Der Ökonom Gustav A. Horn legt mit seinem Buch "Gegensteuern. Für eine neue Wirtschaftspolitik gegen rechts" als einer der wenigen Vertreter seiner Zunft etwas zum Thema vor. Darin wird mit leichter Hand die Entwicklung des Neoliberalismus beschrieben und kritisiert, ohne aber den Rechtspopulismus platt auf diese Wirtschaftspolitik zurückzuführen. Als Gegenstrategie wird "Keynes gegen Rechts" empfohlen.
Was kann man gegen den politischen Rechtsruck, der nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern auszumachen ist, unternehmen? Antworten auf diese Frage formulierten jüngst Philosophen und Politologen, Psychologen und Soziologen. Doch was meinen Ökonomen dazu? Eigentlich ist es nicht deren Thema, was wohl ein allgemeineres Schweigen aus dieser Zunft erklärt. Gleichwohl könnte man von dort auch Antworten erwarten. Einen Aufschlag aus dieser Richtung liegt jetzt vor. Er stammt von Gustav A. Horn, der als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen lehrt und ansonsten auch Vorsitzender der Keynes-Gesellschaft und Mitglied des SPD-Parteivorstands ist. Sein Buch heißt "Gegensteuern. Für eine neue Wirtschaftspolitik gegen Rechts". Der Autor fragt darin nach den Gründen, die den Rechtspopulismus erfolgreich gemacht haben. Er fragt aber auch danach, welche Wirtschaftspolitik dagegen wirken kann. Dies alles geschieht freihändig und verständlich, ohne oberflächlich und platt zu sein.
Am Beginn steht die Beobachtung, dass eben der Rechtspopulismus politisch immer relevanter wird. Der Autor schildert einschlägige Entwicklungen, wobei er aber die versprochene Definition zum "Rechtspopulismus" selbst nicht liefert. Ihm geht es um ein anderes Thema: die Entwicklung der Wirtschaftspolitik und der Kontext zum "Rechtsruck". Dabei setzt sich Horn auch mit den einschlägigen Interpretationen auseinander, welche entweder in kulturellen oder in ökonomischen Entwicklungen die zentralen Ursachen sehen. Berechtigt weist er darauf hin, dass das eine das andere nicht ausschließen muss. Er stellt indessen auf die Folgen des Neoliberalismus ab. Dies erklärt auch die langen Ausführungen zur ökonomischen Entwicklung in der westlichen Welt, wo in der Forschung wie in der Politik eine keynesianische von einer neoliberalen Wirtschaftspolitik abgelöst wurde. Mitunter wirkt manches etwas pauschal, wenn von "den Neoliberalen" und "dem Neoliberalismus" als abstrakt Verantwortlichen gesprochen wird.
Diese Deutung des Rechtspopulismus ist nicht neu. Horn geht aber einen entscheidenden Schritt weiter. Während die meisten anderen Autoren dies als einen nahezu automatischen Prozess erscheinen lassen, erläutert der Autor, warum die politischen Folgen nicht der Linken, sondern der Rechten zugute kamen. Erstere hätten sich unglaubwürdig gemacht, weil sie dem neoliberalen Zeitgeist nachgegeben hätten und das rechtsautoritäre Schutzversprechen erfolgreicher gewirkt habe. Dies ist sicherlich eine nur begrenzte und keine umfassende Erklärung, gleichwohl gehört Horn zu denjenigen Wissenschaftlern, die diese Fragestellung stärker thematisieren. Und danach entwickelt er die Grundzüge einer "Wirtschaftspolitik gegen Rechts", wobei hier die Bestandteile eines solchen Vorgehens allgemein skizziert werden. Da der Autor hier nicht als Politiker, sondern als Wissenschaftler schreibt, ist es sicherlich legitim, sie in dieser Form von Grundprinzipien und Problemskizzen so zu belassen. Manchmal hätte man es sich aber schon konkreter gewünscht.
Es wird darauf abgestellt, den bei vielen Bürgern empfundenen Kontrollverlust ebenso wie die Macht von Marktprinzipien zu überwinden. Die Digitalisierung müsse verstärkt, ein ökologischer und sozialer Strukturwandel vorangetrieben und mehr soziale Gerechtigkeit zur Überwindung sozialer Ungleichheit umgesetzt werden. Dies klingt ein wenig nach den beliebten Elementen einer schönen Wunschliste. Gleichwohl macht ein damit einhergehender Einwand, der insbesondere nach der Umsetzung fragt, solche Forderungen und Positionen nicht falsch. Hier hätte man sich vielleicht noch Ausführungen des auch politisch aktiven Ökonomen gewünscht. Horn erinnert gleichwohl daran, dass Politik auch gestalterisch und nicht nur verwalterisch sein kann. Er behauptet entgegen eines möglicherweise aufkommenden falschen Eindrucks nicht, dass der Neoliberalismus allein für den Rechtspopulismus verantwortlich sei. Indessen wären Analysen zu den anderen Faktoren noch wünschenswert gewesen. Denn ob "Mit Keynes gegen Rechts" allein reicht?
Gustav A. Horn, Gegensteuern. Für eine neue Wirtschaftspolitik gegen Rechts, Berlin 2020 (Ch. Links-Verlag), 239 S., 20,00 Euro
1 Kommentar
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Als Bürgerrechts-Liberaler und FDP-Mitglied sehe ich das differenzierter.
Rein psychologisch sucht der Mensch in gefühlten Gefährdungssituationen den Schutz einer Gruppe mit starkem Führer. Der starke Führer dient dabei der eigenen Feigheit und Entscheidungsangst zur Kompensation. Daher profitiert "rechts", was ich mit "autoritär" gleichsetze, immer von echten oder gefühlten Gefährdungen.
Je stärker das Gefühl der Sicherheit verbreitet ist, desto liberaler verhalten sich die Menschen. Warum nicht auch andere Lebensweisen zulassen, es kann einem ja nichts passieren...
Die politisch und wirtschaftlich gewollte Globalisierung hat Unsicherheiten geschaffen. Der Kontrollverlust war unter der Bezeichnung "Deregulierung" politisch gewollt. Für viele hatte das Arbeitsplatzverluste und Vermögensverluste (Finanzcrashs) zur Folge.
Das Dümmste aus meiner Sicht, was die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft jetzt machen können, ist hysterisch zu werden. Das ganze ist ein Regelkreis, und Regelkreise schwingen nunmal, wie jeder Techniker weiß. Aus Techniker-Sicht täte dem System ein wenig Dämpfung gut, damit sich die Schwingungen nicht aufschaukeln.
Massig Geld in das System pumpen wirkt nicht dämpfend.
Panikmache wegen des "Rechtsrucks" wirkt auch nicht dämpfend.
Mehr einfühlsames psychologisches Verständnis für das "Tierchen Mensch" auf allen Ebenen wäre hilfreicher. Erkennt das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit an und macht sie gleichzeitig mental stark, mit den unvermeidlichen Unsicherheiten des Lebens vernünftig gestaltend umzugehen.
Wie kann dem echten/gefühlten Kontrollverlust begegnet werden? Als Liberaler empfehle ich den Trick der "Gewaltenteilung" bzw. "Machtteilung" auf alle Bereiche des Lebens auszuweiten:
- keine übergroßen Konzerne
- keine übergroßen, unkontrollierbaren internationalen Institutionen
- keine übermächtigen (weil überreichen) Privatpersonen
- keine übergroßen "Datenkraken"
u.s.w.
Freiheit und Sicherheit für die Bürger sind gleichzeitig erreichbar, wenn Macht in allen ihren Varianten konsequent aufgeteilt wird, kombiniert mit einer pragmatischen, unideologischen (natürlich auch unreligiösen) Regierung.