Rezension

Filz und Altar

Der Religionsphilosoph Anton Grabner-Haider behandelt auf 137 Seiten in einem ersten und zweiten Teil des Buches die älteren und neueren Verflechtungen von Religion und Politik, wobei der Schwerpunkt seiner Ausführungen praktisch exklusiv den Vernetzungen, Verfilzungen und Verschmelzungen zwischen Kirchenchristentum und Staat gewidmet ist. Andere Religionen werden höchstens marginal gestreift.

So gipfeln denn auch die Gedankengänge dieses ersten und zweiten Buchtitels in dem Endresultat, dass "die Verflechtung von Religion und Politik im Christentum ihren Höhepunkt fand", eine These, der man durchaus zustimmen kann. Aber man hätte sich doch ein paar Exkurse konkreterer Art über andere Weltreligionen in ihrem Verhältnis zur Politik gewünscht, vielleicht sogar einige fundierte Hinweise auf primitive Formen von Religionspolitik in Stammes-, Volks- und Kulturreligionen unterhalb der Schwelle der großen Weltreligionen.

Cover

Grabner-Haider gleitet flott und locker über die Vielfalt der einzelnen teils konfliktreichen, teils kompromisslerischen Epochen der Kirchenstaatsgeschichte von 2000 Jahren, so dass sich das Buch auch als eine erste, leichte und verständliche Einführung in die betreffende Thematik im Rahmen eines freieren Religions- bzw. Ethikunterrichts eignen würde. Leider hat der Autor ganz wesentliche Literatur zu dieser Thematik unberücksichtigt, ja völlig unerwähnt gelassen wie z.B. Karl Heinz Deschners vielbändige "Kriminalgeschichte des Christentums".

In den Kapiteln über die letzten drei Päpste fehlt jeglicher Hinweis auf auch in den Medien als Standardwerke charakterisierte Bücher des Rezensenten wie "Der polnische Papst. Bilanz eines Pontifikats", "Papst-Entzauberung" (über Ratzinger) und "Papst Franziskus. Eine kritische Biografie". Vielleicht könnte eine weitere Auflage des Buches diese Lücken schließen.

Der dritte Buchteil unter dem Titel "Sicht der Kirchenfreien" (S. 145 – 230) hat den Kulturphilosophen und Ethiker Erich Satter zum Autor. Im Unterschied zu den mehr historisch vorgehenden Passagen des ersten und zweiten Teils beschäftigt sich Satter eingehend mit den Grundfragen und –bedingungen kirchenfreier Religiosität, liberalen Denkens, humanistischer Werte und einer autonomen, also nicht theonomen Ethik.

Diesem Teil des Buches gebührt vor allem das Verdienst, eine erste Ordnung in den Dschungel der zahlreichen in Deutschland vorhandenen freireligiösen, freigeistigen, freidenkerischen, humanistischen, pantheistischen, agnostischen und atheistischen Vereine und Verbände gebracht und alle diese Gruppierungen in der vorgegebenen Kürze auch weitgehend authentisch und adäquat charakterisiert zu haben.

Den vierten und letzten Teil des Buches hat Frau Susanne Berndt beigesteuert. Sie behandelt fundiert unter vornehmlich juristischen Gesichtspunkten Probleme der Selbstbestimmung, der Sterbehilfe und die Frage warum es überhaupt noch theologische Fakultäten an den Universitäten und unter kirchlichem Einfluss stehenden Religionsunterricht an den Schulen gibt.

Anton Grabner-Haider / Erich Satter; Filz und Altar - Über Krieg und Religion, Politik und Kirchen; Angelika Lenz Verlag, 2016; ISBN 978-3-943624-23-6, 19,90 Euro