, unsere Aufklärungsarbeit mitten in den Katholikentag zu tragen und machten uns auf zum Schlossplatz, dem Herz der christlichen Selbstbeweihräucherungparty. Hier sollte am Sonntag die große Abschlussgaudi stattfinden.

Am heiligen Sabbat war die Besucherzahl recht überschaubar und so waren wir in der Lage, ohne Wartezeiten direkt mit den Ausstellern in Kontakt zu treten.

Bereits am Eingang des Schlossplatzes wurden wir durch einen Bistumsgeschäftsführer darauf aufmerksam gemacht, dass unsere T-Shirts fehlerhaft seien, da es sich doch nicht um einen Kirchentag ("Du sollst Deinen Kirchentag selber bezahlen!") handelte, sondern um den Katholikentag.

Diesem scharfen Argument konnten wir insofern begegnen, dass uns nicht klar war, dass die römisch-katholische Kirche keine Kirche sei und wir aufgrund recht schleppender Staatsleistungen für das "11. Gebot" nicht für jede Kirchenveranstaltung neue T-Shirts drucken lassen können. Immerhin war seitens des Kirchenmanagers ein wenig Mitgefühl spürbar und so wechselten wir die Seite und wollten uns bei der LesBiSchwulen Gottesdienstgemeinschaft darüber informieren, wie man es mit seinem homosexuellen Gewissen vereinbart, einer Organisation anzugehören und sich in dieser zu engagieren, deren heiliges Wesen befiehlt, Männer für homosexuelle Handlungen zu töten (3. Mose 20 Vers 13).

Unser Diskutant war sich dieses Umstandes schon bewusst und machte auch aus seiner Sicht deutlich, dass Homosexuelle in der RKK diskriminiert werden, jedoch wolle er und seine Gruppe die Kirche von innen ändern und verwies dann auf Äußerungen von Papst Franziskus, der nicht mehr ganz so böse mit den Schwulen sei. Na dann, viel Erfolg!

Foto: © Ingo Eitelbach
Foto: © Ingo Eitelbach

Erstaunt waren wir über die Anzahl der gewerblichen Pavillons, da wir, naiv wie wir sind, davon ausgegangen sind, dass es sich nicht um eine Industriemesse handelt. Aber Pustekuchen, so spazierten wir an Reisebüros, Versicherungsunternehmen und auch an Banken vorbei, die im Sinne der christlichen Nächstenliebe Geld (auch von Ungläubigen!) für Ihre Dienstleistungen nehmen. Warum auch nicht!

Dazu passte es, dass die Pavillons reichlich Raum, Getränke und Gebäck boten, während der Pavillon "BI-24 Prävention sexualisierte Gewalt" so klein war, dass keine Sitzmöglichkeiten vorhanden waren.

Vorgenommen hatten wir uns, richtige Vollchristen zu interviewen und bogen dann schnurstracks in das Zelt der Medjugorje-Anhänger ab. Drei Frauen und ein Mann berichteten von den dortigen Ereignissen. Eine Dame, die in sich ruhend eine Socke strickte, erklärte uns, dass in der bosnisch-herzegowinischen Ortsgemeinde täglich die Mutter Gottes erscheint und Anweisungen erteilt. Das verschlug uns einen Moment die Sprache, dann wollten wir wissen, ob sie das wirklich glauben würde. Selbstverständlich, so die Antwort auch auf die nochmalige Nachfrage. Wir wurden dann noch freundlich darauf hingewiesen, dass wir herzlich zu einem Besuch dort eingeladen sind und Reisen direkt vor Ort gebucht werden können. Videos vom Ereignis gäbe es wohl so nicht. Schade, dann nichts wie hin!

Am Ende des Schlossplatzes bogen wir nach rechts ab und liefen mitten in Manfred Lütz rein, der nach Veröffentlichung seines "Skandal der Skandale" Buches für einiges Aufsehen in der säkularen Szene gesorgt hat und bereits am Vortag rein zufällig mit einem WDR-Kamerateam am Moses des "11. Gebotes" vorbeikam und ein kurzes Gespräch mit dem Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Dr. Michael Schmidt-Salomon, geführt hat, der der Kunstaktion gerade einen Besuch abstattete.

Herr Lütz beklagte sich bei uns über die, seiner Meinung nach, schwache Argumentation in einem hpd Artikels zu seinem Buch und dass er diese polemische Art nicht gutheißen kann. Gerade die gbs poche doch so auf das rationale Argument, nun aber lediglich Sachverhalte anzuführen, die im Buch fehlen würden, sei doch recht arm. In 286 Seiten könne man schließlich nicht so viel unterbringen. Unser Einwand, dass er es doch genau darauf angelegt hätte, nämlich Dinge nicht zu erwähnen, die für das Ziehen von Schlussfolgerungen relevant seien, ließ er so nicht gelten. Er sei gerne bereit über sein Buch zu diskutieren, aber nicht mit Philipp Möller. Sein Gedanke, dass er diese Diskussion alleine gegen drei Gegenspieler führen würde, vermochten wir mit Hinweis auf eine mögliche Opferrolle nicht zu unterstützen.

Immerhin, in Bezug auf die Beschneidungsdiskussion hielte er es durchaus für sinnvoll, dass die jüdische Religion eine 5.000 Jahre alte Vorschrift ggfs. ändern könnte, wie das einige jüdische Organisationen bereits täten. Er sieht sich jedoch nicht in der Rolle als Deutscher, Juden und den Staat Israel zu kritisieren, auch wenn man sich nach unserer Meinung gerade unter Freunden die Meinung sagen sollte.

Er rief uns dann noch hinterher, dass die Aktion mit den Kotzeschalen gut für ihn sei.

Foto: © "11. Gebot"
Foto: © "11. Gebot"

Nach dieser Unterhaltung auf unerwartetem Niveau wollten wir uns am Stand des Ordens der Benediktiner ein wenig erholen, bekamen aber direkt vom Frater eine Breitseite verpasst, der der festen Überzeugung war, dass Giordano Bruno ein Benediktiner gewesen sei. Immerhin wurde uns damit bewusst, dass es immer gut ist, Informationen zum Namensgeber der Stiftung parat zu haben. Der Frater hatte nämlich nicht Recht. Giordano Bruno trat mit 15 Jahren dem Orden der Dominikaner bei, um sich dann recht schnell Ärger einzuhandeln, weil er aufgrund jugendlicher Verirrung Heiligenbilder aus seiner Klosterzelle entfernte.

Wie auch immer, war der Weg zur Verbrennung geebnet und zum Thema Inquisition, die unser Gesprächspartner dahingehend leitete, dass er uns darauf hinwies, dass es unterschiedliche Inquisitionen gegeben hätte und das mit der Verbrennung ja staatlich organisiert gewesen sei. Immerhin widersprach er unserer Ansicht nicht, dass Staat und Kirche damals so ungefähr das Gleiche gewesen sei und er sich hier mal nicht rausreden sollte.

Interessant war im Nachhinein die Gesprächstaktik des Mönchs, auch die geäußerte Kritik an der katholischen Kirche darauf zu lenken, auf welche Organisation sich dies eigentlich bezieht. Angesichts des undurchschaubaren Dschungels christlicher oder katholischer Organisationen ist hier ein Ansatzpunkt, um die Kritik auf die falsche Fährte zu leiten. Merke, auch die Benediktiner besuchen Rhetorikseminare.

Wir durften auf unserem weiteren Weg über den Schlossplatz dann noch ein Bibelzitat zum Thema Frieden auf ein Fenster (durch das Fenster, sah man den ehemaligen Sitz des Generalkommandos des VI. Armeekorps der Wehrmacht) schreiben. Unsere Wahl fiel auf Psalm 137:9: "Wohl dem, der deine zarten Kinder packt und schmettert an den Felsen." Immerhin, anschließend herrscht kein Kindergeschrei mehr.

Mein persönlicher Höhepunkt lauerte dann noch zum Abschluss bei der Militärseelsorge. Neben der schwer zu erklärenden Nähe des Christentums zur Kriegsführung einerseits (Erklärungen gibt es dafür natürlich) und deren pazifistischer Rhetorik, zumindest in Deutschland seit einigen Jahrzehnten, war der Eindruck des Innenlebens eines echten Militärseelsorgers eine Überraschung der besonderen Art. So erklärte mir der Seelsorger doch allen Ernstes, dass er täglich im Kontakt mit Jesus sei und er ihm Kraft und Inspiration gäbe und er gar nicht wüsste woher Mitgefühl denn sonst kommen sollte. Nach einem kurzen Referat zur Hirnforschung (Schläfenlappen usw.) und Evolution und einem freundlichen Lächeln des Diskussionspartners verabschiedeten wir uns aus dem Pavillon. Der Eindruck, dass die Bundeswehr, also die Jungs mit den ganz dicken Wummen, solche Berater haben, machte uns dann schon nachdenklich. Vielleicht hat es doch etwas Gutes, dass das Kriegsgerät der Bundeswehr zum großen Teil nicht funktioniert.

Zum Glück konnten wir am Abend bei der Nudelmesse auf dem Ketzertag wieder zu uns finden. RAmen!