Studie des Pew Research Center

Christen ausländerfeindlicher als Konfessionsfreie

pray-1359100.jpg

Nur einige der Schattenseiten des Christentums in Westeuropa: Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus.

Westeuropäische Christen sind im Durchschnitt nationalistischer und haben mehr Vorbehalte gegenüber Muslimen und Einwanderern als Konfessionsfreie. Das ist das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Studie des US-amerikanischen Pew Research Center.

"Christ sein in Westeuropa" – so der Titel der Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center, die gestern veröffentlicht wurde. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, wie sich die Einstellungen christlicher Menschen von jenen konfessionsloser in Westeuropa unterscheiden. Die Studie, die Telefoninterviews mit 24.599 erwachsenen Europäern in 15 westeuropäischen Ländern auswertete, unterscheidet drei Gruppen:

1) Praktizierende Christen. Als solche gelten Personen, die mindestens einmal pro Monat einen Gottesdienst besuchen.

2) Nicht praktizierende Christen. Das sind Personen, die weniger häufig als einmal pro Monat an einem Gottesdienst teilnehmen.

3) Konfessionslose. In der Gruppe der Konfessionslosen finden sich neben Atheisten und Agnostikern auch Personen, die sich als "keiner bestimmten Religionsgemeinschaft zugehörig" identifizieren.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass sich Westeuropäer nach wie vor mehrheitlich als Christen betrachten. Die weitaus meisten Christen in Westeuropa sind jedoch nicht praktizierende Christen. Diese stellen im Vergleich mit den praktizierenden Christen und den Konfessionslosen die größte Bevölkerungsgruppe dar.

Erstaunlicherweise stimmen laut der Studie die Einstellungen der nicht praktizierenden Christen in relativ hohem Maß mit den Einstellungen praktizierender Christen überein. Dass praktizierende und nicht praktizierende Christen der Religion einen wichtigeren gesellschaftlichen Stellenwert zumessen und Kirchen und Religionen insgesamt positiver beurteilen als Konfessionslose, ist hierbei eher weniger verwunderlich. Doch wirkt sich das verwässerte Christentum bei den nicht praktizierenden Christen auch auf politische und gesellschaftliche Ansichten aus. Wobei die christliche Prägung – anders als von Kirchenvertretern, Politikern und Publizisten gern behauptet – offensichtlich nicht zu einem höheren Maß an Nächstenliebe und zu einem friedlichen Miteinander führt, sondern zum genauen Gegenteil:

"Die christliche Identität in Westeuropa geht mit einem höheren Grad von negativen Gefühlen gegenüber Einwanderern und religiösen Minderheiten einher. Alles in allem äußern Personen, die sich selbst als Christen identifizieren – unabhängig davon, ob sie am Gottesdienst teilnehmen oder nicht – eher als Konfessionslose negative Ansichten über Einwanderer, Muslime und Juden." (S. 9)

"Obwohl die aktuellen Diskussionen über Multikulturalismus in Europa sich häufig auf den Islam und Muslime konzentrieren, gibt es in vielen westeuropäischen Ländern auch alteingesessene jüdische Gemeinden. In der Studie wurde festgestellt, dass Christen unabhängig davon, wie stark sie ihre Religion ausüben, eher als konfessionslose Erwachsene äußern, dass sie nicht bereit sind, Juden als Mitglieder in ihrer Familie zu akzeptieren, und alles in allem neigen sie etwas eher dazu, höchst negativen Aussagen über Juden zuzustimmen, etwa 'Juden verfolgen immer ihre eigenen Interessen und nicht die Interessen des Landes, in dem sie leben'. (…)  Im Großen und Ganzen neigen Christen – sowohl praktizierende als auch nicht praktizierende – eher als Konfessionslose in Europa dazu zu sagen, dass Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika nicht ehrlich sind oder hart arbeiten, und eine Senkung der aktuellen Einwanderungsrate zu befürworten." (S. 21)

Auch nationalistische Einstellungen werden signifikant häufiger von praktizierenden Christen und christlich geprägten, nicht praktizierenden Christen geäußert:

"Nicht praktizierende Christen neigen weniger als praktizierende Christen dazu, nationalistische Einstellungen zu vertreten. Trotzdem sagen sie eher als Konfessionslose, dass ihre Kultur anderen Kulturen überlegen ist und dass es notwendig ist, die nationale Abstammung eines Landes zu haben, um die nationale Identität dieses Landes teilen zu können (z. B. muss man spanische Vorfahren haben, um wirklich spanisch zu sein)." (S. 9)

Ein statistisch signifikantes Ergebnis, das auch nach Berücksichtigung anderer möglicherweise relevanter Faktoren wie beispielsweise dem Vorhandensein unterschiedlicher Bildungsgrade bestehen bleibt:

"Es gibt auch andere Faktoren als die religiöse Identität, die eng mit Meinungen über Einwanderung und religiöse Minderheiten verbunden sind. So gehen etwa eine höhere Bildung und die persönliche Bekanntschaft mit einem Muslim Hand in Hand mit einer größeren Offenheit gegenüber Einwanderung und religiösen Minderheiten. Und die Identifizierung mit der politischen Rechten ist stark mit ablehnenden Haltungen gegenüber Einwanderung verbunden. Trotzdem neigen Westeuropäer, die sich als Christen identifizieren, selbst nach der Anwendung statistischer Verfahren zur Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren (Alter, Bildungsgrad, Geschlecht, politische Überzeugung, persönliche Bekanntschaft mit einem Muslim oder Juden, persönliche Einschätzung der wirtschaftlichen Situation, Zufriedenheit mit der allgemeinen Richtung des Landes usw.) eher als konfessionslose Westeuropäer dazu, negative Empfindungen gegenüber Einwanderern und religiösen Minderheiten auszudrücken." (S. 21 f.)

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist nicht nur, dass sich Einstellungen wie Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus im Durchschnitt stärker bei Christen als bei Konfessionsfreien zeigen, sondern auch, dass sich diese Einstellungen sozusagen mit dem Grad der Verwässerung des Christentums auswaschen.

Während die nicht praktizierenden Christen bei vielen Einstellungen noch deutlich mehr Nähe zu den praktizierenden Christen zeigen, nähern sich die Einstellungen nicht praktizierender Christen jedoch bei zwei Themen stärker den liberalen Einstellungen der Konfessionsfreien:

"Die überwiegende Mehrheit der nicht praktizierenden Christen ebenso wie die Mehrheit der Konfessionslosen befürworten legale Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe. Praktizierende Christen sind im Hinblick auf diese Fragen konservativer, obwohl es unter ihnen eine deutliche – und in mehreren Ländern eine mehrheitliche – Unterstützung für legale Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe gibt." (S. 9)

Das überaus deutliche Ergebnis dieser Studie sollte insbesondere die Politik zum Nachdenken und Handeln anregen. Weiterhin auf eine Förderung des Christentums zu setzen, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft und zentrale moralische Werte zu stärken, scheint jedenfalls der falsche Weg zu sein.