Den zehnten Jahrestag ihrer Gründung beging die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. mit zweitägigen Feierlichkeiten im ostwestfälisch-lippischen Detmold. Neben dem Blick in die Vergangenheit der Kirche gab es auch einen Ausblick auf die Zukunft: pastafarianische Lobbyarbeit.
Angereist waren rund 40 Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters - auch "Pastafari" genannt - um am vergangenen Wochenende gemeinsam das zehnjährige Bestehen der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. im ostwestfälisch-lippischen Detmold zu feiern.
2005 hatte der Physiker Bobby Henderson die Church of The Flying Spaghetti Monster in den USA gegründet. Als Kreationisten in Kansas forderten, die Schöpfungslehre möge gleichberechtigt mit der Evolutionslehre im Biologieunterricht gelehrt werden, berichtete Henderson davon, dass sich ihm ein Fliegendes Spaghettimonster offenbart habe, und forderte, dass dessen Schöpfungslehre fortan ebenfalls gleichberechtigt im Biologieunterricht gelehrt werden müsse.
Schon bald danach drang die Kunde des Fliegenden Spaghettimonsters in die ganze Welt. Auch in Deutschland wurde man auf sie aufmerksam. Am 16.09.2006 trafen sich neun Vertreter der Pastafari-Gemeinden Berlin, Barnim und Uckermark in Templin und gründeten den Verein Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Berlin-Brandenburg e.V., "der dann auf Bitten vieler Pastafari aus anderen Bundesländern zur Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. wurde" – so ist die Historie auf der Homepage der Kirche nachzulesen.
Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V., kurz KdFSMD, versteht sich als Weltanschauungsgemeinschaft und als Verkünderin der einzigen wissenschaftlichen Religion, da das von ihr als Gottheit verehrte Spaghettimonster lehrt, alles kritisch zu hinterfragen. Sogar die Existenz des Spaghettimonsters selbst.
Die KdFSMD hat nach eigener Auskunft inzwischen rund 300 Mitglieder deutschlandweit, führt Trauungen und Taufen durch und kämpft darum, als gleichberechtigt mit den Religionsgemeinschaften in Deutschland anerkannt zu werden. Ihr Kampf um das Recht, in Templin neben den Gottesdiensthinweistafeln der christlichen Kirchen Nudelmessehinweisschilder an den Ortseingangstraßen aufzustellen, fand weltweit Beachtung.
Die Feierlichkeiten zum 10-Jährigen wollte die KdFSMD jedoch nicht nur damit verbringen, in der Vergangenheit der Kirche zu schwelgen, sondern auch damit, in ihre Zukunft zu blicken. Aus diesem Grund hatte man den Kirchenfinanzexperten Carsten Frerk zu einem Vortrag über sein Buch Kirchenrepublik Deutschland. Christlicher Lobbyismus - eine Annäherung eingeladen. Ein Programmpunkt der KdFSMD-Feierlichkeiten, durch den Nicht-Gläubige sich in dem oft geäußerten Vorwurf bestätigt sehen könnten, die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters betreibe eigentlich Kritik an Kirche und Religion unter dem Deckmäntelchen einer Religionsparodie.
Bruder Spaghettus, der Vorsitzende der KdFSMD, widerspricht und betont, dass es sich bei dem Vortrag um eine Fortbildungsveranstaltung gehandelt habe. Da man sich angespornt vom bisher Erreichten in Zukunft auf noch Größeres konzentrieren wolle, habe man nun auch die Absicht, in die politische Lobbyarbeit einzusteigen, Politik und Justiz mit Pastafari zu infiltrieren und Gesetzesvorhaben im Sinne der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters zu beeinflussen. Mit anderen Worten eben genau das zu tun, was auch die evangelische und katholische Kirche in Deutschland machen. Da laut Referent Frerk selbst Banken- und Atomlobby hinsichtlich der Lobbyarbeit der Kirchen nur ehrfürchtig staunen würden, habe man beschlossen, von den Besten des Lobby-Metiers zu lernen und sich von Carsten Frerk als ausgewiesenem Experten im Bereich des kirchlichen Lobbyismus entsprechend unterweisen zu lassen.
Da beim Lobbyismus die Dekoration mit päpstlichen und sonstigen kirchlichen Orden eine große Rolle zu spielen scheint – nicht wenige bedeutende Menschen in Politik und Justiz wurden mit ihnen ausgezeichnet – entschloss sich die KdFSMD kurzerhand, ebenfalls einen Orden einzuführen: den Orden der Hüter des Heiligen Hefegetränks. Während der Feierlichkeiten zum 10-Jährigen wurde dieser erstmals an treue Diener des Vereins verliehen.
Mit Kostproben aus dem Biervulkan, welcher nach dem Glauben der Pastafari im Jenseits auf sie wartet, und einer fulminanten Feuershow endete der erste Tag der Feierlichkeiten, die am Sonntagvormittag ihren Höhepunkt mit einer Prozession durch Detmold erreichen sollten.
Unter den staunenden aber neugierigen Blicken der Detmolder Bürger zogen die Pastafari im vollen Piratenornat durch die Altstadt und demonstrierten "wider den Unglauben" an die einzig wissenschaftliche Gottheit sowie gegen die weit verbreitete Pastafarianophobie in der Gesellschaft.
Beim Piratenornat handelt es sich um eine archaische Form der pastafarianischen Kleidung, die im Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters vorgeschrieben ist, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. Denn, so die stringente Argumentation des Evangeliums, da in Zeiten, als es auf der Welt mehr Piraten gab, auch noch kein Klimawandel existierte, müsse es wieder mehr Piraten geben, um den Klimawandel aufzuhalten. Das oft in medialen Darstellungen von Pastafari vorherrschende Nudelsieb als Kopfbedeckung ist eine jüngere Form des Pastafari-Ornats und wird nicht von allen Spaghettimonster-Gemeinden auf der Welt akzeptiert.
Die Prozession endete auf dem Marktplatz von Detmold mit einer Nudelmesse, die Pastafari und schaulustige Detmolder gleichermaßen fesselte. Und sie zeigte in einem wirkmächtigen Bild, dass die KdFSMD ihre Pläne zur Eroberung der Politik ernst meint: Für die Nudelmesse wurde die Fassade des Detmolder Rathauses geentert. Dass auch die Bemühungen, politische Parteien pastafarianisch zu infiltrieren, bereits erste Früchte tragen, zeigte die Tatsache, dass eine Abordnung der Partei DIE PARTEI an der Nudelmesse teilnahm.
Zwar lege die KdFSMD Wert darauf, als Kirche parteipolitisch neutral zu sein, sagte Bruder Spaghettus, jedoch könne und wolle man nicht verhindern, dass gläubige Pastafari dem Bedürfnis folgten, zu ihrer jeweiligen politischen Heimat zu stehen und gleichzeitig mit Freude ihren Glauben zu leben. Für die Zukunft wünscht er sich, dass auch Mitglieder anderer Parteien den Mut haben werden, ihren Glauben an das Fliegende Spaghettimonster öffentlich zu bekennen.