Hans Alberts Auseinandersetzung mit den Religionen

Der Philosoph Hans Albert, der bekannteste deutsche Repräsentant des Kritischen Rationalismus, legt mit "Zur Analyse und Kritik der Religionen" einen schmalen Band zum Thema vor. Gekonnt kritisiert er darin die Annahmen von Theologen eben aus der Perspektive des Kritischen Rationalismus, wobei dies etwas fragmentarisch und unsystematisch geschieht.

Hans Albert (Jg. 1921) ist der bedeutendste deutsche Repräsentant des Kritischen Rationalismus. Mit der Forderung nach einer "kritischen Prüfung" und der Kritik am "Alternativ-Radikalismus" hat er die Lehren von Karl R. Popper bereichert. Anfang der 1960er Jahre wurde der damals noch junge Hans Albert im "Positivismusstreit in der deutschen Soziologie" als Kontrahent des damals ebenfalls noch jungen Jürgen Habermas bekannt. Während der Letztgenannte einen erstaunlichen erkenntnistheoretischen, methodischen wie politischen Wandel vollzog, blieb Albert den damaligen Grundpositionen des Kritischen Rationalismus treu. Dazu gehörte für ihn – nicht unbedingt auch für Popper – die kritische Auseinandersetzung mit den Geltungsansprüchen der Religion. Bereits im "Traktat über kritische Vernunft" von 1968 fand sich ein Kapitel zu "Glaube und Wissen", ebenfalls in "Kritischer Rationalismus" von 2000 eines zu "Wissen, Glaube, Heilsgewissheit". Bekannt wurde auch seine Kritik an Hans Küng in "Das Elend der Theologie" von 1979.

Als Sechsundneunzigjähriger legt Albert jetzt noch einmal einen kleinen Band "Zur Analyse und Kritik der Religionen" vor. Er enthält 23 Kapitel auf 150 Seiten. Darin formuliert der Autor erneut seine Grundpositionen und setzt frühere Kontroversen fort. Insbesondere geht es um die Auseinandersetzung mit Bemühungen, das religiöse Denken an die Resultate der Wissenschaften anzupassen. Albert macht immer wieder auf ein Dilemma aufmerksam: Einerseits kann man die Erkenntnisse und deren Konsequenzen für Religion nicht leugnen, andererseits führen diese eigentlich zur Aufhebung des Gültigkeitsanspruchs von Religionen. Damit gehen Inkonsequenzen auch bei den sich modern gebenden Theologen einher. Dies erklärt mit seine ausführliche Auseinandersetzung mit den Büchern von Hans Küng. Albert greift in dem Buch auch darüber hinausgehende Gesichtspunkte auf. Dazu gehört gleich zu Beginn der Hinweis darauf, dass - hier in Anlehnung an Freud - bestimmte Funktionen die Religionen hinsichtlich ihrer Akzeptanz und Wirkung erklären können.

Albert blickt danach auf die Idee der reinen Religion und das historische Fundament des Christentums und seine Probleme. Immer wieder kommt das Theodizeeproblem vor, das eben von den modernen Theologen nicht gelöst werden könne. Auch die Entmythologisierungsdebatte findet intensives Interesse, wobei erneut die Inkonsequenz der sich doch so kritisch verstehenden Umdeutungen herausgearbeitet wird. Ausführlich geht Albert danach auf einen besonderen Kritiker ein: Heinzpeter Hempelmann veröffentlichte 1980 das Buch "Kritischer Rationalismus und Theologie als Wissenschaft", worin der Autor bezogen auf den "Wirklichkeitsbezug des christlichen Glaubens" - so die Formulierung im Untertitel – eine Kritik an Alberts Theologiedeutungen formuliert hatte. Albert behandelt sehr detailliert die Einwände ein und setzt sie wiederum einer Kritik aus. Das Buch endet mit einem Bekenntnis: "Ich selbst bin Atheist, aber natürlich keineswegs deshalb, weil ich bewiesen hätte, dass es keinen Gott gibt" (S. 149).

Die Betitelung "Zur Analyse und Kritik der Religionen" ist angemessen und schief zugleich. Es geht eigentlich nur um das Christentum und die Theologie, weniger um die anderen Religionen oder die Religion grundsätzlich. Albert betont indessen, dass sich zentrale Annahmen des Glaubens auch einer kritischen Prüfung aussetzen müssten. Angemessen ist die Formulierung, weil sie den doch etwas fragmentarischen Charakter des vorliegenden Werks vermuten lassen. Denn die einzelnen Kapitel sind einmal eine halbe Seite, mal 25 Seiten lang. Ihnen fehlt ein wenig die inhaltliche Stringenz und Struktur. Bedeutsame Aspekte wie etwa die Gottesbeweise oder das Theodizee-Problem werden auf nur einer Seite abgehandelt. Dafür findet die Auseinandersetzung mit Hempelmann intensiver statt. Man merkt dem Autor an, dass ihm diese Positionsbestimmung wichtig war. Berücksichtigt man die erwähnten Besonderheiten des Buchs, kann man es mit Gewinn lesen. Es eignet sich gleichwohl nur eingeschränkt als Einführung in Alberts Religionskritik.

Hans Albert, Zur Analyse und Kritik der Religionen, Aschaffenburg 2017 (Alibri-Verlag), 172 S., ISBN 978-3-86569-270-2, 12,00 Euro