Landtagswahl in Bayern: "Kein Kreuz für Söder!"

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"Der Söderling" in München auf dem Stachus
"Der Söderling" in München auf dem Stachus

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"Der Söderling" in Würzburg
"Der Söderling" in Würzburg

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Die Situation während des Rosenkranzgebetes auf dem Marienplatz (München)
Die Situation während des Rosenkranzgebetes auf dem Marienplatz (München)

In den Tagen vor der Wahl tourte die Söder-Karikatur, die anlässlich des Inkrafttretens der Kreuz-Pflicht in Bayern entstand, durch vier bayerische Städte – mit ganz unterschiedlichen Reaktionen. Ob mit oder ohne "Söderling": Die CSU hat beim Urnengang deutliche Verluste hinnehmen müssen und die Karten im Machtgefüge wurden neu gemischt. Säkulare Positionen werden es aber auch weiterhin schwer haben.

Bayern hat gewählt. Und das Ergebnis krempelt die politische Landschaft komplett um: Bündnis 90/Die Grünen kann sich über eine historische Stimmverdopplung auf 17,5 Prozent freuen und zieht als zweitstärkste Kraft in den Landtag ein. Bei der SPD passierte genau das Gegenteil: Sie landeten sogar knapp unter zehn Prozent. Sogar die die AfD hat mehr Stimmen erhalten und ist jetzt in einem weiteren Landesparlament vertreten. Mehr als diese beiden schafften es mit über 11 Prozent die Freien Wähler, die FDP kämpfte sich mühsam über die Fünf-Prozent-Hürde. Die CSU, die auch gerne mal mit dem Bundesland gleichgesetzt wird, muss eine krachende Niederlage hinnehmen: Das schlechteste Wahlergebnis seit 68 Jahren mit nur noch gut 37 Prozent – mehr als 10 Prozentpunkte weniger als bei der letzten bayerischen Landtagswahl. Maßgeblich dazu beigetragen haben dürften der ehemalige Ministerpräsident und jetzige Bundesinnenminister Horst Seehofer und der aktuelle Chef des Freistaats, Markus Söder. Dessen Zufriedenheitswerte sind mit 31 Prozent so schlecht wie bei keinem anderen Ministerpräsidenten in Deutschland. Auch seine klar wahlkampftaktische Anordnung, dass in allen bayerischen Behörden ab dem 1. Juni Kreuze zu hängen haben, scheint seine Popularität nicht verbessert zu haben.

In den Tagen vor der Wahl erinnerte das Aktionsteam 11. Gebot mit seiner von Jacques Tilly gezeichneten Söder-Karikatur unter dem auf Plakaten verkündeten Motto "Kein Kreuz für Söder!" noch einmal an diesen fragwürdigen Erlass. Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München und Bayern halten ihn für einen Verstoß gegen die laut Grundgesetz gebotene weltanschauliche Neutralität des Staates. In vier Städten machte der "Söder-Wagen" halt, am Mittwoch in Nürnberg, tags darauf in Würzburg, am Freitag in Augsburg und am Tag vor der Wahl in München. Zuvor war die Karikatur auch bei der Pressekonferenz des bfg München zugegen, bei der er seine eingereichte Klage gegen die Kreuz-Pflicht vorstellte, sowie bei der #Bayernbleibtbunt-Demo in Regensburg, die auch vom dortigen bfg unterstützt wurde. "Premiere" war am Tag des Inkrafttretens vor viereinhalb Monaten auf dem Münchner Marienplatz.

Nürnberg – immerhin Söders Heimatstadt – zeigte sich vollkommen desinteressiert. Bis auf vereinzelte Ausnahmen, teilweise Menschen von außerhalb, blieb kaum einer der wenigen Passanten stehen, um sich nach den Anliegen der Demonstranten zu erkundigen oder sich Infomaterialien mitzunehmen, geschweige denn ins Gespräch zu kommen. Erstaunlich die Sorge des Ordnungsamtes, dort sei angesichts der Stände auf dem weitläufigen Hauptmarkt kein Platz, die sich als gänzlich unbegründet herausstellte. Kontrolliert wurde dann aber auch nicht.

Ganz anders die Situation in Würzburg: Kaum auf dem Unteren Markt aufgebaut, verursachte "der Söderling" die erste Beschimpfung: "Ihr seid doch bekloppt!" – es sollte nicht die letzte sein. Immer wieder empörten sich die Würzburger, wo Bayern denn wäre ohne die CSU, ohne Kreuz gebe es kein Deutschland mehr, die Demonstranten würden manipulieren und seien schuld, "wenn der Islam in zwei Generationen das Land übernommen hat". Andere, vor allem auch junge Leute, begrüßten die Aktion dagegen. Die Studenten, die ihren ersten Uni-Tag mit einer feucht-fröhlichen Stadtrallye begingen, verirrten sich allerdings nur selten zum am Grundgesetz sägenden Söder.

In Augsburg hatte das 11. Gebot in der Vergangenheit immer wieder mit Versammlungsverboten zu kämpfen. Diesmal aber durfte der Wagen mit der Karikatur des bayerischen Ministerpräsidenten fast ohne Einschränkungen und ohne Genehmigungsüberprüfung auf dem Rathausplatz stehen. Zustimmung und Ablehnung hielten sich die Waage, so emotionale Reaktionen wie in Würzburg gab es nicht. Am Abend fand die Schlusskundgebung einer #Ausgehetzt-Demo auf dem Augsburger Rathausplatz statt, was einen Sturm auf die ausgelegten Infomaterialien auslöste.

Am letzten Tag der Tour in München konnte die angemeldete Versammlung nicht wie geplant auf dem Marienplatz stattfinden. Begründung: Dort fand am Abend ein Rosenkranzgebet statt, um an die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 zu erinnern, "bei der die christlichen Mittelmeermächte überraschend über das Osmanische Reich siegten" – mit anderen Worten: an den Sieg des Christentums über den Islam. Wegen einer winzigen Bühne in der Mitte und einer dreiviertelstündigen Kundgebung des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) am Rande des großen Platzes, durfte der Söder-Wagen trotz genügend vorhandenem Raum ganztägig nicht vor das Münchner Rathaus. Der Ausweichplatz auf dem Stachus war allerdings nicht weniger belebt. Bis zum Abend erfreute sich die Aktion gegen den Kreuz-Zwang regen Interesses.

Die kleine Bühne, wegen der "der Söderling" nicht auf dem Marienplatz aufgestellt werden durfte. Foto: © Gisa Bodenstein
Die kleine Bühne, wegen der "der Söderling" nicht auf dem Marienplatz aufgestellt werden durfte. Foto: © Gisa Bodenstein

Manche Passanten in der bayerischen Hauptstadt taten sich mit besonders kruden Ansichten hervor: Ein älterer Herr echauffierte sich, warum Frauen heutzutage denn keine Kinder mehr bekommen wollten, dafür seien sie schließlich da. Und er war der Meinung, dass auch eine vergewaltigte Frau selbstverständlich ein Kind austragen müsse. Ein Pastor einer freikirchlichen Gemeinde störte sich an dem Aufkleber "Die Bibel ist ein Märchenbuch" und klärte die Demonstranten über das wahre Alter der Erde (6.000 Jahre) auf und darüber, dass Inzest erst durch Gott eingeführt wurde, nachdem Adam und Eva mit ihren eigenen Nachkommen ausreichend weitere gezeugt hätten. Übrigens sei auch Hitler ein Ebenbild Gottes gewesen, versicherte er auf Nachfrage. Seine Begleiterin äußerte sich ihrerseits noch zum Thema Abtreibung: Egoistisch sei es, wenn eine Mutter abtreibe, wenn die Schwangerschaft für sie lebensgefährlich sei.

Ein junger Mann hatte ebenfalls ungewöhnliche Ansichten mitzuteilen: Die Moderne sei nur in materieller Hinsicht besser als das Mittelalter und die Ketzerverbrennung sei zu ihrer Zeit richtig gewesen. Humanismus und Aufklärung seien der Grund für das Herausbilden von Ideologien, weshalb unsere Gesellschaft dem Untergang geweiht sei. Die Söder-Karikatur kritisierte er, denn die Bibel sollte seiner Meinung nach über dem Gesetz stehen, denn Bayern sei ein katholisches Land. All dies begründete er mit verschiedenen philosophischen Schulen. In München, wie auch in den anderen Städten, gab es aber immer wieder auch Menschen, die noch nie von der säkularen Szene gehört hatten oder die sie gerne näher kennenlernen wollten. In Würzburg kündigte ein Interessent für das kommende Jahr eine Heidenspaßparty an Karfreitag an.

Vielleicht hat "der Söderling" seinen Beitrag zur Schwächung der CSU leisten können, die aus säkularer Perspektive natürlich positiv zu bewerten ist. Aber leider befürworten auch die Freien Wähler, wahrscheinlicher Koalitionspartner in der künftigen bayerischen Landesregierung, das "gut sichtbare" Aufhängen von Kreuzen im Eingangsbereich staatlicher Behörden. Genauso wie eine Beibehaltung des Tanzverbots an stillen Feiertagen und die Zahlung von Bischofsgehältern aus Steuermitteln. SPD und Grüne lehnen Kreuz-Zwang und Tanzverbot ab, dafür befürworten beide das flächendeckende Angebot von islamischem Religionsunterricht, die SPD spricht sich zudem für die weitere Bezahlung von Bischöfen durch den Staat aus. Die FDP gibt sich durchweg säkular. Die AfD positioniert sich erwartbar für Kreuze in Behörden und gegen islamischen Religionsunterricht, aber gegen die Zahlung der Bischofsgehälter und das Tanzverbot. Die Partei der Humanisten konnte man übrigens nur in Oberbayern wählen, für einen Einzug ins Parlament reichte das natürlich nicht. Die Linkspartei scheiterte ebenfalls am Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Säkulare Positionen werden also auch in der kommenden Legislaturperiode im Maximilianeum und vor allem in der Regierung nur unzureichend vertreten sein.