Der Prozess gegen den Arzt Dr. Christoph Turowski endete heute vor dem Landgericht Berlin mit einem Freispruch.
Der Zehlendorfer Hausarzt war angeklagt, 2013 seiner jahrelang schwerleidenden Patientin zum Suizid verholfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar in ihrem Plädoyer wegen geringer Schuld nur eine Geldstrafe gefordert, aber Tötung auf Verlangen "durch positives Tun" erkannt.
Dies vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hatte dabei selbst eingeräumt, dass die ärztliche Beihilfe zum Suizid zwar nicht strafbar gewesen sei, aber das Tun des Angeklagten sei mit der Verschreibung der tödliche Tabletten noch nicht beendet gewesen. Das Gericht folgte der Verteidigung, die für Freispruch plädiert hatte, da es sich um die straflose Hilfe zu einer "eigenverantwortlichen Selbsttötung" seiner Patientin gehandelt habe.
Das Gericht geht von einer freiverantwortlichen Entscheidung der Patientin aus. Der Leidensdruck sei in der Hauptverhandlung deutlich geworden. Unter dem Gesichtspunkt des fürsorglichen, begleiteten Sterbens sei der Fall in einem ganz anderen Licht erschienen. Es sei kein den Todeseintritt förderndes, aktives Tun gewesen. Der Patientenwille sei zu achten, auch nach Eintritt der Bewusstlosigkeit. Das BGH-Urteil von 1984 sei überholt. Die Gerichtssprecherin geht davon aus, dass dieses nun überprüft wird.
Der hpd hat mit Dr. Turowski nach der Urteilsverkündung ein Interview geführt, das in den nächsten Tagen hier veröffentlicht wird.
7 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
So ganz traue ich dem Frieden nicht. Ist das Urteil unanfechtbar? Mir scheint da Paragraph 217 zu lauern...
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Der 217 StGB ist auf diesen Fall gar nicht anwendbar, da er zum "Tatzeitpunkt" noch gar nicht in Kraft war.
Heute kommt es eben nicht mehr darauf an, ob die Beihilfe "nur" zu einer eigenverantwortlichen Handlung des Patienten geleistet wurde. Heute steht die "Verschaffung der Gelegenheit" unter Strafandrohung, ein Arzt erfüllt zudem per se die weitere Voraussetzung der "Geschäftsmäßigkeit".
Die Bedeutung des Urteils sehe ich vor allem in der Absage an das alte BHG-Urteil, das die Garantenpflicht des Arztes über alles stellte und ein untätiges "Zuwarten" nach Eintritt der Bewusstlosigkeit (=Hilflosigkeit) des Patienten deshalb unter Strafandrohung sah. Zynisch könnte man sagen: Der hintere Türriegel ist weg, davor haben wir vorn einen neuen...
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
§ 217 würde in der Tat lauern, wenn Herr Dr. Turkowski nach dem 9.12.2015 noch einmal Suizidhilfe geleistet hätte.
Frank Spade am Permanenter Link
§ 217 "lauert" erst seit 2015, der Suizid war 2013!
frank berg am Permanenter Link
gut dass es solche Ärzte wie Dr.Turowski gibt.hoffentlich gibt es bald mehr ärzte die sterbehelfen.
Gita Neumann am Permanenter Link
Es bedurfte 5 langer Jahre, bis die Staatsanwaltschaft jetzt 2018 "endlich" Herrn Turowski vor das Kriminalgericht bringen konnte. Seine Suizidbegleitung fand 2013 statt, d.h.
Der Hauptvorwurf der Staatsawaltschaft beruht auf einem BGH-Urteil aus dem Jahr 1984 (!), wonach ein Arzt verpflichte ist, den Suizid n a c h Eintritt der Bewusstlosigkeit abzuwenden und dass er bei Bewusstlosigkeit keinesfalls Rettungspflicht (Wiederbelebung) unterlassen darf. Eben dies ist ist hier der Fall.
Die Begleitung, die Dr. Turowski bis zum Tod geleistet hat, wurde nun ihm Urteil umgekehrt positiv als "fürsorgliche Bgleitung im Sinne der Betroffenen" ausgelegt. Es ist damit zu rechnen, dass dagegen die Staatsanwaltschaft in Revision geht, weil dies eben im Widerspruch zu dem uralten BGH-Urteil steht. Das können nämlich die Landgerichte nicht einfach machen, indem sie es für "gesellschaftlich überholt" erklären.
Schlimm sind die anfallenden Kosten für exzellente Anwälte, die man ja braucht und mit denen Ärzte wie er folglich zu rechnen haben. Diese Kosten werden auch bei Freispruch nicht (!) ersetzt, sondern nur zu einem ganz kleinen Teil. Herr Turowski - er ist jetzt im Ruhestand und unvermögend - wird schon jetzt auf einer Summe von über 20.000 Euro für die erste Instanz sitzen bleiben. Wir haben deshalb angeregt und ihn gebeten, ein persönliches Spendenkoto einzurichten. Wer sich beteiligen möchte, hier die Verbindung:
Dr. Christoph Turowski Spendenkonto
Postbank Berlin, IBAN DE67 1001 0010 0643 2911 24
Zweck: Prozesskosten Suizidhilfe
Auch kleine Beträge sind erwünscht, es geht auch um moralische Unterstützung.
Diese ist sehr wichtig für einen völlig unbescholtenen, hochanständigen Menschen, der sich in einem Kriminalgericht mit Parallelprozessen gegen brutale Totschläger und Mörder zu verantworten hatte. Und es geht schließlich auch darum, ob ein anderer Arzt nochmal riskieren möchte, mit den finanziellen Lasten am Ende allein dazustehen. Die Versicherungen springen dafür nicht ein.
Danke!!
Gita Neumann
Frank Spade am Permanenter Link
Dr. Turowski muss für seinen Freispruch ca. 30.000 Euro Anwaltskosten zahlen. Davon übernimmt die Staatskasse wegen des Freispruchs gerade mal 15 Prozent!
Dr. Christoph Turowski, Postbank Berlin IBAN DE67100100100643291124, Verwendungszweck: Prozesskosten Suizidhilfe (hpd)