Hintergründe zur Anzeige gegen den Papst:

Für Österreich zu radikal

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Ein Regenbogen über Rom
Ein Regenbogen über Rom

Am 8. Dezember brachte Peter Postmann, der Gründer von FFPride2 mit Hilfe der Piratenpartei Österreichs gegen Papst "Franziskus" und weitere Personen eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien ein, um den Verdacht der Verhetzung gegen homosexuelle Menschen prüfen zu lassen. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Am 17. Dezember teilte die Staatsanwaltschaft Wien mit, dass "kein Anfangsverdacht besteht" und sie von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens absieht. 

Es war wahrscheinlich Zufall, dass das EU-Parlament am 11. März 2021 die Europäische Union zur "LGBTQI freedom zone" erklärt hat, aber nur vier Tage später aus dem Vatikan ganz andere Töne kamen. Dort erschien auf die Frage nach der Möglichkeit der Segnung homosexueller Paare die Antwort der "Glaubenskongregation", dass dies nicht möglich sei. Dies war für viele Menschen in Europa, wo auch katholische Pfarrer mittlerweile – auch nach der Antwort der Glaubenskongregation – homosexuelle Paare segnen, etwas überraschend und enttäuschend. Viele Menschen erkannten darin und in der Begründung eine Benachteiligung und Abwertung homosexueller Menschen und Partnerschaften.

In Österreich regelt ein Bundesgesetz, das BekenntnisgemeinschaftenG(esetz) , verschiedene Aspekte der Anerkennung, aber auch der Auflösung von Religionsgemeinschaften. Es verweist mehrfach auf ein Gesetz aus 1874 über die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Insgesamt geht aus den Bestimmungen hervor, dass Religionsgemeinschaften nur anzuerkennen sind, wenn ihre Lehren nichts "Gesetzwidriges oder Anstößiges" enthalten, und wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung nicht mehr zutreffen, auch eine Aufhebung der Anerkennung vorgesehen ist. 

Dazu wurde am 18. März 2021 bei FragDenStaat.at eine Anfrage an das Bundeskanzleramt, in dem das zuständige "Kultusamt" beheimatet ist, gestellt. Die Anfrage begehrte Auskunft darüber, ob im Kultusamt die Prüfung der Unverträglichkeit zwischen den Äußerungen des Vatikans und der Entscheidung des EU-Parlaments bzw. der Gesetzeslage vorgesehen ist, was zu einer Aberkennung des Status der katholischen Kirche als anerkannte Religionsgemeinschaft führen könnte.

Das Auskunftspflichtsgesetz sieht für solche Anfragen eine Frist von maximal acht Wochen vor. Das Kultusamt meldete sich jedoch weder innerhalb dieser Frist noch in den darauffolgenden Monaten – das zeigt, wie wenig dort auch fundiert begründete Anfragen ernst genommen werden, solange es um die katholische Kirche geht. Erst die mit Kosten verbundene Einschaltung eines Anwaltsbüros und die Androhung rechtlicher Konsequenzen brachte eine Reaktion, die wie folgt lautete: "Die katholische Kirche erhielt ihre gesetzliche Anerkennung allerdings nicht aufgrund dieses Gesetzes, sondern gilt als historisch anerkannt ...", weswegen das Gesetz über die Bekenntnisgemeinschaften nicht auf die Bekenntnisgemeinschaft "katholische Kirche" anzuwenden sei.

Dieser Option beraubt sahen Peter Postmann und die Piratenpartei Österreichs somit keine andere Möglichkeit als eine Anzeige wegen Verhetzung bei der Staatsanwaltschaft auf Basis des Gesetzespaketes "Hass im Netz" einzubringen. Nach ihrer Einschätzung verletze die Bezeichnung von Homosexualität als "sündige und falsche Lebensweise" die Menschenwürde, stelle homosexuelle Menschen als minderwertig dar und fordere zur Gewalt auf. 

Die Anzeige hatte in erster Linie den Zweck, dass sich staatliche Behörden ernsthaft mit den Fragen, die die althergebrachten Lehren der Kirche in einer modernen Gesellschaft aufwerfen, beschäftigen. Dies ist nicht passiert, da die Staatsanwaltschaft den "Anfangsverdacht" offensichtlich ganz anders interpretiert als kritische Menschen der Zivilgesellschaft, und diesen "Verdacht" in der detaillierten Dokumentation der Ereignisse nicht fand.

Auch die Kirche sollte sich an einem Dialog beteiligen, statt sich einerseits auf Verkündigungen aus Rom zu verlassen, andererseits aber sich auf lokaler Ebene mit Aktionen wie Regenbogenfahnen auf Kirchen dagegen aufzulehnen. 

Das folgende Interview führte Balázs Bárány, ein Bundesgeschäftsführer der Piratenpartei Österreichs und Aktivist bei den Atheisten Österreich, noch vor dem Bekanntwerden der Einstellung des Verfahrens.

hpd: Peter, du hast die Sachverhaltsdarstellung oder Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Wie läuft das konkret ab? Wie zeigt man den Papst an?

Peter Postmann: Grundsätzlich kann jede Person eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft oder jeder Polizeidienststelle einbringen. In diesem Fall habe ich die Sachverhaltsdarstellung direkt online an die Staatsanwaltschaft geschickt. Bei "normalen" Anzeigen handelt es sich meistens um sogenannte Privatanklagedelikte, also wenn Täter*innen auf Verlangen der verletzten Person verfolgt werden. In diesem Fall muss man auch selbst Privatanklage beim zuständigen Strafgericht erheben. Daneben gibt es noch Ermächtigungsdelikte und Offizialdelikte. Letztere sind zum Beispiel Mord, Raub, Diebstahl, Körperverletzung, aber auch Verhetzung und Wiederbetätigung. In so einem Fall wird ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet und die strafbare Handlung von Amts wegen verfolgt. Also der Staat kümmert sich darum, sobald er davon weiß. Eine Anzeige wegen eines Offizialdelikts kann daher auch nicht mehr zurückgezogen werden. Ich bin natürlich nicht eines Morgens aufgewacht und habe beschlossen, den Papst anzuzeigen, dem ging einiges an Planung voraus. Aber im Prinzip ist es so gedacht, dass wenn man eine (mutmaßliche) Straftat beobachtet, sie einfach melden kann.

Hast du bei der Formulierung eine Rechtsberatung in Anspruch genommen? Wurden die entsprechenden Gesetze und Paragraphen genannt?

Zum Teil, aber vorweg sollte man sagen: Es ist eine Anzeige, keine Anklage. Wird vor Gericht ein Prozess geführt, muss die Anklage entsprechend von Jurist*innen fachgerecht vorbereitet werden. Bei einer Anzeige beziehungsweise Sachverhaltsdarstellung geht es nur darum zu berichten, was passiert ist. Auf den staatlichen Webseiten finden sich viele Informationen zu Hass im Netz, aber gefühlt verlinken die alle im Kreis, und wenn man dann die Liste mit Organisationen findet, stellt man fest, dass keine so wirklich für Hass im Netz zuständig ist. ZARA (Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) hat mir letztendlich geholfen und erklärt, was ich tun kann und wie das mit der Anzeige funktioniert. Dort wurde mir auch geraten, keine Paragraphen zu nennen und persönliche Betroffenheit zu schildern. Die Sachverhaltsdarstellung habe ich selbst verfasst. Diese ist so geschrieben, dass alle Punkte mit Argumenten unterfüttert werden, die im Leitfaden zum Tatbestand der Verhetzung des Justizministeriums erwähnt werden. Ich hätte hier gerne auf fachkundige Unterstützung zurückgegriffen, aber das war leider nicht möglich. Bereits bei den Schritten gegen das Kultusamt war nur eine einzige Kanzlei von zahlreichen angefragten bereit, mir zu helfen. Diese wollte mich bei der Anzeige aber nicht unterstützen.

Du nennst persönliche und wirtschaftliche Betroffenheit. Wie schauen diese aus?

Zunächst bin ich Teil der LGBTQIA+-Minderheit, gegen die hier Stimmung gemacht wird. Dass Anfang des Jahres Regenbogenfahnen gebrannt haben, macht mir kein besonders gutes Gefühl, wenn ich rausgehe. Auf der Straße queer gelesen zu werden war vorher schon nicht besonders sicher (vor allem in der Nacht) und die Aussagen des Papstes haben nicht geholfen. Rufen andere Religionen in Schulbüchern dazu auf, gegen "Ungläubige" vorzugehen, ist zu Recht alles in Alarmbereitschaft, was der Staat zu bieten hat. Ruft der Vatikan mutmaßlich dazu auf, Homosexuelle umzupolen, muss man sich mit einem Achselzucken des Staates begnügen. Ich fühle mich also nicht nur angegriffen, sondern auch im Stich gelassen. Daher gehe ich nicht nur gegen den Papst, sondern auch gegen das Kultusamt vor.

Da kommt mein Unternehmen ins Spiel. Ich habe es mit einem Freund zusammen gegründet, als die FFP2-Maskenpflicht eingeführt wurde, weil es keine Regenbogen-FFP2-Masken gab und große Hersteller*innen auch auf Nachfrage keine produzieren wollten. Wir verkaufen diese jetzt und spenden einen Teil der Erlöse an die Community. Die Anzeige gegen den Papst zu unterstützen ist daher auch buchhalterisch praktisch, weil wir das abschreiben können. Privat wäre es sehr teuer und die Piratenpartei hat leider keinen Schatz vergraben, zumindest haben sie mir davon noch nicht erzählt (lacht). Es hilft aber auch in der Sache mit dem Kultusamt: Um gegen dieses vorzugehen, benötige ich eine Rechtswidrigkeit (die mir die Staatsananwaltschaft hoffentlich bestätigt), einen zuständigen Minister, der handeln hätte müssen (in dem Fall der Bundeskanzler, weil er für das Kultusamt zuständig ist) und einen Schaden. Persönliche Betroffenheit ist als Schaden sehr abstrakt und schwer zu beziffern, daher tritt die FFPride2 GmbH auch als Einschreiterin auf: Wir haben weniger Masken verkauft, weil die Leute sie nicht tragen konnten, weil sich die latente Gefahr, Opfer eines Übergriffs zu werden, durch die Aussagen erhöht hat. Auch das mag indirekt sein, aber solche Dinge funktionieren leider besser, wenn's ums Geld geht und nicht "nur" um die Menschenwürde.

Du hast in der Sachverhaltsdarstellung auch "Verantwortliche bei der katholischen Presseagentur" und beim Medienreferat der Bischofskonferenz als Verdächtige genannt. Warum beziehst du nur diese ein? Viele andere Medien haben auch berichtet.

Die Anzeige richtet sich in erster Line gegen den Vatikan und gegen alle offiziellen Stellen, die die Nachricht originär verbreitet haben. Das Gesetz sagt aber auch, dass wer verhetzendes Material gutheißt beziehungsweise rechtfertigt und es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, ebenfalls eine Verhetzung begeht. Die Verbreitung ist durch viele Medien passiert, aber nicht gutheißend oder rechtfertigend. Das ist bei den österreichischen katholischen Pressediensten anders. In deren Berichterstattung hat ein österreichischer Theologe die Thesen des Papstes mit der Bibel untermauert und damit gerechtfertigt. Damit gibt es auch einen zusätzlichen Anknüfpungspunkt in Österreich, sofern sich der Verdacht der Verhetzung bestätigt. Das führt hoffentlich dazu, dass die Staatsanwaltschaft jedenfalls ermitteln muss, auch wenn sie eventuell der Ansicht wäre, nicht für den Vatikan zuständig zu sein.

Hast du seither von der Staatsanwaltschaft oder von der Kirche gehört?

Nein, weder noch. ZARA hat mir aber auch gesagt, dass sie selten bis nie eine Rückmeldung von der Staatsanwaltschaft bekommen. Dagegen gibt es auch kein Rechtsmittel, also mehr als Warten und irgendwann freundlich Nachfragen bleibt mir nicht viel übrig. Wenn nichts passiert, bliebe noch die Möglichkeit, ein Crowdfunding aufzusetzen, um selber zu klagen. [In diesem Fall traf jedoch schon nach neun Tagen die negative Antwort ein.]

Von der Kirche habe ich nichts gehört, wobei so ein Ausflug in den Vatikan sicher lustig wäre. Ich hab auch meinen Taufschein beobachtet, aber er hat sich nicht selbst entzündet.

Wie würde der vorgeschlagene Dialog mit der Kirche konkret aussehen? Welches Angebot kann sie machen?

Im ersten Schritt wäre es meiner Meinung nach wichtig, dass die Kirche aufhört, Standpunkte zu formulieren, die Minderheiten diskriminieren beziehungsweise mutmaßlich gegen geltendes Recht verstoßen. Die Innensicht muss sie mit ihren Mitgliedern ausmachen, solange sie noch welche hat. Mit dem "Ungehorsam 2.0" haben diese aber gefühlt die größte Revolution seit Luther ausgerufen. Das kann auch der Papst nicht mehr stoppen. Von der Außensicht, denke ich, wäre es gut, das Geistliche vom Weltlichen zu trennen, aber nicht indem sie sich über das Weltliche stellt, sondern indem sie dazu beiträgt, die Säkularisierung voranzutreiben und ihre Sonderstellungen aufgibt. Dass sie dazu vermutlich wenig Motivation hat, ist klar, aber wie bei so vielen Dingen, ist die Gesellschaft darauf angewiesen, dass die Privilegierten ihren Beitrag leisten.

Es wird ja nicht jeden Tag Anzeige gegen den Papst eingebracht. Wurde etwas davon in der Zwischenzeit in österreichischen Medien erwähnt? 

Es gab Berichterstattung aus Deutschland dazu, aber in Österreich hat das Thema niemand aufgegriffen. Nicht einmal die österreichischen katholischen Medien haben berichtet, während die deutschen das sehr wohl taten. Es wundert mich aber auch nicht, denn bereits bei der Anfrage an das Kultusamt gab es kaum Reaktionen. Außerdem, glaube ich, ist der Ansatz für Österreich zu radikal. Ich habe sehr viele Organisationen gefragt, niemand wollte mitmachen. Die Seilschaften in Österreich sind sehr stark und keiner kann es sich leisten, aus der Reihe zu tanzen. Deswegen ist es auch schwer, echte Veränderung herbeizuführen.

Du schlägst vor, die rechtlichen Fragen in einer juristischen Master- oder Doktorarbeit zu behandeln und bietest ein Stipendium an. Wie schaut das Angebot konkret aus? Hat sich schon jemand gemeldet?

Nach der Anwort des Kultusamts hat mir die Anwaltskanzlei angeboten, sich in das Religionsgemeinschaftenrecht einzuarbeiten, aber mit dem Stundensatz von Anwält*innen kostet das ca. den Preis eines Kleinwagens. Ein paar Stunden Rechtsberatung, vielleicht ein kleiner vierstelliger Betrag sind die Ressourcen, die wir hier noch auf die Beine stellen können. Da haben wir uns gedacht, dass das Geld besser in eine Person investiert wäre, die sich ohnehin in diese Materie vertiefen will und wo so ein Betrag auch wirklich hilft. Gemeldet hat sich aber noch niemand.

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