Ein Bezirksgericht in der nordjapanischen Stadt Sapporo erklärte vergangenen Monat, dass das Verbot gleichgeschlechtlicher Eheschließungen nicht mit der Verfassung vereinbar sei. Japan ist die letzte Nation der G7, die Homosexuelle nicht heiraten lässt. Das Urteil selbst ändert hieran nichts, ist jedoch ein unmissverständliches Signal in Richtung des Parlaments.
Drei Paare erhoben im Februar 2019 in Sapporo Klage, da der japanische Staat ihnen die Ehe versagt. Die Klagen sind Teil einer Kampagne, die über juristischen Druck versucht, dem Parlament eine Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen abzuringen. Insgesamt sind dreizehn Klagen an verschiedenen Gerichten anhängig, die übrigen Urteile werden im weiteren Verlauf des Jahres erwartet.
Das Gericht in Sapporo wertete es als verfassungswidrig, dass homosexuelle Menschen nicht einmal "einen Teil der rechtlichen Vorteile, die aus der Eheschließung entstehen, erhalten". In Japan können homosexuelle Paare kein gemeinsames Sorgerecht für bereits existierende Kinder beantragen und sich gegenseitig nichts vererben. Selbst für Krankenhausbesuche oder einen gemeinsamen Hauskauf braucht es häufig eine Hochzeitsurkunde.
Aufgrund dieser Einschränkungen und der daraus resultierenden Zusatzbelastungen klagten die Paare außerdem auf Schadenersatz. Die Forderungen in Höhe von circa 7.500 Euro pro Person wies das Gericht allerdings zurück. Die Kläger:innen haben bereits angekündigt, diesen Teil des Urteils anzufechten.
An geltendem Recht ändert die Entscheidung erst mal nichts. Kanako Otsuji, eine der wenigen offen homosexuellen Abgeordneten Japans, forderte das Parlament am Tag des Urteils daher auf, einen bereits letzten Juni von ihrer Partei eingereichten Gesetzvorschlag zur Eheöffnung zu debattieren.
Definiert ist eine Ehe in Japan als ein "Zusammenschluss beider Geschlechter im gegenseitigen Einverständnis" – so festgelegt, um arrangierten Hochzeiten Minderjähriger vorzubeugen. Das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen ist also mehr Nebenprodukt denn intendierte Konsequenz. Das Gericht erklärte, da die sexuelle Orientierung ebenso wie das Geschlecht oder die Ethnie keine bewusst wählbare Kategorie ist, könne niemandem auf dieser Basis die Eheschließung verweigert werden.
Doch zwischen der Forderung des Bezirksgerichts und der Lebensrealität homosexueller Menschen in Japan liegen Welten. Im Alltag sind sie noch immer verschiedensten Formen der Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt. Ein Beispiel sind die weit verbreiteten "Love Hotels". Da Platz und Privatsphäre in Japan absolute Luxusgüter sind, haben sich Stundenhotels für gemeinsame Abenteuer dort leicht etablieren können. Homosexuellen Paaren jedoch wird der Zutritt meist verwehrt.
Einer letztes Jahr veröffentlichten Studie zufolge, über die der Guardian berichtete, hörten beinahe 80 Prozent aller befragten Personen in der Arbeit, der Schule oder der Universität homophobe Äußerungen. Gleichzeitig sagten jedoch auch zwei Drittel aller Befragten, in ihrem Umfeld habe sich die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Diversität in den letzten fünf Jahren erhöht.
Dass der Zeitgeist sich langsam dreht, ist auch daran zu erkennen, dass einzelne Bezirksregierungen bereits zivile Partnerschaften auf den Weg gebracht und Firmen sich bereit erklärt haben, Familienförderprogramme auch für homosexuelle – ergo unverheiratete – Angestellte zu öffnen. "Es sind lediglich Japans Gesetze, die sich nicht verändern", sagte Anwalt Takeharu Kato, der auch die Kläger:innen in Sapporo vertritt, einen Tag vor der Gerichtsentscheidung.