Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat das Bestattungsgesetz aus den 1980er Jahren reformiert und modernisiert. Die neuen Möglichkeiten sind jetzt so vielfältig wie nirgendwo sonst in Deutschland. Kritiker, insbesondere die Kirchen und Bestatterverbände, äußern jedoch Bedenken hinsichtlich der Totenruhe und der Zukunft der Friedhöfe als zentrale und öffentliche Orte der Trauer.
Die Säkularisierung Deutschlands schreitet beim Thema Bestattungen unaufhaltsam voran: Die Zahl der Urnenbestattungen nimmt bundesweit weiter zu. In Rheinland-Pfalz lag ihr Anteil im Jahr 2023 bei 78 Prozent, gegenüber der Sargbestattung (22 Prozent)1. Der Anteil der kirchlichen Bestattungen ist bundesweit seit 2020 unter 50 Prozent gesunken. 2022 waren 46,5 Prozent aller Bestattungen kirchlich (katholisch oder evangelisch). Für die eigene Bestattung wünschen sich laut einer Umfrage immer weniger Menschen eine klassische Grabstätte auf einem Friedhof. Nur noch 14 Prozent sprechen sich für ein Urnengrab aus, elf Prozent für ein Sarggrab. Besonders beliebt ist eine Beisetzung im Bestattungswald, die 24 Prozent der Befragten als Wunsch angeben. Immerhin knapp ein Viertel der Befragten wünscht sich ein Verstreuen der Asche in der freien Natur oder die Aufbewahrung oder Beisetzung von Urne oder Asche zu Hause oder im Garten2.
In Rheinland-Pfalz wird diesem unaufhaltsamen Megatrend auf höchster landespolitischer Ebene Rechnung getragen. Seit Oktober 2025 gilt nun das neue Bestattungsgesetz. Die Landesregierung hat das Gesetz aus den 1980er Jahren umfassend reformiert. Wer die neuen Bestattungsformen nutzen will, muss zu Lebzeiten eine sogenannte Totenfürsorgeverfügung aufsetzen. Es muss schriftlich festgelegt werden, wie der- oder diejenige bestattet werden will und welche Person sich um die Beisetzung kümmern soll. Gibt es keine solche Verfügung oder geht der Wille aus einer Verfügung nicht eindeutig hervor, ist nur eine Bestattung auf dem Friedhof möglich.
Das neue Gesetz ermöglicht Bestattungsformen, für die man bisher ins europäische Ausland fahren musste. Erlaubt ist künftig:
Die Flussbestattung von Totenasche. Die Asche wird in eine lösbare Kapsel eingeschlossen. Diese kann in Rhein, Mosel, Saar und Lahn eingebracht werden. Anderswo in Europa wie in den Niederlanden sind Flussbestattungen schon lange möglich.
Die Aufbewahrung zu Hause. Etwa von einem Witwer, wenn der verstorbene Ehemann dies in seiner Verfügung festgelegt hat. Laut Gesundheitsministerium ist die Urne an einem geeigneten, pietätvollen Ort aufzubewahren. Die ausgehändigte Urne darf nicht außerhalb des Friedhofs, etwa im eigenen Garten, bestattet werden.
Einen Teil der Asche zu entnehmen und daraus etwa einen künstlichen Diamanten als Erinnerungsstück zu pressen oder Asche in ein Amulett einarbeiten zu lassen.
Das Verstreuen der Asche an bestimmten Orten. Dazu zählen Friedhöfe und der eigene Garten.
Die im Islam üblichen Tuchbestattungen. Die Leiche wird dabei statt in einem Sarg in einem Tuch beigesetzt. Bisher sind Tuchbestattungen in Rheinland-Pfalz nur als Ausnahme vorgesehen.
Unabhängig von der gewählten und schriftlich verfügten Bestattungsform, dürfen die Hinterbliebenen diesen Wunsch nicht nachträglich ändern.
Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) betonte, die Ampel-Regierung berücksichtige mit dem neuen Gesetz die veränderte Bestattungskultur. Das Gesetz schränke niemanden ein, der eine traditionelle Bestattungsform wünscht. Doch: "Wir sehen den Friedhof in unserem Bestattungsgesetz immer noch als Regelfall an", erklärte Hoch.
Kritik von den Kirchen und der CDU
Wie nicht anders zu erwarten, kritisieren die Kirchen und Landespolitiker der CDU das Gesetz. Der CDU-Abgeordnete Christoph Gensch äußerte sich so: "Die Novelle beerdigt die Bestattungskultur in diesem Land". Zusätzlich griff er den Gesundheitsminister an. "Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe". Gensch warf dem Minister darüber hinaus vor, dass dieser "den Zeitgeist und Individualität über Pietät und Würde" stelle.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf fand ebenfalls deutliche Worte der Ablehnung: Das Gesetz verstärke Tendenzen, Trauer zu privatisieren, wenn die Urne mit Asche verstorbener Angehöriger beispielsweise in der Wohnung aufbewahrt werde.
Zusätzlich beschwören sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche die diffuse Gefahr einer Entweihung, Entwürdigung und Störung der Totenruhe herauf. Als Beispiele hierfür werden das Verstreuen der Asche, die Aufbewahrung daheim und die Verarbeitung in Erinnerungsstücke genannt. Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst sagte: "Ehrlich gesagt will ich mir auch nicht vorstellen, dass beim x-ten Umzug eine Urne im Karton vergessen wird oder der Diamantanhänger aus Asche aus Versehen verloren geht. Das hat dann nichts mehr mit Würde zu tun."
Eine routinemäßige Überprüfung, ob die Urne zuhause auch würdevoll aufbewahrt wird, sieht das Gesetz in der Tat nicht vor. Es wird auch nicht kontrolliert, ob die Urne nach einer Haushaltsauflösung wie vorgeschrieben auf dem Friedhof bestattet wird. Sie könnte auch im Restmüll landen oder die Asche irgendwo verstreut werden. Was letztlich aber als würdig empfunden wird und was nicht, ist zutiefst intim und individuell. Sowohl die CDU als auch die Kirchen stellen hier einmal mehr ihre eigene Moralvorstellung und mögliche Bedenken über den eigenen Willen der Bürger. Dazu werden Wortbilder des Verfalls, von einer Missachtung der Totenruhe und der absichtlichen Entsorgung der Überreste geliebter Menschen erzeugt. Bei genauerer Betrachtung wird offensichtlich, dass diese vorgeschobenen Gründe ein weiteres Festklammern der schwächer werdenden Hände an der Macht sind.
Das letzte Hemd hat leider keine Taschen
Neben den Kirchenoberhäuptern befürchten die Kommunen ebenfalls Nachteile. Wenn sich deutlich weniger Menschen auf dem Friedhof bestatten lassen und damit die Einnahmen aus den Friedhofsgebühren einbrechen, fehlt das erforderliche Geld für Betrieb und Pflege der Friedhöfe. Der Städte- und Gemeindebund Rheinland-Pfalz fordert ein neues Finanzierungssystem für die Friedhöfe, weil andernfalls die Gebühren steigen würden. Dazu schreibt das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium: "Natürlich können die neuen Bestattungsformen die Gefahr bergen, dass die Friedhofskosten teurer werden. Es wird jedoch verkannt, dass es hier in allererster Linie um die Verstorbenen und deren Willen geht."
Wie wird die Bestattung von Sternenkindern geregelt?
Das neue Gesetz versucht auch das nahezu unmögliche: Dem Schmerz und der Trauer der Eltern von Sternenkindern empathisch zu begegnen. Sternenkinder sind kurz vor, während oder bald nach der Geburt gestorben. Eine der Neuerungen: Sterben Mutter und Kind bei der Geburt, können künftig beide gemeinsam bestattet werden.
Bei aller neuen Freiheit zur Gestaltung der eigenen Bestattung werden gleichzeitig diverse Schutzregeln eingeführt: Alle Vorgaben müssen in Schriftform erfolgen. Und um einen "Bestattungstourismus" zu verhindern, gilt die Wahlfreiheit bei den Bestattungsformen nur für Menschen, deren Hauptwohnsitz vor dem Tod in Rheinland-Pfalz gewesen ist.
1 Quelle: Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen e.V.
2 Quelle: Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas







2 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Alles was für den Menschen als gute Sache erlaubt sein müsste, wird von den Kirchen und der Kirchennahen Partei mit dem "C" im Logo verhindert, diese ständige Gängelei der
nur den Kirchen und den Politikern vermeintlich Nutzen bringt, dabei steckt dahinter nur
das Machtgehabe der beiden Kirche und Staat welche die Bürger damit entmündigt.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Sollte meine Frau vor mir gehen, werde ich selbstverständlich ihre Urne zu mir nehmen. Kein Dritter hat darüber zu befinden. Schon mal gebookmarked: urne-zuhaus.de