Frankreich

Hochschullehrer in Gefahr wegen angeblicher "islamophober" Einstellungen

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An der Universität von Grenoble lehnte ein Professor die Gleichsetzung von Antisemitismus mit "Islamophobie" ab. Damit trat er eine gewaltige Welle der Entrüstung los. Aktivistische Studentengruppen brandmarkten ihn und seine Unterstützer als "Faschisten" und warfen ihnen vor, selbst "islamophob" zu sein. Die beigeordnete Innenministerin Marlène Schiappa kritisiert die Vorwürfe der Aktivisten scharf und sieht deutliche Parallelen zum Fall Samuel Paty.

Professor Klaus Kinzler von der Universität in Grenoble steht neuerdings im Licht der Öffentlichkeit, seit er von einer Kampagne der Studentengewerkschaft UNEF (Union nationale des étudiants de France) medial als Rechtsextremer und Islamhasser diffamiert wird. Studenten hatten zusätzlich zu ihrer Rufmordkampagne in großen Lettern an das Universitätsgebäude "Faschisten in unseren Hörsälen! Professor Kinzler Entlassung! Die Islamophobie tötet!" plakatiert, wie die FAZ berichtete.

Was war geschehen?

Kinzler, der als Professor für deutsche Sprache und Kultur am Institut des Sciences Po bereits seit 25 Jahren angestellt ist, äußerte in einem Mailverlauf mit einer Kollegin Ende 2020 Kritik an den Inhalten und dem Titel eines Universitätsseminars, welches Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie gleichwertig nebeneinander behandeln sollte: "Ich habe mich beispielsweise dagegen gewehrt, dass Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie in einem Atemzug genannt werden", erklärte Kinzler. "Die Diskriminierung von Arabern fällt in meinen Augen unter die Kategorie Rassismus und hat nichts mit Islamophobie zu tun. Die ersten beiden sind im Übrigen Straftatbestände, die Islamophobie ist es nicht. Der Begriff ist einfach zu schwammig", rechtfertigte der Professor sich für seine Kritik. Für ihn seien Rassismus, welcher der Sklaverei zugrunde liege, oder Antisemitismus für etliche Tote verantwortlich, während es keine bekannten Todesopfer von Islamophobie gebe. Er zweifle nicht daran, dass es auch Anfeindungen gegen Muslime gebe, jedoch sei es nicht rechtfertigbar, diese auf die gleiche Stufe wie Antisemitismus und Rassismus zu stellen.

Er selbst zeigte sich offen für eine Diskussion über den Begriff der Islamophobie, welcher durchaus begründbar auch als "Propagandawaffe von Extremisten" bezeichnet werden kann. Daraufhin wurde Klaus Kinzler jedoch aus der Arbeitsgruppe zum Seminarinhalt ausgeschlossen. Vincent T., ebenfalls Politikprofessor, sprang seinem Kollegen in Folge zur Seite und geriet auf Facebook ebenfalls ins Visier der Studentengewerkschaft UNEF. Eine Kollegin aus Kinzlers Institut zeigte sich über dessen Aussagen so empört, dass sie sich kurzerhand eine Woche krankschreiben ließ. Die Affäre zog laut Kinzler im Anschluss ohne sein weiteres Zutun immer weitere Kreise und erreichte nun sogar die politische Bühne.

So verteidigte die beigeordnete Innenministerin Marlène Schiappa das Recht des Professors, seine Einschätzung zu dem Begriff der Islamophobie kundzutun und kritisierte die Kampagne der studentischen Aktivisten scharf: "Nach der Enthauptung Samuel Patys ist das eine besonders widerliche Tat, denn er war genauso den sozialen Netzwerken zum Fraß vorgeworfen worden", erklärte Schiappa im Fernsehsender BFM-TV. "UNEF hat in Kauf genommen, die beiden Professoren in Lebensgefahr zu bringen", zeigte sich die Politikerin empört und bezeichnete es als verstörend, dass die Studentengewerkschaft in den sozialen Netzwerken zu einer beleidigenden Hasskampagne gegen die Professoren mobil gemacht habe. Der lokale Verantwortliche der Gewerkschaft Thomas M. weigerte sich, ebenfalls auf BFM-TV, die Aktion zu verurteilen und sprach sich für das Recht der Studierenden aus, die "islamophobe Haltung" ihrer Professoren zu kritisieren.

Auch Marine Le Pen griff die Debatte dankend auf und sah sich darin bestätigt, dass es an Universitäten eine "abstoßende, sektiererische Islamo-Linke gibt, die keine Grenzen kennt". Das Verhalten der Aktivisten spielt somit auch der rechtspopulistischen Partei Frankreichs Rassemblement National in die Hände, der Marine Le Pen vorsteht.

"Intellektueller Terrorismus"

Mittlerweile hat sich auch die Staatsanwaltschaft in Grenoble wegen öffentlicher Beleidigung und Sachbeschädigung eingeschaltet. Die Hochschulministerin Frédérique Vidal verurteilte den "Versuch der Einschüchterung" von Universitätsprofessoren, der nicht toleriert werden könne. Sie ordnete eine interne Untersuchung am Institut d'études politiques von Grenoble zu dem Fall an. Eine ihrer Vorgängerinnen im Hochschulministerium, die Regionalratspräsidentin der Hauptstadtregion Valérie Pécresse, nannte die Vorkommnisse an der Universität sogar "intellektuellen Terrorismus".

Beinahe ironisch mutet die Diffamierungskampagne gegen Kinzler an, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass der gebürtige Schwabe mit einer Muslimin verheiratet ist. "Ich habe wirklich keinen Kreuzzug gegen den Islam geplant. Ich wollte nur das Konzept der Islamophobie kritisch hinterfragen", rechtfertigte sich der Professor und kündigte an, sich nach der unfreiwilligen Öffentlichkeit, die ihm zuteil wurde, nun eine Auszeit zu gönnen.

Als Märtyrer will Klaus Kinzler sich nicht bezeichnen, auch will er sich nicht mit dem ermordeten Samuel Paty gleichsetzen, jedoch sieht er eine Gefahr in der Dynamik der Debattenkultur: "Wenn es so weitergeht, dann können wir unsere Uni eigentlich zusperren, das Gebäude verkaufen und einen Supermarkt daraus machen. Wozu dann noch ein Institut d'études politiques, wenn man jeden schützen müsse vor Argumenten, die ihm nicht gefallen würden?", warnt der Professor vor einer im eigenen "Safe Space" dauerempörten Studentenschaft.

Solche Fälle, in denen an Universitäten Dozenten für meist vernünftig begründbare Meinungen und Aussagen von aktivistischen Gruppen heftiger, diffamierender Kritik ausgesetzt sind, stellen leider mittlerweile keine Einzelfälle mehr dar. In Deutschland wurde etwa Susanne Schröter für ihre Kritik am Politischen Islam zur Zielscheibe von empörten Studenten und Aktivisten. Für die USA lässt sich der Biologieprofessor Bret Weinstein beispielhaft erwähnen, der für seine Kritik an der universitären Praxis des "Day of Absence", bei dem keine weißen Personen an der Universität erscheinen sollten, schlussendlich als Rassist dargestellt wurde und seine universitäre Laufbahn beenden musste.

Die Universitäten und ihre Vertreter knicken nur allzu oft vor lautstark empörten Aktivisten ein. Auch die Ausladung von Rednern oder das Niederbrüllen von Diskutanten reihen sich in derartige Fälle ein. Ein solches Klima an Hochschulen lässt sich an vielen Orten feststellen und könnte zur ernsthaften Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Debattenkultur werden.

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