Selbstbestimmungsgesetz: Der Spagat zwischen Befürchtungen und individueller Verwirklichung

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Transaktivist:innen und Feministinnen tauschten sich am Rande der Demonstrationen aus
Transaktivist:innen und Feministinnen tauschten sich am Rande der Demonstrationen aus

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Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz
Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz

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Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz
Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz

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Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz
Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz

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Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz
Feministische Organisationen protestierten vor dem Reichstagsgebäude gegen das Selbstbestimmungsgesetz

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Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz und übertrugen Debatte und Abstimmung aus dem Bundestag
Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz

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Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz und übertrugen Debatte und Abstimmung aus dem Bundestag
Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz

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Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz und übertrugen Debatte und Abstimmung aus dem Bundestag
Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz

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Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz und übertrugen Debatte und Abstimmung aus dem Bundestag
Transaktivist:innen demonstrierten für ein Selbstbestimmungsgesetz

Am Freitag hat der Bundestag das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Während Debatte und Abstimmung taten auf dem Rasen vor dem Reichstagsgebäude zwei Gruppen von Organisationen und Einzelpersonen ihre Meinung dazu kund. Dabei kam es auch zum direkten Austausch zwischen den Aktivist:innen.

Nach dem Cannabisgesetz passierte Ende vergangener Woche ein zweites umstrittenes Gesetz den Bundestag: Das "Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften". Es löst das Transsexuellengesetz ab, das seit 1981 gegolten hatte und von Betroffenen als demütigend und diskriminierend empfunden wurde. Das Bundesverfassungsgericht gab dem teilweise recht. Über Vornamensänderungen und Geschlechtszugehörigkeiten entschieden bisher Gerichte aufgrund von Sachverständigengutachten. Beides ist nun wesentlich einfacher möglich: "Mit dem Gesetz sollen volljährige Menschen ihren Geschlechtseintrag (männlich, weiblich, divers oder keine Angabe) und ihre Vornamen künftig per Selbstauskunft beim Standesamt ändern können", heißt es in der offiziellen Mitteilung auf der Website des Bundestages. Genannt wird das auch "Self-ID". "Nach der Änderung soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. (…) Für Minderjährige bis 14 Jahre gilt: Nur die Sorgeberechtigten können die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Ab dem Alter von 14 Jahren können es die Minderjährigen selber tun, benötigen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten", so die Meldung weiter.

Während im Reichstagsgebäude die abschließende Debatte und die anschließende Abstimmung liefen, hatten sich draußen auf dem Platz der Republik zwei Lager versammelt: Auf der einen Seite Transaktivist:innen von Lesben- und Schwulenverband – LSVD, Bündnis Selbstbestimmung Selbst Gemacht und Bundesverband Trans* – BVT*, auf der anderen Feministinnen von Frauenheldinnen, Lasst Frauen sprechen, LSquadBerlin – Frauen sprechen und Lesbisches Aktionszentrum Berlin – LAZ reloaded. Während die Frauenrechtsaktivistinnen ihre Positionen unter dem Motto "Frauen sagen NEIN zum Selbstbestimmungsgesetz" mit Redebeiträgen zum Ausdruck brachten, verfolgte die zahlenmäßig etwas größere Transcommunity unter dem Slogan "Gemeinsam gegen Trans*feindlichkeit" die Vorgänge im Plenarsaal zusätzlich per Public Viewing.

Das Klima zwischen Feministinnen und Transaktivist:innen gilt insgesamt als angespannt bis vergiftet, das Thema Trans spaltet. Manche Transaktivist:innen bezeichnen Feministinnen, die trans Frauen nicht als Frauen anerkennen wollen, als "TERFs": Trans-Exclusionary Radical Feminists ("Trans-ausschließende Radikalfeminist(in)en"). Verkürzt dargestellt ist der Hauptstreitpunkt, dass für Transaktivist:innen die Selbstbestimmung im Vordergrund steht, während Feministinnen das Untergraben von Frauenrechten und das Eindringen von Männern in weibliche Schutzräume befürchten, indem sie sich zu Frauen erklären.

Unterschiedliche Haltungen

Die Befürworter:innen eines Selbstbestimmungsgesetzes begrüßten das Abstimmungsergebnis, auch wenn es für sie hinter den Erwartungen zurückbleibt. Auf hpd-Anfrage erklärte der LSVD: "Heute ist ein historischer Tag für die Rechte von trans*, inter* und nicht-binären Menschen und damit auch für die gesamte Demokratie. Endlich dürfen sie ihren Namen und Geschlechtseintrag anpassen, ohne wie über 40 Jahre lang Fremdbegutachtungen über sich ergehen zu lassen. Es war schon lange überfällig, dass Deutschland seiner ethischen Verpflichtung nachkommt, auch die Persönlichkeitsrechte dieser Gruppe zu wahren." Der BVT* schrieb in einer Pressemitteilung: "Dass die Änderung des Geschlechtseintrags in Zukunft allein durch Selbstauskunft möglich sein soll, ist ein Meilenstein für die Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt als gleichwertig. (…) Zum ersten Mal wurde die Gesetzgebung für die Rechte von trans* und nicht-binären Personen aktiv, ohne dass das Bundesverfassungsgericht dies zuvor angemahnt hat. Das muss positiv anerkannt werden."

Die feministischen Organisationen kritisieren das Selbstbestimmungsgesetz scharf. In einer Presseerklärung von Frauenheldinnen e.V. hieß es im Vorfeld der Abstimmung: "Die beliebige Wahl des Geschlechtseintrags verletzt die Rechte und dringend nötigen Schutzräume von Frauen. (…) Sie verführt Kinder und Jugendliche dazu, sich mit vermeintlich geschlechtsändernden Pubertätsblockern, Hormonen und Operationen ihrer Gesundheit und Fruchtbarkeit zu berauben." Und: "Das Ganze ist totalitär, weil die Genderideologen jede Kritik als 'Hass' bezeichnen und weil das Gesetz Nichtzustimmung bestraft. Ein Bußgeld bis 10.000 Euro droht jedem, der einen Menschen nicht in seinem selbstdefinierten Geschlecht anspricht (…)." Die Initiative Lasst Frauen sprechen schreibt in einer Broschüre, die auf der Kundgebung verteilt wurde: "Mit einem selbstbestimmten Geschlechtseintrag wird eine Fiktion Gesetz. Das Gesetz beruht auf einer rein subjektiven Behauptung, die nicht objektiv überprüfbar ist. (…) Von Feministinnen jahrzehntelang erkämpfte Rechte werden in Frage gestellt, wenn 'Frau' nur noch eine selbstbestimmte 'Geschlechtsidentität' ist. Wenn die Fiktion einer selbstbestimmten 'Geschlechtsidentität' juristisch geschützt wird, gefährdet das die Glaubens- und Meinungsfreiheit."

Vor dem Bundestag waren die Gruppen durch viel Abstand getrennt. Vereinzelt fanden Aktivist:innen ihren Weg zur anderen Seite. In einer Gesprächsrunde aus mehreren Personen wurden engagiert, aber friedlich Positionen ausgetauscht: "Wir wollen, dass die Diskriminierung des Patriarchats aufhört", konstatierte ein Transaktivist, es gebe viele Parallelen zur Frauenbewegung. "Aber Frauen haben eine Geschichte", hielt eine Feministin dem entgegen und spielte damit auf Gewalt und Missbrauch durch Männer an. "Du bist keine Frau", so eine andere feministische Aktivistin zu dem Transaktivisten. Niemand habe etwas dagegen, wenn Männer wie Frauen aufträten oder umgekehrt. Der Transaktivist konterte, dass man auch heute noch angespuckt oder verprügelt werde, wenn man aus den Geschlechterrollen herausfalle. "Ich weiß nicht, ob wir dem Patriarchat ein Schnippchen schlagen, wenn wir die Self-ID verhindern." – "Warum arbeiten wir nicht darauf hin, dass jeder sein kann wie er ist, ohne den Körper zu verändern?", fragte die erste Frauenaktivistin daraufhin. Die zweite fügte hinzu, es gebe biologisch nur Frau und Mann, "was wir daraus machen, ist unsere Identität".

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