Studie

Sind in den USA die Konfessionsfreien bald in der Mehrheit?

Wenn sich die gegenwärtigen Trends fortsetzen, bilden Christinnen und Christen in den USA in wenigen Jahrzehnten nicht mehr die größte Religionsgemeinschaft. Ihr Anteil an der Bevölkerung könnte bis 2070 von 64 bis auf 35 Prozent sinken. Gleichzeitig ist ein Ansteigen der Konfessionsfreien von derzeit 30 Prozent auf 34 bis 54 Prozent zu erwarten.

Zu diesem Ergebnis kommt das US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center in einer jetzt veröffentlichten Studie. Die Autorinnen und Autoren betrachten dort in vier hypothetischen Szenarien, wie sich eine Fortsetzung demografischer Trends in den USA bis 2070 auf die religiöse Landschaft auswirken würde. Dabei betrachteten sie schwerpunktmäßig die Ausstiegsbewegungen aus dem Christentum und die Konversionsraten zum christlichen Glauben. Die zugrundegelegten Daten stammen vom Pew Research Center und der General Social Survey, einer landesweiten repräsentativen Langzeitstudie.

In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der Christen in der US-Bevölkerung stetig geschrumpft: Waren es Anfang der 1990er noch rund 90 Prozent, kam eine Schätzung 2020 auf lediglich 64 Prozent, Kinder eingerechnet. 30 Prozent der Amerikaner hatten nach eigenen Angaben keinerlei religiöse Bindung, im Original als "religiously unaffiliated" bezeichnet. (Unter diesem Sammelbegriff subsumiert die Studie sowohl Personen, die keine religiöse Überzeugung besitzen oder keine religiösen Praktiken ausüben, aber auch solche mit spiritueller Überzeugung, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören.) Die restlichen 6 Prozent entfielen auf Religionen wie Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus.

Ausgehend von diesen Zahlen sowie von demografischen Faktoren wie Geburtenrate und Migrationsverhalten spielt die Pew-Studie vier hypothetische Szenarien durch, die sich in der Entwicklung der Aussteiger- und der Konvertitenquote unterscheiden. Obgleich diese zu unterschiedlichen Prognosen über den Anteil der Konfessionsfreien kommen, stimmen sie dennoch darin überein, dass die Quote der Christen weiter abnehmen und sich der Anteil der Anhänger anderer Religionen auf etwa 12 bis 13 Prozent verdoppeln wird.

Vier hypothetische Szenarien

Szenario 1 geht davon aus, dass die Tendenz zum Ausstieg aus dem Christentum bei den 15- bis 29-Jährigen auf dem derzeitigen Niveau von 31 Prozent bleibt, während weiterhin 21 Prozent der konfessionsfrei Erzogenen zu Christen werden. Der Anteil der Christen wäre dann bis 2060 unter 50 Prozent gesunken, 2070 läge er bei 46 Prozent. Dagegen würde die Quote der Konfessionsfreien bis 2070 auf 41 Prozent steigen.

Szenario 2 illustriert nach Ansicht der AutorInnen am besten, was geschieht, wenn die Entwicklung in den USA nach demselben Muster verläuft wie in Westeuropa: Immer mehr junge Menschen mit christlicher Erziehung kehren dem Glauben den Rücken, während mindestens 50 Prozent der christlich Erzogenen bleiben. Gleichzeitig konvertieren immer weniger Personen zum Christentum. Dann würden die Christen 2050 noch 47 Prozent der Bevölkerung umfassen (gegenüber 42 Prozent Konfessionsfreien), 2070 wäre der Anteil der Christen auf 39 Prozent gesunken, während die Konfessionsfreien bei 48 Prozent angekommen wären.

Von derselben Ausgangslage geht Szenario 3 aus, mit einem Unterschied: Diesmal spielen die AutorInnen den Fall durch, dass weniger als 50 Prozent der christlich Erzogenen ihre Religion beibehalten. Dann würden die Konfessionsfreien 2055 mit 46 Prozent die größte Gruppe stellen und 2070 mit 52 Prozent in der Mehrheit sein. Der Anteil der Christen würde nur noch ein gutes Drittel (35 Prozent) betragen.

Um abschließend den Einfluss demografischer Faktoren wir Alter und Kinderzahl auf die religiöse Landschaft der USA zu verdeutlichen, spielen die AutorInnen ein viertes, kontrafaktisches Szenario durch. Es geht von der Annahme aus, dass nach 2020 keinerlei Konversionen oder Austritte aus Religionsgemeinschaften erfolgen würden. Selbst dann nähme die Rate der Christinnen und Christen kontinuierlich ab, bis sie 2070 bei 54 Prozent läge (Konfessionsfreie: 34 Prozent). Grund ist das höhere Durchschnittsalter und die damit verbundene geringere Kinderzahl der christlichen Bevölkerung, verglichen mit den Konfessionsfreien.

In ihrer Gesamtheit betrachtet weisen alle vier Szenarien darauf hin, dass sich die religiöse Landschaft in den USA mit gewisser Wahrscheinlichkeit ähnlich entwickeln wird, wie es in den letzten 50 Jahren in vielen Ländern Westeuropas der Fall war. Auch in Deutschland ist bei den katholischen und evangelischen Gläubigen ein stetiger Rückgang zu verzeichnen.

Unterstützen Sie uns bei Steady!