Was ist das "Institut für Staatspolitik"?

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Auf Götz Kubitscheks Rittergut in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) vernetzen sich rechte Politiker und Aktivisten.
Auf Götz Kubitscheks Rittergut in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) vernetzen sich rechte Politiker und Aktivisten.

In den sozialen Medien und auf einschlägigen Webseiten findet man häufig Verweise auf und Zitate vom "Institut für Staatspolitik". Der Sozialwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber hat für den hpd eine Einschätzung dieser neurechten Einrichtung verfasst.

Definition und Einschätzung

Beim "Institut für Staatspolitik" (IfS) handelt es sich um einen Komplex der Neuen Rechten, die über einen "geistigen Kampf" eine "Kulturrevolution von rechts" vorantreiben will. Dazu dienen die Herausgabe von Publikationen und die Ideologiesierung von Seminarteilnehmern. Die inhaltliche Ausrichtung erfolgt dabei an der Konservativen Revolution, einer Erscheinungsform des "antidemokratischen Denkens in der Weimarer Republik" (Kurt Sontheimer). Insofern ist die Berufung auf derartige Geisteshaltungen auch als rechtsextremistisch einzuschätzen, wird darüber hinaus doch offen in den Schriften von "Umwälzungen", "Umsturzpotential" und "Widerstand" gesprochen. Dass es eher Distanzen zum historischen Nationalsozialismus und den traditionellen Formen des Rechtsextremismus gibt, widerspricht angesichts der eindeutigen Berufung auf die Denktraditionen der Konservativen Revolution nicht einer solchen Wertung. Entscheidend ist dafür die Ablehnung der Grundlagen moderner Demokratien.

Entstehung und Wirken

Das IfS wurde 2000 als private Einrichtung gegründet und hat seinen Sitz auf dem Rittergut Schnellroda in Steigra in Sachsen-Anhalt. Damit ging die Absicht einher, eine Bildungseinrichtung für die Neue Rechte zu schaffen. Die gelegentlich als "Denkfabrik von rechts" bezeichnete Einrichtung bietet Kongresse, Seminare und Vorträge an. Damit sollen Angehörige einer kommenden politischen Elite für den "Ernstfall" geschult werden, sieht man doch einen grundlegenden politischen Umbruch kommen und will darauf vorbereitet sein. Als thematische "Arbeitsfelder" gelten "Staat und Gesellschaft", "Zuwanderung und Integration", "Politik und Identität", "Erziehung und Bildung" und "Krieg und Konflikt". Die Besucher und Teilnehmer der Veranstaltungen kommen aus den unterschiedlichsten "rechten" politischen Spektren. Dazu gehören Angehörige von Burschenschaften ebenso wie Funktionäre der NPD. Die absolute Mehrheit rechnet sich aber einem bürgerlichen Konservativismus und nicht dem traditionellen Rechtsextremismus zu.

Ideologisches und strategisches Selbstverständnis

Der Blick auf die ideologischen Bezugspunkte des IfS macht deutlich, dass diese in der Konservativen Revolution und nicht im Nationalsozialismus bestehen. Bei der erstgenannten Denkrichtung handelte es sich um eine geistige Strömung in der Weimarer Republik, welche ebenfalls aus Intellektuellenzirkeln und Publikationsorganen bestand. Diesen ging es darum, die bestehende parlamentarische Demokratie durch ein zukünftiges autoritäres Regime zu überwinden. Dafür wollte man geistige Vorarbeit leisten. Insofern gab es durchaus ideologische Gemeinsamkeiten mit den Nationalsozialisten (z.B. Demokratiefeindschaft, Nationalismus), aber auch gewisse Unterschiede (z.B. geringere Bedeutung des Antisemitismus und Rassismus). Die größte Differenz bestand indessen in der Strategie: Es sollte ein "geistiger Kampf" gewonnen, nicht unbedingt ein Sieg bei Wahlen erzielt werden. Eine ähnliche ideologische und strategische Ausrichtung vertreten in der Gegenwart das IfS und die Neue Rechte.

Führungsfiguren

Die bedeutendste Figur war und ist Götz Kubitschek. Der 1970 Geborene studierte Germanistik, Geographie und Philosophie und arbeitet seit 2002 als selbständiger Verleger. Er gehörte der "Deutschen Gildenschaft" als Student an und war zwischen 1995 und 1997 Redakteur der Wochenzeitung "Junge Freiheit". Das IfS gründete Kubitschek zusammen mit Karlheinz Weißmann. Nachdem die Pegida-Bewegung aufgekommen war, sprach er 2015 mehrmals als Hauptredner in Dresden wie bei dem Ableger in Leipzig. Der erwähnte Weißmann war bis 2014 für das IfS als "wissenschaftlicher Leiter" wie für die "Sezession" als Redakteur und Stammautor wichtig. Der 1959 Geborene studierte Geschichte und evangelische Theologie, ist promovierter Historiker und arbeitet als Lehrer für Geschichte an einem Gymnasium. Auch er gehörte als Student der "Deutschen Gildenschaft" an, war Stammautor der konservativen Theoriezeitschrift "Criticon" und ist es heute für die Wochenzeitung "Junge Freiheit". 2014 brach Weißmann mit dem IfS.

Konflikte um die Strategie

Der Bruch zwischen Kubitschek und Weißmann erklärte sich neben anderen Aspekten insbesondere durch Differenzen hinsichtlich der richtigen strategischen Option. Der Erstgenannte neigte häufig dazu, seine Einstellungen und Positionen scharf und zugespitzt vorzutragen. Weißmann pflegte demgegenüber immer einen gemäßigteren Tonfall, wenngleich es in politischen Grundsatzfragen offenbar keine Unvereinbarkeiten gab. Beide bekannten sich auch offen zum Gedankengut der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik. Auch sahen sie eine gute politische Gelegenheit, die mit dem Aufkommen der AfD und der Pegida-Bewegung verbunden war. Während Kubitschek dabei auf ein abruptes Agieren über Protestbewegungen setzte, plädierte Weißmann für geduldigeres Operieren über Wahlkandidaturen. Zum Bruch kam es daher gerade in einer für die Neue Rechte günstigen politischen Rahmensituation. Gleichwohl sprachen bzw. sprechen beide von "Umwälzungen" oder vom "Umsturzpotential".

"Verlag Antaios"

Dem IfS kann mit gleicher Adresse der "Verlag Antaios" zugeordnet werden. Er bietet eine Fülle von meist politischen Monographien an, welche als ideologische Beiträge für die politische Grundausrichtung der Neuen Rechten verstanden werden können. Hierzu zählen insbesondere die kleinen Bände der "Kaplaken"-Reihe mit meist nur um die hundert Seiten. Darin wird "Das konservative Minimum" (Karlheinz Weißmann) bestimmt, das strategische Konzept der "Metapolitik" (Thor von Waldstein) entwickelt, "gegen die Liberalen" (Armin Mohler) polemisiert oder für "Identität und Widerstand (Bernard Willms) votiert. Ein vierbändiges "Staatspolitisches Handbuch" gilt als ideologischer Wegweiser. Andere Bücher zu aktuellen Fragen dramatisieren gesellschaftliche Entwicklungen und rufen etwa angesichts der Flüchtlingsentwicklung zur "Revolte gegen den Großen Austausch" (Renauld Camus) auf. Darüber hinaus vertreibt man über einen angeschlossenen Buchdienst einzelne Monographien mit ähnlichen Inhalten aus anderen Verlagen.

Zeitschrift "Sezession"

Vom IfS herausgegeben wird die Zeitschrift "Sezession", die 2003 erstmals erschien und zunächst vierteljährlich, später zweimonatlich veröffentlicht wurde. Die Ausgaben liegen in Broschürenform vor, haben eine Größe von 30 x 18 cm und einen Umfang von 64 Seiten bzw. seit 2017 72 Seiten. Darin findet man nach dem Editorial häufig ein Autorenportrait, dann Abhandlungen von vier bis sechs Seiten, dem folgend kürzere Beiträge von zwei Seiten sowie ein Rezensionsteil. Es gibt Ausgaben mit einem inhaltlichen Schwerpunkt ebenso wie offene Hefte ohne ein solches Thema. Die einzelnen Artikel verstehen sich als Beiträge zur ideologischen und strategischen Klärung einer Neuen Rechten. Demnach finden sich darin Berufungen auf die "Konservative Revolution" und Carl Schmitt, Forderungen nach "Fundamentalopposition" und "Widerstand", Kontroversen über "Provokationen" und "Umsturzpotentiale" oder Reflexionen über "Faschismus" und "Rechts". Die Auflage ist eher gering: 2003 1.500, 2010 2.000 und 2016 3.000 Exemplare.

Literatur: Helmut Kellershohn, Das Institut für Staatspolitik und das jungkonservative Hegemonieprojekt, in: Stephan Braun/Alexander Geisler/Martin Gerster (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten, 2. Auflage, Wiesbaden 2016, S. 439-467; Armin Pfahl-Traughber, Zeitschriftenportrait "Sezession", in: Uwe Backes/Alexander Gallus/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 29, Baden-Baden 2017, i.E.