US-amerikanische Glaubensvorstellungen im Wandel

Von Engeln, Teufeln und spirituellem Yoga

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Mehr als zwei Drittel aller Erwachsenen in den USA glauben an Engel, den Himmel und die Macht des Gebets, zeigt eine neue Befragung. Der Glaube an die Hölle oder den Teufel ist weniger beliebt, dennoch bekunden mehr als 50 Prozent der Befragten eine solche Überzeugung. Auch die steigende Verbreitung der Einstellung "Spiritual But Not Religious" – spirituell, aber nicht religiös – spiegelt sich in der Umfrage wieder.

Im Mai befragte die Associated Press (AP) in Zusammenarbeit mit dem National Opinion Research Center an der Universität Chicago (NORC) ein wahrscheinlichkeitsbasiertes Panel von 1.680 Erwachsenen zu deren Glaubensvorstellungen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Glaube an übernatürliche Phänomene und Wesen unter US-Amerikaner*innen noch immer weit verbreitet ist. Jeweils 69 Prozent der Befragten glauben an die Existenz des Himmels beziehungsweise von Engeln, 72 Prozent glauben an die Wirkmacht des Gebets. Der Glaube an die Hölle beziehungsweise den Teufel ist vergleichsweise weniger weit verbreitet: 58 respektive 56 Prozent der Befragten bejahen diese Frage.

Betrachtet man die Zusammensetzung derjenigen 69 Prozent, die an Engel glauben, zeigt sich ein differenziertes Bild. Unter katholischen und evangelikalen US-Amerikaner*innen gehen – wenig verwunderlich – 82 respektive 94 Prozent davon aus, dass Engel existieren. Auch unter all denjenigen, die keiner Religion angehören, glaubt immerhin genau ein Drittel der Befragten an Engel – dazu gehören 25 Prozent der Agnostiker*innen und immerhin noch zwei Prozent der Atheist*innen.

In der Befragung zeigt sich außerdem auch ein seit Jahrzehnten zu beobachtender Trend: Die US-amerikanische Bevölkerung wird, in ihren eigenen Worten, weniger religiös, aber bleibt gläubig. Angehörige dieser als "Spritual But Not Religious" bekannten, nicht exakt definierbaren Strömung, lehnen organisierte Religion in Form von Kirchen und Glaubensgemeinschaften überwiegend ab und leben ihre Spritualität beziehungsweise ihren Glauben durch private Gebete oder Meditation aus, wie eine frühere Befragung des Pew Research Centers zeigt.

In der vorliegenden Umfrage von AP-NORC zeigt sich, dass jeweils etwa ein Drittel aller erwachsenen US-Amerikaner*innen an Reinkarnation, Astrologie oder Yoga als spirituelle Praxis glauben. Noch mehr Befragte – genau 50 Prozent – glauben daran, dass die Seelen ("spirits") von Verstorbenen noch immer mit lebenden Menschen interagieren können.

Diese Daten zeigen erneut, warum die etablierten Gemeinden nur noch eingeschränkt wettbewerbsfähig sind. Sie können die Bedürfnisse der Bevölkerung, die sowohl individualistische als auch gemeinschaftliche Komponenten aufweist und immer individueller wird, mit ihren althergebrachten Pauschalangeboten nicht mehr bedienen. Denn während unter denjenigen, die sich als "spirituell, aber nicht religiös" identifizieren, noch immer eine überwältigende Mehrheit (91 Prozent) mit "absoluter" oder "ziemlicher" Sicherheit von der Existenz eines Gottes überzeugt ist, spielt die Bibel für diese Gruppe keine herausragende Rolle mehr. So bekunden 57 Prozent, sie würden die Bibel "sehr selten oder nie" lesen, 62 Prozent sind sogar der Meinung, die Bibel sei nicht das Wort Gottes. Spirituelle Praxis wird stattdessen zunehmend als private Angelegenheit betrachtet, die keiner Legitimation durch religiöse Autoritäten bedarf.

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