Gott fährt einen kippligen Ford

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Oft wird das Bekenntnis zu einer Religion ja für eine skurrile Schrulle gehalten, vergleichbar etwa mit der ernsthaften Lektüre des Wochenhoroskops, dem Anziehen von Hertha-BSC-Glücksunterwäsche oder der festen Behauptung, einmal im Leben, ich schwöre!, ein Ufo gesehen zu haben. Sie alle, wie auch der Glaube an irgendeine der unzähligen Gottheiten im Museum der menschlichen Einbildung, bieten den Vorteil, den tristen Alltag für den Moment zu erweitern um eine unsichtbare Dimension, in der man meistens durch Befolgung sehr schlichter Regeln reiche Belohnung erhält, wie im Märchen.

Die gute Nachricht: In den meisten Fällen bleibt die Anwendung einer Religion tatsächlich komplett folgenlos, darin der Nutzung der Hertha-Unterwäsche vergleichbar. Die schlechte Nachricht: In vielen Fällen ist es eben doch auch wirklich nachteilhaft, sich einer unsichtbaren Gottheit zu verschreiben und ihren oft recht eigenwilligen Regeln. Damit ist jetzt nicht der grauenvolle, instrumentalisierte Fanatismus gemeint, zu dem hirnentkernt Glaubende in der Lage sind: In Indonesien hat sich der religiös ermöglichte Hass nun noch eine Windung weiter gedreht, hier sprengen sich neuerdings ganze Familien in die Luft, um Mitglieder anderer Religionen möglichst zahlreich zu töten.

Aber auch wo es nicht zum Gemetzel im Auftrag des Herrn kommt, ist Religion doch immer wieder auch ein echter Überlebensnachteil. Auf dem atheistischen Blog patheos.com poppen sie zuverlässig auf: Nachrichten über die Einschränkungen und Gefahren, die der Glaube, egal woran, Hauptsache feste!, so mit sich bringt. In den USA etwa ist das Busfahren gefährlicher, wenn der Transport im Namen des Christengottes erfolgt.

Der Christengott pflegt keine Gebühren von seinen Mitfahrenden zu erheben, wenn er sie zum Schwimmbad oder zum Gottesdienst fährt, daher gilt seine Kirche hier als nichtkommerzieller Transporteur, halleluja! Und unterliegt nicht so strengen Sicherheitskontrollen. Allerdings kann Gott sich daher auch oft nur die billigeren Kleinbusse leisten, vor denen landesweit schon gewarnt worden ist: namentlich der Ford E350 für bis zu 15 Personen, ein Sicherheitsrisiko in Busgestalt. Diese biblischen Modelle, die leichter umkippen als andere Busse, und in denen man sich dann auch schwerere Schäden zuzieht, dürfen Gottes Kinder hin und her transportieren, vielleicht wacht ja ein Engel des Herrn über sie. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Kirche sich gerne das Geld sparen möchte, das für vernünftige Fahrzeuge nötig wäre. Und dass, sobald jemand auch die Kirchenbusse der weltlichen Verkehrssicherheit unterwerfen will, bei allen möglichen Politikern im Staat die Telefone klingeln. Der Gott nämlich kennt deren Nummern!

Straßenverkehr und Glaube sind grundsätzlich ein Problem, denn der Gott hat in der Hochphase seiner Religionsstifterei nicht vorausgesehen, dass es Ersteren eines Tages geben wird. Es cruisen keine Starßenkreuzer durch die Bibel, beim Betreten des Sess muss Jesus nicht nach links oder rechts gucken, ob ein Motorboot angerauscht kommt, und in den Himmel fliegt er zu seinem großen Finale abgasfrei und ohne an Drohnen zu stoßen. Daher hat Gott auch nicht Links- oder Rechtsverkehr verfügt, und ob das Männlein im Flugzeug neben dem Weiblein sitzen darf, sondern er hat sich in seiner Gesetzgebung mehr auf Begehren und Vieh fokussiert.

Auch der Guru Nanak Dev kannte keine Highways und keine Harleys, als er vor 500 Jahren die Sikh-Religion begründete, die von den Männern fordert: Sie sollen Turban tragen! Eine Anweisung, mit der nun Sikhs im kanadischen Bundesstaat Alberta offensichtlich alle Bedenken zur Verkehrssicherheit toppen konnten:
Alle anderen Leute auf Motorrädern in Alberta müssen Helm tragen. Damit sie im Falle eines Unfalls nicht gar zu leicht ins Paradies entschwinden. Derlei Erwägungen sind den Sikhismus-Lobbyisten aber weniger wichtig, sie kommen lieber mit zerschmettertem Schädel ins Jenseits als mit blauen Flecken ins Krankenhaus. So konnten sie erreichen, dass jetzt alle Sikhs in Alberta von der Helmpflicht befreit sind. Wenn sie deswegen vorsichtiger fahren, hat es ja vielleicht sogar einen positiven Effekt. Ob Straßenverkehr, über einen längeren Zeitraum gedacht, nun zu einem Evolutionsfaktor werden wird, wird abzuwarten sein.

Nun sind Unfälle etwas, das man aus gutem Grund nicht in die Lebensplanung mit einbezieht. Sie geschehen eher selten, denn sonst wären sie ja keine Unfälle, sondern Gewohnheit. Die meisten Menschen werden niemals ernsthaft mit dem Motorrad verunfallen, und das liegt, je nach Deutungslage, entweder daran, dass der Allmächtige unglaublich allmächtig ist und daher nur ganz wenigen die Ehre eines Unfalls zukommen lässt – oder eben einfach am gesunden Menschenverstand. Religion jedenfalls schützt vor Unfällen eher weniger, zumindest liegen uns dazu keine Zahlen vor. Doch nicht nur in der Unfallvorsorge ist Religion eine schlechte Beraterin. Sie kann jungen Menschen nachhaltig und planvoll die Zukunftschancen verbauen. Im Alltag kann sie diejenigen, die ihr unterworfen worden sind, schaden fürs Leben. So hört man aus dem US-Bundesstaat New York, dass die Jeschiwas, Schulen orthodoxer Juden, keiner staatlichen Aufsicht unterliegen.

Was zur Folge hat, dass hier vor allem die armen Jungen so gut wie nichts anderes lernen als das, was für sie als heilig zu gelten hat: Alte Schriften und deren Auslegung. So gut wie kein Englisch, keine Zahlen, keine Wissenschaft. Praktisch nichts von all dem Wissenswerten, was an Schulen vermittelt wird, erreicht diese armen Kinder in ihrer Zeitkapsel aus der Bronzezeit. Das Schlimme daran: Nur etwa fünf Prozent von ihnen können aus dem Gelernten später einen Beruf machen, Rabbi nämlich. Der allergrößte Teil aber kommt irgendwann aus der Schule heraus und hat all die Jahre nichts Anwendbares gelernt. Armut erwartet sie. Dafür haben sie einen Gott.