An der Universität von Grenoble lehnte ein Professor die Gleichsetzung von Antisemitismus mit "Islamophobie" ab. Damit trat er eine gewaltige Welle der Entrüstung los. Aktivistische Studentengruppen brandmarkten ihn und seine Unterstützer als "Faschisten" und warfen ihnen vor, selbst "islamophob" zu sein. Die beigeordnete Innenministerin Marlène Schiappa kritisiert die Vorwürfe der Aktivisten scharf und sieht deutliche Parallelen zum Fall Samuel Paty.
Professor Klaus Kinzler von der Universität in Grenoble steht neuerdings im Licht der Öffentlichkeit, seit er von einer Kampagne der Studentengewerkschaft UNEF (Union nationale des étudiants de France) medial als Rechtsextremer und Islamhasser diffamiert wird. Studenten hatten zusätzlich zu ihrer Rufmordkampagne in großen Lettern an das Universitätsgebäude "Faschisten in unseren Hörsälen! Professor Kinzler Entlassung! Die Islamophobie tötet!" plakatiert, wie die FAZ berichtete.
Was war geschehen?
Kinzler, der als Professor für deutsche Sprache und Kultur am Institut des Sciences Po bereits seit 25 Jahren angestellt ist, äußerte in einem Mailverlauf mit einer Kollegin Ende 2020 Kritik an den Inhalten und dem Titel eines Universitätsseminars, welches Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie gleichwertig nebeneinander behandeln sollte: "Ich habe mich beispielsweise dagegen gewehrt, dass Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie in einem Atemzug genannt werden", erklärte Kinzler. "Die Diskriminierung von Arabern fällt in meinen Augen unter die Kategorie Rassismus und hat nichts mit Islamophobie zu tun. Die ersten beiden sind im Übrigen Straftatbestände, die Islamophobie ist es nicht. Der Begriff ist einfach zu schwammig", rechtfertigte der Professor sich für seine Kritik. Für ihn seien Rassismus, welcher der Sklaverei zugrunde liege, oder Antisemitismus für etliche Tote verantwortlich, während es keine bekannten Todesopfer von Islamophobie gebe. Er zweifle nicht daran, dass es auch Anfeindungen gegen Muslime gebe, jedoch sei es nicht rechtfertigbar, diese auf die gleiche Stufe wie Antisemitismus und Rassismus zu stellen.
Er selbst zeigte sich offen für eine Diskussion über den Begriff der Islamophobie, welcher durchaus begründbar auch als "Propagandawaffe von Extremisten" bezeichnet werden kann. Daraufhin wurde Klaus Kinzler jedoch aus der Arbeitsgruppe zum Seminarinhalt ausgeschlossen. Vincent T., ebenfalls Politikprofessor, sprang seinem Kollegen in Folge zur Seite und geriet auf Facebook ebenfalls ins Visier der Studentengewerkschaft UNEF. Eine Kollegin aus Kinzlers Institut zeigte sich über dessen Aussagen so empört, dass sie sich kurzerhand eine Woche krankschreiben ließ. Die Affäre zog laut Kinzler im Anschluss ohne sein weiteres Zutun immer weitere Kreise und erreichte nun sogar die politische Bühne.
So verteidigte die beigeordnete Innenministerin Marlène Schiappa das Recht des Professors, seine Einschätzung zu dem Begriff der Islamophobie kundzutun und kritisierte die Kampagne der studentischen Aktivisten scharf: "Nach der Enthauptung Samuel Patys ist das eine besonders widerliche Tat, denn er war genauso den sozialen Netzwerken zum Fraß vorgeworfen worden", erklärte Schiappa im Fernsehsender BFM-TV. "UNEF hat in Kauf genommen, die beiden Professoren in Lebensgefahr zu bringen", zeigte sich die Politikerin empört und bezeichnete es als verstörend, dass die Studentengewerkschaft in den sozialen Netzwerken zu einer beleidigenden Hasskampagne gegen die Professoren mobil gemacht habe. Der lokale Verantwortliche der Gewerkschaft Thomas M. weigerte sich, ebenfalls auf BFM-TV, die Aktion zu verurteilen und sprach sich für das Recht der Studierenden aus, die "islamophobe Haltung" ihrer Professoren zu kritisieren.
Auch Marine Le Pen griff die Debatte dankend auf und sah sich darin bestätigt, dass es an Universitäten eine "abstoßende, sektiererische Islamo-Linke gibt, die keine Grenzen kennt". Das Verhalten der Aktivisten spielt somit auch der rechtspopulistischen Partei Frankreichs Rassemblement National in die Hände, der Marine Le Pen vorsteht.
"Intellektueller Terrorismus"
Mittlerweile hat sich auch die Staatsanwaltschaft in Grenoble wegen öffentlicher Beleidigung und Sachbeschädigung eingeschaltet. Die Hochschulministerin Frédérique Vidal verurteilte den "Versuch der Einschüchterung" von Universitätsprofessoren, der nicht toleriert werden könne. Sie ordnete eine interne Untersuchung am Institut d'études politiques von Grenoble zu dem Fall an. Eine ihrer Vorgängerinnen im Hochschulministerium, die Regionalratspräsidentin der Hauptstadtregion Valérie Pécresse, nannte die Vorkommnisse an der Universität sogar "intellektuellen Terrorismus".
Beinahe ironisch mutet die Diffamierungskampagne gegen Kinzler an, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass der gebürtige Schwabe mit einer Muslimin verheiratet ist. "Ich habe wirklich keinen Kreuzzug gegen den Islam geplant. Ich wollte nur das Konzept der Islamophobie kritisch hinterfragen", rechtfertigte sich der Professor und kündigte an, sich nach der unfreiwilligen Öffentlichkeit, die ihm zuteil wurde, nun eine Auszeit zu gönnen.
Als Märtyrer will Klaus Kinzler sich nicht bezeichnen, auch will er sich nicht mit dem ermordeten Samuel Paty gleichsetzen, jedoch sieht er eine Gefahr in der Dynamik der Debattenkultur: "Wenn es so weitergeht, dann können wir unsere Uni eigentlich zusperren, das Gebäude verkaufen und einen Supermarkt daraus machen. Wozu dann noch ein Institut d'études politiques, wenn man jeden schützen müsse vor Argumenten, die ihm nicht gefallen würden?", warnt der Professor vor einer im eigenen "Safe Space" dauerempörten Studentenschaft.
Solche Fälle, in denen an Universitäten Dozenten für meist vernünftig begründbare Meinungen und Aussagen von aktivistischen Gruppen heftiger, diffamierender Kritik ausgesetzt sind, stellen leider mittlerweile keine Einzelfälle mehr dar. In Deutschland wurde etwa Susanne Schröter für ihre Kritik am Politischen Islam zur Zielscheibe von empörten Studenten und Aktivisten. Für die USA lässt sich der Biologieprofessor Bret Weinstein beispielhaft erwähnen, der für seine Kritik an der universitären Praxis des "Day of Absence", bei dem keine weißen Personen an der Universität erscheinen sollten, schlussendlich als Rassist dargestellt wurde und seine universitäre Laufbahn beenden musste.
Die Universitäten und ihre Vertreter knicken nur allzu oft vor lautstark empörten Aktivisten ein. Auch die Ausladung von Rednern oder das Niederbrüllen von Diskutanten reihen sich in derartige Fälle ein. Ein solches Klima an Hochschulen lässt sich an vielen Orten feststellen und könnte zur ernsthaften Gefahr für die Meinungsfreiheit und die Debattenkultur werden.
24 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Eine totalitäre Weltanschauung, die mich in die Hölle wünscht, die besondere Rechte für Rechtgläubige fordert, die Frauen benachteiligt, die Gottlose und Homosexuelle verfolgt,
Ich finde sie einfach sch…! Man kann das nennen wie man will. Man braucht wohl nicht lange fragen, wer da dahintersteckt: verblendete Linke und radikale Muslime.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ja, ich kann mich auch an Proteste während meiner Hochschulzeit erinnern. Auch andere Unis, Studenten gingen auf die Straße, protestierten. Gegen Atomkraft, gegen Pershing II, für Abschaffung des 218 oder des 175.
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Da mögen extreme linke Positionen dabei gewesen sein, aber den Islamfaschismus derart flegelhaft in Schutz zu nehmen - und die Kritiker selbst "Faschisten" zu nennen und zu bedrohen... Das hat eine andere Qualität. Nämlich gar keine!
Werden junge Menschen nicht mehr zum Denken erzogen? Oder halten sie einen unreflektierten Umgang mit dem Politislam für klug? Begreifen die nicht, dass sie rechten Populisten (wie bereits passiert) hektoliterweise Wasser auf die braune Mühle kippen? Wie viel Unwillen, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen, gehört dazu, die berechtigte Kritik am islamistischen Kampfbegriff "Islamophobie" als faschistisch anzusehen?
Wir empören uns Welt kaputt. Neusprech und Doppeldenk sind auf dem Vormarsch. Ja, solche Unis mit solchen Krawallstudenten kann man getrost absperren. Sie verraten den Kampf gegen nationalistische und faschistische Gedankengut, sie verraten die Ideale linker Politik, die sich dem Menschen zuwendet und eben nicht Ideologen. Sie verraten nichts anderes als die Aufklärung und den modernen Rechtsstaat.
Ich hoffe, wir kriegen das irgendwie wieder hin. Sonst könnte die kommende Epoche als eine weitere finstere in die Geschichte eingehen. Mich gruselt es gerade vor diesem Gedanken. Wo und wann ist hier etwas furchtbar schief gelaufen...?
Giordano Bruno am Permanenter Link
Nicht nur das, eine solche Einstellung zerstört auch jede Demokratie, welche als Grundlage
für die freie Meinungsäußerung steht.
nichts am Hut, sprich, nichts im Sinn haben.
David Z am Permanenter Link
"Eine Kollegin aus Kinzlers Institut zeigte sich über dessen Aussagen so empört, dass sie sich kurzerhand eine Woche krankschreiben ließ."
Grossartig. Dazu braucht es keine weiteren Worte. Besser kann man den Irrsinn nicht enttarnen. Vielleicht bin ich altmodisch, aber eine Person, die an der Uni lehrt, andere Meinungen nicht aushält und sich daher 1 Woche krankschreiben muss, verdient die fristlose Kündigung.
Der Fall des Herrn Kinzler ist leider nur einer von vielen. Und das Problem beschränkt sich nicht nur auf unsere Unis. Es hat inzwischen alle westl. Gesellschaften erfasst - natürlich mit Abstufungen, aber im Grundsatz auf nahezu allen Ebene. Grade jetzt vor ein paar Tagen hat es in England einen bekannten Moderator erwischt, der sich erdreistete, eine unvorteilhafte Meinung über Meghan, bekanntlich dunkler Hautfarbe, zu äußern.
Ist eine Lösung in Sicht? Nein, im Gegenteil. Solange Menschen für ein solch unvernünftiges, intolerantes, ja totalitäres Verhalten keine Konsequenzen zu spüren bekommen, ja noch nicht mal gesellschaftlichen Gegenwind, wird es fröhlich so weitergehen.
Tyto Alba am Permanenter Link
Bis zur Katastrophe. Wie heisst es so schön: Gestern standen wir noch am Rande des Abgrundes. Heute sind wir ein Schritt weiter.
SG aus E am Permanenter Link
David Z fragt: „Ist eine Lösung in Sicht?” – Eine Lösung wofür? Dass eine/r das Institutsgebäude beschmiert / beklebt und den Dozenten einen Faschisten genannt hat?
Der Dozent hat sich zu gesellschaftlichen Themen geäußert und Widerspruch erfahren. Wo ist das Problem? Jeden Tag wird über die bekannten Fragen diskutiert. Und es wäre weltfremd, würde man erwarten, dass man sich auf eine einzige, 'richtige' Meinung einigen könnte.
Kinzler hält es für nicht zulässig, die Islamfeindlichkeit von heute mit dem Antisemitismus des 19. Jahrhundert zu vergleichen. Andere Leute tun genau das und können ihre Sicht mit vernünftigen Argumenten untermauern (1). Kinzler scheint der Meinung zu sein, niemand werde wegen seines Muslim-Seins diskriminiert. Er deutet entsprechende Vorfälle als Fälle von anti-arabischem Rassismus. Die Situation in Frankreich scheint eine andere zu sein als die in Deutschland. In Deutschland gibt es eine weit verbreitete Islam-Skepsis – mit den entsprechenden Folgen: (2)(3).
Auf der Meta-Ebene kann man die Diskussionen über angebliche 'Cancel Culture' durchaus als einen Kampf der alten, weißen Männer (und Frauen!) um ihre Deutungshoheit beschreiben. Denn mittlerweile sind in Mitteleuropa viele junge Menschen 'mit Migrationshintergrund' herangewachsen, die mit dem Platz in der zweiten Reihe längst nicht mehr zufrieden sind und gesellschaftliche Teilhabe auf Augenhöhe einfordern. So kommt es, dass einige, die sich einst als Progressive sahen, nun manchmal ziemlich alt aussehen. In meinem persönlichen Umfeld nenne ich sie gerne 'Linke Spießer': „Als Spießbürger, Spießer [...] werden in abwertender Weise engstirnige Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen und Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung auszeichnen” (4).
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(1) https://www.deutschlandfunk.de/historiker-wolfgang-benz-antisemitismus-und-grassierender.691.de.html?dram:article_id=471989
(2) https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/beauftragte/landesintegrationsbeauftragte/aktuelles/stellungnahme-diskriminierungsvorfall/
(3) https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/10/brandenburg-bewerbung-strassenbaufirma-rassistische-mail-muslime.html
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Spießbürger
David Z am Permanenter Link
Eine Lösung wofür fragen Sie? Na, eine Lösung für das Problem, dass dieses unvernünftige Handeln und Äussern unvernünftiger Ideen für gewöhnlich unwidersprochen bleiben, geschweige denn sanktioniert werden.
Die "ganze Härte des Rechtsstaats"? Spätesten seit der Kölner Silvesternacht wissen wir, wie die "ganze härte des Rechtsstaats" in solchen Fällen von Kollektivtaten aussieht.
Wo das Problem ist fragen Sie allen ernstes? Man habe nur "Widerspruch" gegeben?
Nein. Hier geht es ganz klar nicht um sachlichen Widerspruch, eine Diskussion oder Austausch, sondern darum, jemanden Mundtot zu machen oder sogar beruflich zu diskretitieren, weil er eine andere Meinung vertritt. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich entsetzt, dass Sie das nicht erkennen. Demokratische und Humanistische Werte sind Ihnen doch hoffentlich nicht fremd.
Es geht auch nicht darum, ob der eine oder der andere Recht hat. Es geht um die Form des Miteinanders in Sachen der Meinungsverschiedenheit. Und da hat die eine Seite klar die rote Karte verdient.
Sie werden verstehen, dass ich nicht tiefer auf Ihre etwas skurrile Interpretation der "meta Ebene" eingehe, da sie mit dem Thema nichts weiter zu tun hat. Nur soviel sei gesagt, dass die "vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund" schon bald ziemlich alt aussehen würden, wenn sie den Staat canceln, der ihnen ein so gutes Leben ermöglicht. Glücklicherweise sind ihre Annahmen und Behauptungen unzutreffend.
SG aus E am Permanenter Link
Also nochmal zusammengefasst:
2.) Worüber regen die Studenten sich auf? – Darüber, dass der Herr Dozent seine 'Meinung' bei der Vorbereitung der jährlichen Gleichstellungswoche ziemlich kompromisslos durchgesetzt hat. Die Woche sollte unter dem Motto 'Racisme, islamophobie, antisémitisme' stehen. Den Begriff Islamophobie lehnte der Dozent aber ab. Die Diskussion darüber gestaltete sich schwierig. Man lese die E-Mails, die der Dozent schrieb (1), und stelle sich die Frage: Argumentiert er wissenschaftlich – oder äußert er nicht doch nur seine 'Meinung'?
3.) Wie wird die Leitung der 'grande école' auf die Studentenproteste reagieren? – Hoffentlich deeskalierend, damit der Betrieb, nachdem die Wogen sich geglättet haben, in gewohnter Weise weitergehen kann.
Zu den 'Meinungen' des Herrn Dozenten, der übrigens nicht Soziologe, sondern Germanist ist, habe ich mich oben geäußert. Und ob „die rote Karte” so eindeutig nur einer Seite zu verteilen ist – ich bin mir da nicht so sicher.
Darum nochmal zum Thema Cancel Culture: Den Begriff hat der Dozent selbst verwandt, weil einige Studierende seine Entlassung gefordert hatten (2). Da man mit meiner Ausdrucksweise unzufrieden war, darf ich auf das Angebot des DLF verweisen:
– Andrea Geier schreibt: „Kritik ist ein Anlass, sich besser zu erklären und Lizenzen, die man für das eigene Handeln in Anspruch nimmt, zu befragen. Damit beginnt die eigene Verantwortung, und sie ist zumutbar.” (3)
– Christian Bergmann schreibt: „Letztendlich drückt sich in der Tatsache, dass gewisse Themen rund um persönliche Identitäten und Weltbilder heute nicht mehr zur Verhandlung stehen, nichts weiter aus als […] die normative Kraft des Faktischen.” (4)
Man kann die Proteste Studierender durchaus als Generationenkonflikt sehen. Und zum Generationenkonflikt gehört eben auch ein anderes Verhältnis zur Einwanderungsgesellschaft. Für die jüngere Generation, die mit Menschen 'mit Migrationshintergrund' zusammen aufgewachsen ist oder selbst Migrationshintergrund hat, und vor allem für diejenigen von ihnen mit muslimischem Hintergrund – für sie ist 'Islamkritik', wie der Dozent sie vorgetragen hat, auf Dauer einfach nervig. Sie, die selbst den Islam und die Religiosität der Großeltern kritisieren, müssen sich tagtäglich mit Vorurteilen und klischeehaften Zuschreibungen herumplagen. Sie sind es leid, als 'Problem' gesehen zu werden. Sie sind hier geboren, gehen hier zur Schule, studieren – und betrachten sich als Teil der Gesellschaft. Einige Ältere müssen sich anscheinend noch an diese neue Normalität gewöhnen.
Und, um nochmal zur Gefahr von Anschlägen zurückzukommen,: Diese Gefahr ist eben auch ungleich verteilt. Jagoda Marinić hat es so ausgedrückt: „Die Wütendsten sind jene, die denken: 'Hanau, das hätte meine Schwester, mein Bruder sein können'.” (5)
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(1) https://sites.google.com/a/iepg.fr/kinzler/cours/affaire-islamophobie-a-l-iep (seit heute leider gesperrt) → https://sites.google.com/a/iepg.fr/kinzler/
(2) https://www.sueddeutsche.de/kultur/cancel-culture-frankreich-islamophobie-grenoble-streit-hochschule-akademie-1.5230029
(3) https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-ueber-cancel-culture-wie-kampfbegriffe-den-diskurs.1005.de.html?dram:article_id=484593
(4) https://www.deutschlandfunkkultur.de/generationenkonflikt-an-den-unis-schon-wieder-muff-unter.1005.de.html?dram:article_id=493941
(5) https://taz.de/Debatte-um-Minderheiten/!5752570/
David Z am Permanenter Link
Sie schiessen erneut vorbei. Es geht nicht darum, dass Kritik geäussert wurde, sondern wie. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen.
Selbstverständlich gilt die rote Karte nur in eine Richtung, denn eine hinterfragende Äusserung mag vor Mao oder Stalin der Standard gewesen sein, aber er ist es sicher nicht an einer freien Universität in einem demokratischen Rechtsstaat.
Und zu Ihrem erneuten cancel culture Exkurs, der immer noch nichts mit der Sache zu tun hat:
Geier und Bergmann liegen falsch. Die überwiegende Mehrheit der empörten Studenten dürfte keinen Migrationshintergrund haben geschweige denn die Mehrheit der Studenten darstellen. Und selbst wenn sie die Mehrheit hätten, bedeutet das noch lange nicht, dass ihre Positionen valide und akzeptabel sind. Das ist offensichtlich etwas, an dass sich diese Kinder wohl erst noch gewöhnen müssen. Vielleicht sollten sie zunächst einmal lernen, ihr Zimmer aufzuräumen, bevor sie gross mitspielen geschweige denn studieren wollen.
Und ja, die Gefahr von Anschlägen ist in der Tat ungleich verteilt, zu ungunsten der Nichtmuslime. Wirklich erstaunlich, dass dabei trotzdem nur so wenig Nichtmuslime wütend sind und die Mehrheit sich stoisch ihrem Schicksal ergibt. Mensch, da könnten andere Bevölkerungsgruppen glatt was lernen.
Tragisch allerdings, dass auch Marinic nicht rafft, dass der Täter von Hanau ein schuldunfähiger Geisteskranker war.
MS aus H am Permanenter Link
Sie fragen, wo das Problem ist? Natürlich nicht in der Debatte. Selbstverständlich kann man anderer Meinung sein als Kinzler, auch mit guten Gründen.
Und es geht auch nicht um die Interessen benachteiligter junger Menschen mit Migrationshintergrund! Schließlich war ein Anliegen Kinzlers, genau diese Diskriminierung zum Thema eines wissenschaftlichen Projekts zu machen. Nein, angeriffen wird er, weil er nicht bereit ist, seine Diskriminierungskritik durch antiliberale, im Grunde rechtsgerichtete Kräfte instrumentalisieren zu lassen.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Historisch gilt nicht allein in Deutschland die Verfolgung und Vernichtung von Juden in Europa als Alleinstellungsmerkmal. Deswegen wird erinnerungs-
Antisemitismus, der sich gegen Juden wendet, steht also in Verbindung mit dieser historischen Konnotation und wird nach dem Strafgesetzbuch verurteilt.
“Islamophobie” ist ein jüngerer Begriff, der mit Fremdenfeindlichkeit korreliert, nicht aber mit Verfolgung, gar Vernichtung nach Art eines Genozids. Andererseits weist der Begriff aber auch zurück auf nachvollziehbare Gründe für Diskreditierung/Diskriminierung von Menschen mit muslimischen Hintergrund.
demonstrative Religionsäußerung (Von Kopftuch bis Burka)
Islamistische Vereine in Europa, die integrationsfeindlich eingestellt sind
Politischer Islamismus mit ideologischen Missionierungsintentionen
Islamistischer Terrorismus (Z.B. IS - Terroraktionen in Europa)
In den letzten Jahren wird “Islamophobie” aber verstärkt von identitätspolitischen Aktivisten verwendet. Intention ist Differenz jeglicher Art zugleich zum Anlass für identitäre Ansprüche zu machen und moralistisch aufzuwerten. Ähnlich wie “Critical Whiteness” wird hier ideologische Einseitigkeit zum politischen Programm.
Fazit
Eine Gleichsetzung des identitätspolitisch motivierten Begriffs “Islamophobie” mit dem in Europa voraussetzungsreichen Begriff des Antisemitismus, der auch erinnerungspolitisch als Alleinstellungsmerkmal konnotiert ist, wäre nicht allein völlig unterkomplex, sondern eine Gleichsetzung würde den Antisemitismus in unverantwortlicher Weise geradezu verharmlosen.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Der Rechtsfaschismus ist widerlich, der Linksfaschismus auch. Diese Ankläger und Richter in Personalunion kapieren nicht, dass sie selber den Faschismus in sich tragen.
Roland Fakler am Permanenter Link
…auch der Islamofaschismus ist widerlich und muss gestoppt werden, bevor er hier die Macht bekommt, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Christian Meißner am Permanenter Link
Was bitte genau ist "Faschismus"? Historisch gesehen kenne ich unter diesem Namen eine undemokratische Regierungsform im Italien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Darüber hinaus ist für mich klar, dass dieser Begriff äußerst unscharf ist und - wahrscheinlich aus diesem Grund - im Allgemeinen zur Markierung der politisch-ideologischen Gegner verwendet wird.
Heutzutage bezeichnet sich so gut wie keine politische Gruppierung außerhalb Italiens sich selbst als Faschisten. "Faschisten" - das sind stets die bösen Anderen.
Aus diesen Gründen glaube ich nicht, dass die Verwendung dieses Begriffes außerhalb des historischen Kontexts hilfreich ist, wenn zur Lösung eines Problems Argumente ausgetauscht werden.
Christian Meißner am Permanenter Link
Nachtrag:
"Faschist", das ist entweder ein unverbesserlicher Mussolini-Nostalgiker oder der Feind im Kopf des Menschen gegenüber.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Das lag aber daran, dass in der DDR-Schule gelehrt wurde, dass alle Menschen aus „dem Westen“ Faschisten seien. (Das endete dann allerdings irgendwann in den 70igern.)
Christian Meißner am Permanenter Link
"(Das endete dann allerdings irgendwann in den 70igern.)"
Vielleicht ist das ja die Erklärung für den Mauerfall.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Schockierend, was Sie hier behaupten! In der DDR gab es nicht die Schule sondern tausende davon. Meine Eltern kommen aus der DDR, waren dort Lehrer:in.
Klar ist es möglich, dass der 'Bekannte' das erlebt hat. Es ist aber Rufmord, dies als Normalität dazustellen.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Na dann müssen mich meine Erinnerungen an meine Schulzeit in der DDR (zwischen 1970 und 1980) ja wohl täuschen wo doch Ihre Eltern etwas anderes erlebt haben.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Sie haben geschrieben, dass 'in der DDR-Schule gelehrt wurde, dass alle Menschen aus „dem Westen“ Faschisten seien.' Das kann nur zweierlei bedeuten.
Damit verunglimpfen Sie unzählige Lehrer:innen, die sich nichts dergleichen haben zuschulden kommen lassen und sind damit kaum besser als ihre Lehrerin, die offensichtlich die Früchte ihres Traumas an Sie durchgereicht hat. Und jetzt reichen Sie das Ihre weiter.
Meine Geschwister sind zur gleichen Zeit zur Schule gegangen wie Sie. Auch meine Mutter spricht von eigenem Erleben: des Nazi-Terrors, ihrer eigenen Schulzeit, ihrer Lehrtätigkeit, ihrer Zeit als Chefin. Und ich kenne sie. Niemals hätte sie sowas in ihrem Laden geduldet, und wo damals der Schwarzweißgeist grassierte, können wir heute noch erkennen. Da, wo damals die Hundertzwanzigprozentigen rumliefen, hat heute auffällig oft die AfD genauso fette Prozente wie vor dem Krieg andere.
Wir alle haben nach der Wende festgestellt, dass unser Bild von der BRD überaus realistisch war. Fast realistischer als das von unserem eigenen Land, denn auch wir waren nicht frei von der Tendenz, unser eigenes Erleben als stellvertretend zu empfinden. Allerdings sollte doch inzwischen jedem Ossi aufgefallen sein, dass die DDR nicht der Einheitsblock war, als der sie oft dargestellt wird.
Es tut mir leid für Sie, wenn Sie so indoktriniert wurden, wie mir auch jeder andere Mensch leid tut, dem Angst vor der Hölle, dem Russen, dem Kommunisten, dem Werwolf, der allgemeinen Krankenversicherung oder der Elektrizität gemacht wurde. (Der 'Bekannte' ist aus dem Post von Christian Meißner, auf den Sie geantwortet hatten.) Sie werden verstehen, wenn ich etwas nicht einfach stehen lassen kann, was meine Eltern und viele andere professionelle Lehrkräfte der Volksverhetzung bezichtigt und damit kriminalisiert. Denn Sie haben auch in Ihrem zweiten Post zu dieser Sache wieder über 'alle anderen Lehrer ihrer Altersstufe' eine falsche Behauptung aufgestellt. Wir wissen nicht, wie viele es waren. Wir wissen aber sicher, dass es nicht alle gewesen sein können.
Christian Meißner am Permanenter Link
Die Episode mit dem "Bekannten" stammt nicht aus der Wendezeit, sondern ist viel älter.
Sobald Kinder nicht mehr ein Feindbild indoktriniert bekommen, sind sie dann später als Erwachsene in der Lage, diese ehemaligen Feinde nicht mehr als solche zu betrachten.
Notiz am Rande: Ich habe fast eine Stunde damit verbracht, um die Schärfe Ihres Kommentars nachvollziehen zu können. Ich hoffe, das ist mir hiermit gelungen.
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Faschismus ist die willkürliche Behandlung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die als minderwertig betrachtet wird und die (aus Sicht der Faschismusbetreiber:innen) entwürdigt, entrechtet, verskla
Jeder Begriff ist irgendwann mal aus einer Situation heraus entstanden und warum soll man ihn für Vergleichbares nicht weiterverwenden?
Es gibt auch indirekten Faschismus, das ist der, der heute gern von Linken betrieben wird, die den Minderheitenschutz z.Z. für die Idealisierung einer ihrerseits faschistischen Ideologie so (Achtung: Wortspiel) entarten, dass damit der oben beschriebenen Behandlung aller nicht dieser Ideologie anhängenden Menschen der Boden bereitet wird.
Eine bezeichnende Faschist:innen-Strategie ist die Diffamierung von Kritiker:innen. ('Rassist:in!') Wer gern mundtot macht, macht bald nicht selten auch sonst gern tot.
Ralf Osenberg am Permanenter Link
Das besondere Problem hier ist, dass die Hochschulen Orte der Debatte sein wollen, sein müssen.
Wer diese mit allen Mitteln verhindern will, begräbt den Sinn den Universitäten haben.
Man mag sich ja mal im Übereifer versteigen, aber wer dann nicht einlenkt und auch eine unangenehme Position nicht zulassen will, gehört eigentlich nicht an eine Uni. Das gilt für Studierende, die solche Kampagnen nicht abbrechen, aber auch für Lehrende, die sich nicht für den Ausschluss oder die Diffamierung eines Kollegen entschuldigen.
Carola Gabriela... am Permanenter Link
Lektüre-Tipp: Caroline Fourest: "Generation beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss Linker Identitärer." Edition Tiamat.