Welche Rolle spielt Russland?

Koran-Verbrennung stellt Schwedens Nato-Beitritt infrage

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Stockholm, Schweden
Stockholm

Die Verbrennung eines Korans auf einer antitürkischen Demonstration in Stockholm im Januar hat den Konflikt zwischen Schweden und der Türkei weiter angeheizt und stellt den geplanten NATO-Beitritt des Landes infrage. Inzwischen wurde bekannt, dass die Initiatoren gute Kontakte nach Russland haben.

Als Reaktion auf den Vorfall sagte die Türkei einen für den 27. Januar geplanten Besuch des schwedischen Verteidigungsministers Pal Jonson ab. Nach den Worten seines türkischen Amtskollegen Hulusi Akar habe der Besuch seine "Wichtigkeit und Bedeutung verloren".

Die Affäre markiert einen schweren Rückschlag für Schwedens Weg in die NATO. Das Land hatte im vergangenen Mai, zeitgleich mit Finnland, einen Aufnahmeantrag in das Verteidigungsbündnis gestellt, Auslöser war Russlands Überfall auf die Ukraine. Jedoch wird das Beitrittsgesuch von der türkischen Regierung blockiert. Ankara fordert von Schweden die Auslieferung von 120 Personen, die in der Türkei als "Terroristen" gelten, darunter Regierungskritiker und Bürgerrechtler.

Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat nach der Koranverbrennung sein Veto gegen den Beitritt erneut bekräftigt. "Wer eine solche Blasphemie vor den Toren unserer Botschaft zulässt, kann von uns keine Unterstützung für den NATO-Beitritt erwarten", wird er im britischen Guardian zitiert. Für die Aufnahme ist die Zustimmung aller Mitgliedsländer erforderlich. Außer der Türkei hat nur Ungarn die Aufnahme noch nicht ratifiziert, das Parlament will im Februar entscheiden.

Sicher ist, dass die Affäre der türkischen Regierung in die Hände spielt. Sie liefert Ankara einen weiteren Anlass, die NATO-Aufnahme Schwedens zu blockieren – zum Vorteil Russlands. Und die Initiatoren der Kundgebung verfügen über gute Kontakte nach Russland: Wie kürzlich bekannt wurde, hat nicht der Rechtsextremist Rasmus Paludan die Demonstration angemeldet, sondern der Journalist Chang Frick, früherer Mitarbeiter des russischen Senders RT. Nach Fricks Aussage gegenüber der Zeit habe er, angeregt durch einen Karikaturenwettbewerb, eine Demonstration gegen den Einfluss der Türkei auf Schwedens Politik organisiert, wollte die Kundgebung jedoch nicht selbst organisieren. Auf eine Empfehlung hin habe er diese Aufgabe an Paludan übertragen – die Verantwortung für die Koranverbrennung weist Frick jedoch von sich. Paludan hingegen behauptet gegenüber dem russlandkritischen Magazin The Insider, er sei von einigen Schweden gebeten worden, den Koran zu verbrennen.

Ob und inwieweit der Kreml hier seine Hände im Spiel hat, ist indes unklar. Die Zeit zitiert hierzu Mark Gelotti vom University College London, Fachmann für russische Sicherheitspolitik. Dieser hält es zwar für unwahrscheinlich, dass die schwedischen Initiatoren der Demo im direkten Auftrag des Kremls gehandelt hätten. Die Aktion wertet er als ein "Ergebnis von Russlands Bemühungen, Strukturen in Westeuropa zu schaffen, die Unruhe stiften und spalten".

Tatsächlich werde laut dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto wegen "bestimmter Verbindungen" Paludans ermittelt, "ob eine dritte Partei, zum Beispiel Russland, versucht, Zwietracht zu stiften und zu provozieren". Gegenüber dem Fernsehsender YLE erklärte er, es gebe "innerhalb und außerhalb Schwedens Kräfte, die einen Beitritt zur NATO verhindern wollen". Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) wertet den Vorfall als "Beispiel hybrider Kriegsführung". Freiheitsrechte demokratischer Staaten wie das Demonstrationsrecht würden dabei gezielt ausgenutzt, so Kiesewetter.

Die Koranverbrennung ist das jüngte Beispiel in einer ganzen Reihe von Provokationen. So hatte Rasmus Paludan, Chef der Partei "Stram Kurs" ("Straffer Kurs"), bereits zuvor auf Kundgebungen in Schweden Koran-Exemplare verbrennen lassen. Zudem hatten im Januar Aktivisten in Stockholm bei einer Protestaktion eine Puppe mit den Zügen des türkischen Präsidenten Erdoğan an den Füßen aufgehängt. Daraufhin hatte die türkische Regierung den Botschafter einbestellt und einen Besuch des schwedischen Parlamentspräsidenten abgesagt.

Die schwedische Staatsanwaltschaft will vorerst nicht wegen der Erdoğan-Puppe ermitteln. Staatsanwalt Lucas Eriksson sagte gegenüber der Zeitung Aftonbladet, er denke nicht, dass es sich um einen Fall von Verleumdung handeln könne. Auch die Koranvebrennung ist nach schwedischem Recht im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt, selbst wenn die Regierung die Aktion verurteilt und der Außenminister des Landes von einer "abscheulichen Tat" sprach.

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