Der YouTube-Kanal "Clownswelt" war eine Zeit lang in aller Munde. Zumindest in der Welt der deutschsprachigen Meinungs-YouTuber. Nun hat sich auch das Portal für Medienkritik Übermedien zu dem YouTuber zu Wort gemeldet und getitelt: "'Clownswelt' verbreitet keine Fake News – und manipuliert sein Publikum trotzdem". Das in dem Beitrag beworbene Video des Journalisten Mats Schönauer versetzt nun die deutschsprachige Meinungs-YouTuber-Szene erneut in Wallungen, dabei greift seine Kritik zu kurz.
Will man die Causa "Clownswelt" verstehen, so muss man ein bisschen ausholen. Der YouTuber Marc-Philipp Längert, der unter dem Pseudonym "Clownswelt" bekannt ist, erschien 2021 während der Corona-Zeit auf YouTube und fiel schnell durch professionell produzierte Videos auf und erlangte damit bald eine Followerschaft von mehr als 100.000 Abonnenten. Stand heute kommt er auf 499.000 Follower. Wer nun glaubt, weil er oder sie noch nie von diesem Kanal gehört hat, sei dieser unbedeutend, der möge sich vergegenwärtigen, dass die verkaufte Auflage der Süddeutschen Zeitung aktuell circa 250.000 beträgt. Der Kanal verfügt also über eine enorme Reichweite.
Einen beträchtlichen Teil dieser Reichweite verdankt "Clownswelt" ironischerweise dem ZDF-Komiker Jan Böhmermann, der diesen im Mai in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" mit dem Titel "Willkommen im Mainstream" ausführlich behandelte und ihn so weit kenntlich machte, dass sich dieser einfach über Google identifizieren ließ und ihn so aus seiner bisherigen Anonymität holte. Schnell war im Netz von Doxxing, also dem Veröffentlichen personenbezogener Daten die Rede. Laut Übermedien könnte die Frage, ob dies rechtens war, noch Gerichte beschäftigen. Inzwischen steht der volle Name im Impressum seines YouTube-Kanals.
Egal ob rechtens oder nicht, so war es aus Sicht Böhmermanns auf jeden Fall ein Eigentor. In Internet und Sozialen Medien erlebte der YouTuber eine enorme Welle der Solidarität und konnte dank dieser seine Followerzahl um viele hunderttausende Abonnements steigern. Es dürfte sich um den größten Zuwachs an Abonnements innerhalb weniger Tage gehandelt haben, den das deutschsprachige YouTube jemals erlebt hat. Die Forscher vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena sprechen in solchen Fällen vom Flugsandeffekt, weil, vergleichbar mit Flugsand, durch die Aufmerksamkeit mögliche Abonnenten angeweht werden und einige davon hängen bleiben. In diesem Fall nicht nur einige, sondern sehr viele. Die Sendung von Böhmermann wurde von vielen kritischen Stimmen verurteilt, darunter auch der Journalist Mats Schönauer, Betreiber des YouTube-Kanals "Topfvollgold" und ehemaliger Leiter des BILDblog, der Böhmermanns Sendung ein ausführliches Video widmete.
Eine Stoßrichtung der Kritik war neben dem bereits angesprochenen Flugsandeffekt auch die Tatsache, dass der Fokus auf die Enthüllung der Person Marc-Philipp Längerts die inhaltliche Kritik zu kurz kommen ließ und man am Ende eigentlich nicht wusste, was "Clownswelt" so gefährlich mache, oder wie es in einem Text der Journalistin Lisa Kräher heißt: "Auch das 'ZDF Magazin' tut sich schwer damit, inhaltlich zu belegen, warum 'Clownswelt', wie Jan Böhmermann es nennt, 'rechtsextreme Scheiße' sei." Dies liege auch daran, dass die "Inhalte des 'politischen Vorfelds' der AfD […] oft nicht eindeutig als extremistisch zu klassifizieren [seien]." Der Frage, ob "Clownswelt" denn vom Verfassungsschutz als "rechtsextremistisch" klassifiziert werde, ging dann ausgerechnet das rechtspopulistische Nius nach und erhielt dazu folgende Aussage: "'Clownswelt' z. B. ist derzeit kein Beobachtungsobjekt des Niedersächsischen Verfassungsschutzes. Nach einer aktuellen Einschätzung des zuständigen Fachbereiches handelt es sich dabei um eine rechtspopulistische Plattform, die Ansätze neurechten Denkens aufweist."
"Clownswelt" inhaltlich betrachtet
Man kann es nun so sehen, dass dieses Denken aufzuzeigen der Job von Böhmermann und dessen Redaktion gewesen wäre. So sah es scheinbar auch Schönauer und erstellte nach dem Video, das sich mit der Behandlung von "Clownswelt" durch Jan Böhmermann beschäftigte, ein weiteres Video, das sich mit den Inhalten von "Clownswelt" befasste. Dazu sichtete der Journalist nach eigenen Angaben über 500 Videos des Kanals. Im Anriss zu dem Video mit Titel "So arbeitet Clownswelt wirklich" heißt es von Schönauer: "In diesem Video enthülle ich das, was Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royale nicht beantworten wollte/konnte: Ist der rechte YouTuber Clownswelt wirklich so gefährlich?"
In dem Video kommt Schönauer zu dem Fazit, dass "Clownswelt" eben nicht dadurch auffällt, dass er Fake News verbreitet, auch wenn dem YouTuber natürlich auch der ein oder andere Fehler unterläuft. Aber das gezielte Verbreiten von Falschnachrichten ist nicht das Geschäft von "Clownswelt" oder wie Schönauer sagt: "Kontroverse Meinungen findet man sofort. Falsche Tatsachenbehauptungen, nicht so schnell." Schönauer beschreibt die Positionen von "Clownswelt" wie folgt: "Strikte Migrationspolitik, mehr Abschiebungen, traditionelle Werte und für eine Abschaffung des ÖRR." Und weil das Internet inzwischen der Diskursraum ist, der er eben ist, hat Längert natürlich nicht nur mitbekommen, dass dieses Video über ihn veröffentlicht wurde, er hat auch ein Antwortvideo produziert und auf die Einordnung durch Schönauer reagiert. Dort gibt er zu Protokoll, dass er sich zumindest "an diesem Punkt [...] noch nicht missrepräsentiert fühlt".
Konkret wirft Schönauer "Clownswelt" vor, einseitig zu sein und durch diese Einseitigkeit seine Zuschauer zu manipulieren, sowie zum Hass anzustacheln, was er durch Kommentare unter "Clownswelt"-Videos nachzuweisen sucht. Interessant ist nun, wie Längert auf diese Vorwürfe reagiert. Er bestreitet den ersten Punkt nämlich gar nicht und verweist darauf, dass er eben Meinungs-YouTuber und nicht zur Ausgewogenheit verpflichtet sei, wie etwa der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, den er kritisiert. Er sei eben ein "Rechter", der sich "über Linke lustig" mache und "linke Politiker" kritisiere, wobei interessant wäre zu erfahren, wo für ihn das "linke" Spektrum beginnt. Überhaupt habe er sich "nie auf die Fahne geschrieben [...] neutral, objektiv und ausgeglichen zu sein". Damit ist Schönauers Vorwurf zwar nicht widerlegt, denn natürlich verzerrt "Clownswelt" mit seiner einseitigen Darstellung die Weltsicht seiner Zuschauer und ist in diesem Sinne manipulativ, aber es ist eine Art der Manipulation, mit der dieser gut leben kann und – so steht zu vermuten – vermutlich auch viele seiner Zuschauer.
Man spricht hier vom Verfügbarkeitsfehler, einer kognitiven Verzerrung, bei der die tatsächliche Häufigkeit eines Ereignisses dann überschätzt wird, wenn man sich leicht an konkrete Beispiele erinnern kann. Berichten also Medien – und dazu seien in diesem Fall explizit auch YouTuber gezählt – häufig über bestimmte Ereignisse, zum Beispiel Gewalt durch Migranten, dann überschätzen deren Zuschauer leicht die tatsächliche Anzahl dieser Vorkommnisse. Besonders eindrücklich zeigte sich dieser Effekt zu Zeiten der Black Lives Matter-Proteste in den USA, als progressive US-Amerikaner die tatsächlichen Gewalttaten gegenüber schwarzen US-Bürgern durch die Polizei zu einem erheblichen Anteil um einen Faktor von 1.000 überschätzten.
Ein unschönes Störgefühl bleibt
Ebenso interessant ist auch die Reaktion auf den zweiten Vorwurf. Denn Längert weist zurecht darauf hin, dass für Kommentare natürlich zunächst einmal derjenige verantwortlich ist, der sie schreibt und nicht derjenige, unter dessen Videos sie abgegeben werden. Auch wäre nicht bekannt, dass in "Clownswelt"-Videos zu Gewalt aufgerufen oder offen Hass gepredigt worden wäre. Vielmehr zieht "Clownswelt" scheinbar diejenigen an, die eh schon eine gehörige Portion Wut im Bauch haben und diese dann unter seinen Videos rauslassen. Und somit bleibt auch nach dem Anschauen des Videos von "Topfvollgold" ein unschönes Störgefühl. Oder wie ein anonymer User auf X unter dem Post von Übermedien, in dem das Video beworben wurde, schrieb: "Nach dem Video denkt man doch Clownswelt ist [ein] ÖRR Kritiker mit Doppelstandards und [ein] paar komischen Kommentaren unter seinen Videos. Tolle Message." Denn, es wird Ihnen schon aufgefallen sein, werte Leser, die Frage, die "Böhmermann nicht beantworten wollte/konnte" ist immer noch nicht beantwortet.
Wir haben einen Jan Böhmermann, der ohne inhaltliche Belege von "rechtsextremer Scheiße" spricht und eine Einordnung vom Verfassungsschutz als "rechtspopulistische Plattform" mit "Ansätzen neurechten Denkens" ohne, dass wir dafür bisher Belege gesehen hätten. Auch im Video von "Topfvollgold" wurden diese nicht nachgeliefert. Der Grund dafür könnte sein, dass Mats Schönauer in seinem Video sagt: "Mir geht's auf diesem Kanal nicht darum, Meinungen zu kritisieren, sondern Falschbehauptungen und manipulative Methoden aufzuzeigen." Das darf er natürlich, und wenn das sein Anliegen war, dann ist dieses zu großen Teilen geglückt. Um aber zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um "rechtsextremistisches" Gedankengut handelt, muss man die Meinungen anschauen und kritisieren. Denn das ist politisches Gedankengut auf einer basalen Ebene: eine politische Meinung.
Ich weiß schon, was "Clownswelt" darauf antworten würde. Nämlich, dass er dann ja wegen seiner unliebsamen Meinung kritisiert würde. Worauf die einzige sinnvolle Antwort ist: "Natürlich Marc-Philipp, natürlich." Denn auch wenn Meinungsfreiheit herrscht und "Clownswelt" seine Meinung haben und äußern darf, so heißt das nicht, dass er auch ein Recht darauf hätte, nicht deswegen kritisiert zu werden. Wer Meinungen in den öffentlichen Raum stellt, der gibt diese damit auch zur Kritik frei. Und das werde ich nun im letzten Teil dieses Artikels probieren: die Meinungen, die "Clownswelt" vertritt, deutlich darzustellen und zu kritisieren.
Wer Meinungen in den öffentlichen Raum stellt, der gibt diese damit auch zur Kritik frei
Dass sich Marc-Philipp Längert im rechten Spektrum verortet, das wissen wir, weil er es selbst in seiner Reaktion auf das Video von Mats Schönauer so gesagt hat und von sich selbst als "Rechtem" spricht. Die Frage, die sich aber weiterhin stellt ist: wie weit rechts? Handelt es sich einfach um einen sehr konservativen YouTuber, der das System der Bundesrepublik aber nicht grundsätzlich in Frage stellt? Oder haben wir es mit einem Rechtsradikalen zu tun, der systemstürzlerisch das Problem an der Wurzel (lat. radix) angehen möchte? Oder handelt es sich gar wie von Böhmermann dargestellt um einen Extremisten? Wie bereits erwähnt, wird sich diese Frage nur in der Auseinandersetzung mit seiner politischen Einstellung, also seiner Meinung, klären lassen.
Die Aussage, die AfD solle "hoch gehen", damit "viele Leute abgeschoben werden" ist bereits viel zitiert worden und dass "Clownswelt" zum sogenannten AfD-Vorfeld gezählt werden kann, wird er vermutlich auch nicht bestreiten. Es ist auch keine Überraschung, dass er ausgerechnet bei der AfD-nahen Jungen Freiheit (über die Alexander Gauland mal gesagt hatte, wer die AfD verstehen wolle, müsse Junge Freiheit lesen) zum ersten Mal in einem Interview sein Gesicht zeigte. Nun kann man es sich einfach machen und darauf verweisen, dass die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" (Einschätzung ruht) eingestuft wurde. Das wird aber viele Leute nicht zufriedenstellen. Die Frage bleibt: was hat er selbst denn nun konkret getan oder gesagt?
In einem Video mit dem Titel "Felix und das Vaterland" spricht er von "Patriotismus, also althergebrachtes, Traditionen, Werte und eben auch die Zusammensetzung des Staatsvolkes bewahrende". "Clownswelt" bringt hier in der Diktion und vom Thema her also seinen Patriotismus in Verbindung mit der Frage nach dem Staatsvolk und dessen Zusammensetzung. Dieses Thema wird in der Neuen Rechten nach einem Streit zwischen Krah und Kubitschek gerade viel diskutiert (der hpd berichtete) und in seiner Entscheidung zum Compact-Verbotsfall (der hpd berichtete) urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine "demütigende Ungleichbehandlung" mit der Menschenwürde unvereinbar und diese im "Remigrations"-Konzept von Martin Sellner gegeben sei.
An anderer Stelle spricht Längert von einer "werteverfallenen Gesellschaft", was dem typischen Topos der "dekadenten Gesellschaft" entspricht, wie er am rechten Rand immer wieder zu hören ist, oder stimmt seinem Gast "Critical Cat" zu, wenn diese die Sendung "KLAR" von Julia Ruhs als "mitte-konservativ" und "kein rechtes Thema" bezeichnet, womit klar wird, dass "rechts" in seinen Augen eben rechts von konservativ steht.1 Dort ist auch die Rede von "Remigration", "der Identität der Deutschen" und "der Demographie der Deutschen". Alles Hinweise, dass sein Denken um Konzepte und Begriffe kreist, die in der Identitären Bewegung und der Neuen Rechten vertreten werden, beides gesichert rechtsextremistische Bestrebungen. Dort will man bekanntlich einen "Regime Change von rechts", so der Titel eines Buches von Martin Sellner. Dieser "Regime Change" ist aber eben mehr als ein reiner Regierungswechsel und somit liegt die Vermutung nahe, dass es sich eben doch um einen umstürzlerischen Rechten, also einen Rechtsradikalen handelt.
Es bleibt aber bei den Vermutungen und Hinweisen, weil diese Themen nicht "Clownswelts" Kerngeschäft bilden, das in der Verächtlichmachung des politischen Gegners liegt. ("Rechter, der Linke kritisiert.") Als solches muss er diese Gedanken nicht weiter ausführen und kann damit entsprechend im Vagen bleiben. Final und gewissermaßen "rechtssicher" könnte man ihn nur überführen, wenn er sich affirmativ zu diesen Themen äußern würde, wozu es leider aus seiner Sicht keinen Anlass gibt. Bis er das tut, bildet er die perfekte Brückenfunktion, die Menschen aus dem konservativen Spektrum abholt und mit Begriffen und Topoi der radikalen Rechten in Kontakt bringt.
Hinweis der Redaktion: Der Text wurde am 22. August 2025 ergänzt.
1 Es handelt sich um die Folge "Dara ZERSTÖRT die neue Migrationsdoku vom ÖRR – Wir reagieren" mit Gast Katharina Schmieder aka "Critical Cat"







3 Kommentare
Kommentare
PJ am Permanenter Link
Das Video von TopvollGold wurde u.a. auch von Matthias Narr analysiert.
Auch er kommt zum Schluss, dass Clownswelt zwar problematische Inhalte hat, aber im Großen und Ganzen sauber arbeitet.
M.Narr (Noch mehr BS): https://www.youtube.com/watch?v=ykN9s8YoIDI
Dieter Machmeier am Permanenter Link
Die Anzahl der Follower sagt nur bedingt etwas über die Reichweite aus. Der Vergleich mit der Auflagenzahl einer Tageszeitung hinkt sehr stark.
Ein Kanal mit einem Bruchteil der Followeranzahl könnte täglich 2-3 Videos hochladen und somit eine wesentlich größere Reichweite haben.
Nur so als Klugscheißeranmerkung.
Martin am Permanenter Link
Vielen Dank für einen insgesamt unaufgeregten, faktenbasierten und nachvollziehbaren Beitrag. Dieses Beispiel darf gerne noch ein bisschen mehr Schule machen (auch hier ;) ).