USA

"Fetal Personhood" – Das unmögliche Rechtskonzept für Ungeborene

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Missouris republikanischer Governeur Mike Parson unterschreibt ein Gesetz
Missouris republikanischer Governeur Mike Parson

Missouri, USA – Danielle Drake reichte im Dezember 2020 die Scheidung gegen ihren Ehemann ein. Wenige Wochen später fand sie heraus, dass sie schwanger war. Was folgte, war eine zermürbende Odyssee. Denn, was Drake als Anwältin für Familienrecht nur zu gut wusste: Sich schwanger scheiden zu lassen, ist in Missouri praktisch unmöglich. Der Grund steht in krassem Gegensatz zur Argumentation eines jüngst erlassenen Gesetzes, das Abtreibungen beinah vollständig verbietet.

Ist ein Fötus eine Person? Oder, exakt gefragt: Können einem Fötus die gleichen Rechte verliehen werden, die einer Person verliehen werden können? Wenn dem so wäre, wer nimmt die Rechte einer bestimmten ungeborenen Person wahr und in welchem rechtlichen Rahmen?

Missouri weiß nicht so recht

Konsultiert man die jüngsten Abtreibungsgesetze des Bundesstaats Missouri, so zeigen sich diese durchsetzt und gesättigt vom Konzept der "Fetal Personhood": Ein Fötus sei "ein distinktes, einzigartiges, lebendes menschliches Wesen" – das sind Personenrechte, sie heißen nur anders. Schwangerschaftsabbrüche sind allenfalls bei medizinischen Notfällen möglich – was ein "medizinischer Notfall" allerdings ist, definiert das Gesetz bezeichnenderweise nur vage. Ansässige Ärzt*innen befürchten, dass die schwammig formulierte Ausnahmeregelung Schwangere erhöhten Gesundheitsrisiken aussetzen wird.

Ein Blick ins Scheidungsrecht Missouris allerdings lässt aufhorchen. Der Grund dafür, dass Danielle Drakes Scheidungsantrag während ihrer Schwangerschaft quasi "auf Eis liegt", ist nämlich die rechtliche Natur des Fötus. Drake selbst sagte der Riverfront Times, die ihre Geschichte zuerst publizierte, dass Missouris Scheidungsrecht "Föten nicht als Menschen betrachtet". "Es gibt keine gerichtlichen Anordnungen, die Unterhalt oder Besuchszeiten für ein Kind festlegen, das nicht existiert. Ich als Anwältin habe keinen Mechanismus an der Hand, um diese Dinge einzuklagen. Das liegt schlicht daran, dass es nicht um eine echte Person geht", so Drake.

Personenbeförderung in utero

Es ist selten, dass man Doppelmoral so eindeutig belegen kann wie in diesem Fall in Missouri. Häufig verstecken sich die intrinsischen Widersprüche des Konzepts der "Fetal Personhood" in den Folgen ihrer Umsetzung. Beispielsweise auf der Taxispur einer texanischen Großstadt: In freudiger Erwartung fuhr Brandy Bottone am 29. Juni durch Plano, Texas. Da sie in acht Wochen ihre Tochter erwartete und ungeborene Kinder dem texanischen Strafrecht zufolge mittlerweile als Personen gelten, nutzte sie eine Spur, auf der nur Autos fahren dürfen, in denen sich mindestens zwei Personen befinden. Die Begründung ließ ein ansässiger Polizist aber nicht durchgehen und präsentierte Bottone einen Strafzettel über 215 Dollar. "Mein Blut kocht. Inwiefern ist das fair? Dem neuen Gesetz zufolge ist dies [der Fötus, Anm. d. A.] eine Person", so Bottone kurz nach dem Vorfall.

Und tatsächlich – nachdem sie Widerspruch eingelegt hatte, wurde Bottones Strafzettel zurückgezogen. Mittlerweile hat sie einen zweiten Strafzettel für das gleiche Vergehen erhalten und wenige Tage später ihre Tochter geboren. Mit der Grundsatzfrage, wie Föten im texanischen Verkehrsrecht repräsentiert werden sollen, wird sich das Parlament aber voraussichtlich erst im kommenden Jahr beschäftigen, so die Dallas Morning News.

Abtreibungsgesetzgebungen nach US-Bundesstaaten
Missouri ist einer von nur fünf US-Bundesstaaten, in denen Schwangerschaftsabbrüche pauschal als illegal eingestuft werden. Ungewollt Schwangere wie auch behandelnde Ärzt*innen können hier strafrechtlich verfolgt werden. (Karte: Wolfman5678 via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Mit seiner Entscheidung, Roe v. Wade einzukassieren, hat der Supreme Court eine regelrechte Lawine an diffusen rechtlichen Fragen losgetreten. Aus einem Strafzettel wird irgendwann ein Lohnzettel und die Frage, ob man für ungeborene Kinder nicht auch Steuererleichterungen in Anspruch nehmen darf. Und in dem gar nicht so unwahrscheinlichen Fall, dass die US-Regierung noch einmal Schecks an seine Bürger*innen verteilt, dürfte manch Schwangere sicher zwei – oder gar mehr – für sich beanspruchen wollen.

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