Neben dem "Dieselgate" spielt im beginnenden Bundestagswahlkampf auch eine Rolle, wie vom "Klimakiller Kohle" auf Formen regenerativer und nachhaltiger Energie umgestiegen werden kann. Das Zeitfenster, um das international gesteckte Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, wird immer kleiner.
Die Frankfurter KunstGesellschaft hat deshalb zu einer Diskussion über "Das Ende des fossilen Zeitalters" in die Offenbacher Stadtbibliothek eingeladen, wo derzeit die Ausstellung "Kohletagebau – Kulturlandschaft brachial" mit Photographien von Peter Menne zu sehen ist.
Es diskutierten Dr. Werner Neumann vom Landesvorstand des BUND, zugleich Sprecher von dessen Bundesarbeitskreis Energie; Prof. Reiner Diederich, Vorsitzender der KunstGesellschaft, und Peter Menne, Unternehmensberater. Für die Stadt Offenbach sprach Bürgermeister Peter Schneider ein Grußwort, in dem er betonte, dass das Ziel, den Planeten lebenswert zu erhalten, nur ohne fossile Energieträger zu erreichen ist.
Die KunstGesellschaft beschäftige sich seit langem mit dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft, sagte Reiner Diederich. Die Photographien von Peter Menne seien ein Beispiel dafür, wie mit ästhetischen Mitteln ein Problem dargestellt werden kann. Den Titel der Veranstaltung bezog Diederich nicht nur auf Kohle, Erdöl und Erdgas als Grundlagen des bisherigen Industriezeitalters, sondern metaphorisch auch auf überholte, "fossilistische" gesellschaftliche Machtstrukturen in Wirtschaft und Gesellschaft, die mit dem Anspruch der Demokratie letztlich nicht vereinbar sind.
Werner Neumann hob hervor, dass der Klimawandel nicht die Verursacher trifft, sondern die Ärmsten der Welt. So treffend die in der Ausstellung zu sehenden Bilder seien, könnten sie manches nicht zeigen, etwa die Schäden am Grundwasser: das Abpumpen in den Tagebauen belaste die Spree bis nach Berlin. Viele Schadstoffe seien nicht sichtbar, so neben dem CO 2 auch die Stickoxide und der Feinstaub.
Das Braunkohlekraftwerk in Frankfurt-Fechenheim wurde thematisiert. Neumann berichtete, dass dessen Quecksilberemissionen nach abenteuerlichem Verfahren bestimmt wurden. Leider seien die politischen Rahmenbedingungen so gestrickt, dass es nicht möglich war, Fechenheim vor Gericht zu Fall zu bringen. Umgekehrt: der damaligen Frankfurter Umweltdezernentin Manuela Rottmann wurde untersagt, den Quecksilber-Ausstoß zu veröffentlichen.
Menne fand es unfaßbar, dass die beiden neuen Kessel getrennt von den beiden alten betrachtet wurden, obwohl sie im selben Gebäude stehen. Das komme ihm so vor, als ob ein Premium-PKW-Hersteller fragen würde, warum man über den Schadstoff seines Sechs-Zylinder-Diesels klagen würde – schließlich bleibe jeder einzelne Zylinder unter dem Grenzwert… Was beim PKW-Motor offensichtlich absurd ist, führte bei der deutlich größeren Alessa-Anlage aber nicht dazu, sie einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Über das Stichwort "Dezentralisierung" drehte die Diskussion sich bald darum, wem die Energieerzeugungsanlagen gehören. Am Beginn der Energiewende stand die Idee, statt großer Kraftwerke viele Solaranlagen auf viele Dächer zu setzen und so das Oligopol der "Big Four" RWE, EnBW, E.On und Vattenfall durch eine Vielzahl von Stromerzeugern zu ersetzen. Auf dem Podium unterschieden sich die Meinungen, wie gut das gelungen sei – aber einig war man sich im Anspruch, dass es weiter nötig bleibe: Dezentralisierung sei ein Schatz, den man heben müsse, wie Neumann formulierte.
In der lebendigen Diskussion wurde gefragt, warum der BUND gegen eine neue Hochspannungsleitung von Nord- nach Süddeutschland sei? Der Strom aus den Windparks müsse doch in den Süden. Werner Neumann widersprach: sinnvoller sei ein zelllulärer Ansatz statt des bisherigen zentralistischen Versorgungssystems. Das sei nicht nur kostengünstiger, sondern auch sicherer. Das habe auch der VDE – "Verband der Elektrotechnik" in einer Studie gerade nachgewiesen – allerdings ohne zu erwähnen, dass die Idee vom BUND stammt. Solche Studien würden im Unterschied zu anderen, industrienahen, nicht von der Bundesregierung gefördert.
Der BUND fordert, Braunkohle bis 2025 und Steinkohle bis 2030 zu beenden. Neumann wies auf die Aktion "rote Linie gegen Kohle!" hin, die am 26. August 2017 beim Tagebau Hambach (NRW) stattfindet.
2 Kommentare
Kommentare
Pavlovic am Permanenter Link
Die Bilder habe ich mir angeschaut und sie waren ein schöner Rahmen für den Vortrag mit Diskussion. Neumann hatte dann auch viele Fragen des Publikums beantwortet.
pavlovic am Permanenter Link
Jetzt ist auch das Video dazu erschienen: https://www.youtube.com/watch?v=XPuO60kO--w