Kolumne: Sitte & Anstand

Mein Weg in die Spiritualität, Teil 5: Fliegen lernen

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Meine Hoffnung war vergebens. Es müsste doch, so dachte ich, ein spirituelles Angebot geben, das mir das Fliegen ermöglicht? Schließlich sah man schon in den Achtzigerjahren Wahlwerbevideos, in denen die "Naturgesetzpartei" daran arbeitete, durch "yogisches Fliegen" den Weltfrieden herzustellen, und was hat sich seitdem nicht alles entwickelt? Das Internet. Der Videobeweis: Pizza-Schokolade.

Da müsste das yogische Fliegen sich doch auch gewaltig weiterentwickelt haben, und im Zeitalter allgegenwärtiger Handys müsste es längst gelungen sein, die zweite und die dritte Stufe dieser hohen Kunst ins Bewegtbild zu bannen – seinerzeit war ja leider immer nur Stufe 1 zu sehen: Männer, die im Lotussitz auf Matratzen herumhüpften und in Interviews versicherten, was für ein spirituelles Erlebnis das sei.

Stufe 2 und 3 entziehen sich dem großen Weltnetz, dennoch soll meine Suche nicht umsonst gewesen sein: Das Leben führt einen ja oft ganz andere Wege als die, die man in seiner eigenen Beschränktheit im Sinne hatte, und so öffnet meine Google-Suche "Spiritualität Fliegen" mir die Tür zu einem neuen Wissen, von dem ich nicht einmal ahnte, dass ich es würde haben wollen: "Fliegen" nämlich, diese herumsummenden, oft achtlos fortgewedelten Tiere, haben ihre eigene spirituelle Qualität. Etwa können sie "Krafttiere" sein, und wenn sie immer wieder gern zu einem kommen, hilft Spiritualität dabei, das nicht als Kommentar zur eigenen Körperhygiene zu deuten. Allerdings könnten, lernen wir auf welt-der-hexen.de, allzu zudringliche Fliegen auch auf schwarze Magie zurückzuführen sein, wer weiß, was die alles im Schilde führen? Und das "Spiritual Science Research Center" urteilt mit wissenschaftlicher Härte: Fliegen, überhaupt Insekten, sind "spirituell unrein". Apropos rein: Was passiert, wenn die reinfliegen an einem heiligen Ort? Ganz praktisch eigentlich: Sie fallen tot um.

Immer wieder, so teilen die spirituellen Forscher mit, seien Fliegen in die Räumlichkeiten ihres großartigen Vordenkers, Dr. Jayant Athavale, geflogen, immer wieder seien sie dort dann verstorben. Die spirituellen Forscher haben sogar ein Foto gemacht von allen dort umgekommenen Tieren: Alles klar, Insektengewürm? Legt euch nicht mit Doc Athavale an! Ist dann wohl die Botschaft an all die unreinen Wesen da draußen, die es irgendwie hier zu dieser Internetseite hingezogen hat.

Ich selber fühle mich clean, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Mr. Proper allein. Und da ich nun mal da bin, schaue ich mich ein bisschen um auf der Seite. Man erfährt ja so viel! Etwa: "Im gegenwärtigen Zeitalter (Kaliyuga) beeinflussen oder besetzen Geister einen großen Teil der gesamten Weltbevölkerung." Geahnt habe ich es schon immer – hier haben sie sogar eine Tortengrafik dazu. Oder: Gegen den bösen Blick helfen Salz, Senfsamen und Chili, gegen einen besonders doll bösen Blick halte man eine Kokosnuss vorrätig. Oder: Das Coronavirus haben offensichtlich "mächtige negative Wesenheiten in der spirituellen Dimension" ausgebrütet, wie fies von denen! Ach ja, und übrigens, wussten Sie schon? Seit 2015 befinden wir uns im Dritten Weltkrieg.

Man fragt sich wirklich, was die yogischen Flieger die ganze Zeit gemacht haben.

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