Seit dem 1. Oktober dürfen auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten

Ehe für alle: Ein Meilenstein der Gleichberechtigung

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Ehe für alle

Jahrzehntelang wurde dafür gekämpft, seit gestern ist sie auch in Deutschland endlich möglich: Die Ehe für alle. Was für die einen ein Grund zur Freude und ein Meilenstein der Gleichberechtigung ist, ist bei anderen nach wie vor umstritten.

"Bodo Mende und Karl Kreile sind das erste Paar, das in Deutschland eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen konnte", schreibt das schwul-lesbische Magazin Queer am gestrigen Sonntag auf seiner Homepage*. Um den bedeutenden Tag zu feiern, hatte queer.de einen Live-Blog auf seiner Homepage eingerichtet und über die ersten schwul-lesbischen Eheschließungen berichtet. Und von denen gab es einige. Auch der Grünen-Politiker Volker Beck, der jahrzehntelang für die Ehe für alle gekämpft hatte, heiratete gestern in Berlin seinen Lebenspartner.

Deutschland ist nun eines von über zwanzig Ländern weltweit, in denen eine gleichgeschlechtliche Ehe möglich ist. Mit einer Mehrheit von 393 Ja-Stimmen zu 226 Nein-Stimmen hatte der Bundestag am 30. Juni 2017 beschlossen, dass die Ehe in Deutschland kein Privileg mehr zwischen Männern und Frauen ist sondern auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen soll. Eine Entscheidung mit hohem Symbolwert. Bisher gab es für schwule und lesbische Paare lediglich die Möglichkeit, eine Art Ehe zweiter Klasse, die sogenannte "eingetragene Lebenspartnerschaft", einzugehen, welche homosexuelle Paare jedoch insbesondere im Bereich des Adoptionsrechts nicht mit Hetero-Ehepaaren gleichstellte. Das soll sich nun ändern. Mit dem Eheschluss haben gleich- und gemischtgeschlechtliche Ehepaare in Deutschland nun gleiche Rechte und Pflichten. Früher eingegangene eingetragene Partnerschaften können auf Wunsch ebenfalls in Ehen umgewandelt werden.

Dass die Ehe für alle in Deutschland nun endlich Realität geworden ist, sollte nicht nur ein Tag der Freude für die schwul-lesbische Community sein, sondern für alle Menschen, denen der Abbau von Diskriminierungen am Herzen liegt. In über 70 Ländern der Welt steht es derzeit unter Strafe, sich in einen Menschen des eigenen Geschlechts zu verlieben und diese Liebe zu zeigen – einige Länder bestrafen Homosexualität sogar mit dem Tod. Auch in Deutschland stehen homosexuelle Handlungen unter Volljährigen erst seit den 1970er Jahren nicht mehr unter Strafe. Dass Homosexuelle in Deutschland nun Heterosexuellen sogar eherechtlich gleichgestellt sind, ist dem jahrzehntelangen Kampf von Gleichberechtigungs-Aktivisten zu verdanken.   

Doch der Sieg, den die Aktivisten mit dem gestrigen Tag errungen haben, ist nicht ungetrübt, denn Homosexuelle werden in der Gesellschaft nach wie vor diskriminiert. Die sogenannte "Mitte"-Studie der Universität Leipzig, eine  bevölkerungsrepräsentative Langzeituntersuchung zu politischen Einstellungen in Deutschland, ergab, dass es 2016 40% der für die Studie Befragten ekelhaft fanden, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen, 36% sprachen sich gegen die Ehe für alle aus und knapp 25% fanden Homosexualität unmoralisch.

Genährt werden entsprechende Vorurteile gegenüber Homosexuellen vor allem durch religiös-konservative Kreise. Nur wenige Tage vor dem gestrigen historischen Datum ging der Fall des Bürgermeisters von Emmerich am Niederrhein durch die Presse. Als bekannt wurde, dass Bürgermeister Peter Hinze (SPD) und sein Lebenspartner planten, ihre standesamtlich geschlossene Partnerschaft in einem Wortgottesdienst kirchlich segnen zu lassen, regte sich bei besorgten Christen Unmut. Sie informierten den zuständigen Bischof Felix Genn in Münster über das Vorhaben. Bischof Genn verbot seinem Pfarrer am Niederrhein explizit, das homosexuelle Paar zu segnen, denn nach katholischer Lehre ist die Ehe trotz aller staatlichen Bestimmungen auch weiterhin allein ein Sakrament zwischen Mann und Frau. "Man kann nicht schärfer den Eindruck bekommen, dass wir Menschen zweiter Klasse sind", erklärte Bürgermeister Hinze hierzu gegenüber der Neuen Ruhr Zeitung.

Vor allem im konservativen politischen Spektrum und rechts davon gibt es derzeit auch nicht gerade wenige Politiker, die der Ehe für alle skeptisch gegenüberstehen. Als die Ehe für alle Ende Juni von der Mehrheit des Bundestages verabschiedet wurde, kündigte die Führungsspitze der AfD an, eine Verfassungsklage gegen diese Entscheidung zu prüfen. Im Sommer fehlte der AfD hierfür noch die formale Möglichkeit. Doch mit ihrem Einzug in den neuen Bundestag könnte es ihr theoretisch gelingen, konservative Gegner der Ehe für alle aus anderen Parteien davon zu überzeugen, gemeinsam mit der AfD beim Bundesverfassungsgericht eine sogenannte "abstrakte Normenkontrolle" für die Ehe für alle zu beantragen. Ein solches Normenkontrollverfahren müsste von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages unterstützt werden. Der noch amtierende Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte einer entsprechenden Verfassungsklage Erfolgschancen ein, da nach seiner und der Auffassung anderer konservativer Politiker eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist, um die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.

Ob es tatsächlich zu Versuchen kommen wird, die Ehe für alle wieder abzuschaffen, ist derzeit noch fraglich. Sicher ist lediglich, dass der Kampf für die Gleichberechtigung von Menschen, deren sexuelle Orientierung und Identität von der heterosexuellen Norm abweicht, noch lange nicht zu Ende ist.


* Inzwischen wurde die Information korrigiert: Die erste gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland wurde im nordrhein-westfälischen Frechen zwischen Bernd Göttling und Dieter Schmitz geschlossen.