Der Ethnologe Christoph Antweiler legt mit "Heimat Mensch. Eine populäre Ethnologie" eine populärwissenschaftliche Einführung zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Kulturen der Welt vor. Dabei beschränkt er sich zwar weitgehend auf entsprechende Feststellungen, ohne genauer nach Konsequenzen oder Ursachen zu fragen, lädt aber mit seinem kulturübergreifenden Blick zu entsprechenden Reflexionen ein.
Gibt es angesichts diverser Kulturen mehr Gemeinsamkeiten bei Menschen oder doch mehr Unterschiede? Diese Frage ist nicht nur aus akademischen, sondern auch aus gesellschaftspolitischen Gründen von hohem Interesse. Sie durchzieht auch das Buch "Heimat Mensch. Eine populäre Ethnologie", das Christoph Antweiler jetzt als erweiterte Neuausgabe vorgelegt hat. Der Autor ist habilitierter Ethnologe und lehrt als Professor an der Universität Bonn. Von ihm stammt auch das Buch "Was ist den Menschen gemeinsam? Über Kultur und Kulturen" (Darmstadt 2012), das als eine Art wissenschaftliche Vorarbeit verstanden werden kann. Denn Antweiler will seine Forschungsergebnisse auch breiter bekannt machen, was eben eine Popularisierung von Wissenschaft bedeutet. Diese Absicht mündete auch in dem Buch "Heimat Mensch". Es will einen ethnologischen Blick auf die international existenten Kulturen werfen, um diesbezügliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ermitteln. Dies geschieht in anschaulicher Darstellung und lockerer Schreibe.
Warum der Ansatz und die Fragestellung so interessant sind, erklärt der Autor mit folgender Feststellung: "Der eigentliche Reichtum kultureller Unterschiede wird erst klar, wenn man das Gemeinsame sieht. Erst der weltweit vergleichende Blick zeigt neben der uferlosen Vielfalt die großen gemeinsamen Linien: die menschliche Einheit im Meer kultureller Unterschiede" (S. 15). Antweiler geht es nicht um Multikulti-Romantik, sondern eben um die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten von Kulturen. Gleichwohl betont er dabei nicht wie häufig üblich die bestehenden Kontraste, sondern auch die mitunter erstaunlichen Übereinstimmungen. Der Autor nimmt die Leser dabei mit auf eine Reise, die sie in die verschiedensten Gegenden der Welt führt. Er berichtet von eigenen Erlebnissen, referiert aber auch Forschungsergebnisse und korrigiert viele Klischees. Die gewählten Beispiele irritieren mitunter, liefern aber auch interessante Erkenntnisse: Das gilt etwa für die Ausführungen zu Barbie-Puppen etwa auch in islamisch geprägten Ländern.
Um einen Eindruck vom Inhalt der Monographie zu bekommen, seien hier die einzelnen Kapitel mit ihren Themenkomplexen genannt: Da geht es um Denkweisen und Kommunikation, Gefühle und Rituale, Gewaltverherrlichung und Konfliktvermeidung, Körpersprache und Sitzordnung, Moral und Sex, Spiel und Sport. Nebenher werden auch kursierende Bilder gerade gerückt, etwa die zur Gleichheit in "einfachen" Kulturen. Antweiler bemerkt dazu: "Es gibt zwar weltweit sogenannte egalitäre Kulturen, aber eben nur sehr wenige. Und in diesen wird zumindest zwischen Frauen und Männern sowie Jungen und Alten klar unterschieden. Meist haben die Männer das Sagen und die Alten werden in besonderer Weise respektiert" (S. 22 f.). Oder es heißt als indirekte Anmerkung zu innenpolitischen Debatten: "Kulturelle Vielfalt in einer Gesellschaft ist nicht automatisch ein Konfliktfaktor. Ebenso wenig wie bestehende Stereotype über fremde Gruppen" (S. 98). Solche Differenzierungen können in Kontroversen zu großer Versachlichung führen.
Bilanzierend hat man es mit einer gelungenen Einführung zu tun, was mit "Eine populäre Ethnologie" in einem treffenden Untertitel verdeutlicht wird. Im Anhang finden sich auch ausführliche Literaturempfehlungen. Man darf aber berechtigt oder unberechtigt nicht umfassende Antworten von der Monographie erwarten, beschränkt sich Antweiler doch weitgehend auf die Feststellung eben von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Dabei erhält man erste Anregungen und Informationen zu den genannten Teilbereichen. Mitunter wären auch für eine Einführung hier noch genauere Erläuterungen interessant gewesen, was etwa für das doch sehr kurz gehaltene Kapitel zu den Religionen gilt. Gleichwohl darf man hierbei die eigentliche Absicht des Autors nicht verkennen, versteht sich sein Buch doch als eine Einladung in eine solche Ethnologie. Gerade der Blick auf kulturübergreifende Gemeinsamkeiten in der Menschheit, wozu auch die im Buch nicht dezidiert beleuchteten Menschenrechte zählen, vermittelt für die Gestaltung der Weltpolitik wichtiges Wissen.
Christoph Antweiler, Heimat Mensch. Eine populäre Ethnologie, Aschaffenburg 2022, Alibri-Verlag, 315 Seiten, 20,00 Euro
Siehe dazu auch das hpd-Interview mit Christoph Antweiler: "Kultur ist mehr als Differenz"