Kommentar

Der Muezzinruf aus Köln ist ein Ruf des politischen Islam

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Die Kölner DiTiB-Moschee ist inzwischen ein Symbol für den politischen Islam.
Die Kölner DiTiB-Moschee

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat entschieden, dass als Zeichen von Vielfalt, Respekt und Religionsfreiheit in der Rheinmetropole künftig auch muslimische Gemeinden die Gläubigen per Lautsprecher von der Moschee aus zum Freitagsgebet rufen dürfen. Eine fatale Entscheidung. Denn zum einen hat der Muezzinruf mit der Religionsausübung nichts zu tun und zum anderen stellt diese Erlaubnis einen Etappensieg für den politischen Islam in Deutschland dar. Ein Kommentar von Lale Akgün.

Ein Modellprojekt zum Muezzinruf in Köln! Für zwei Jahre soll in Köln der Muezzinruf gestattet werden. Die Oberbürgermeisterin, die sonst nicht besonders erfolgreich agiert, hat endlich eine Möglichkeit, mit Symbolpolitik den Kölnern zu schmeicheln – sie sind ja bekanntlich soo tolerant. Also werden sie es der OB danken, wenn das Grundrecht der Religionsausübung endlich an allen Punkten umgesetzt wird. – Denkt sie. Symbolpolitik ist immer eine zweischneidige Sache und diesmal geht der Schuss nach hinten los. Denn diese Symbolpolitik dient den Falschen.

Auch theologisch ist die Entscheidung nicht haltbar. Denn der Muezzinruf hat mit der Religionsausübung gar nichts zu tun. Hätte man sich mal die Mühe gemacht, vielleicht einen islamischen Theologen (oder Theologin) zu konsultieren, hätten diese erzählen können, dass der Muezzinruf eigentlich nur die Gläubigen zum Gebet ruft; ein Relikt aus Zeiten, als die Menschen nicht im Besitz einer Armbanduhr oder eines Handys mit Zeitanzeige waren. Der Muezzin ruft ja eigentlich nur "kommt zum Gebet". Übrigens muss dieser Ruf auch nicht auf Arabisch erfolgen. Es sei denn, man lebt in einem arabischen Land. Es gab mal Zeiten, da wurde der Muezzinruf in der Türkei auf Türkisch gerufen. Warum also in Köln nicht auf Deutsch? Das wäre wenigstens originell gewesen.

Die Architekten dieses Plans wussten natürlich, dass diese Entscheidung Widerspruch auslösen würde, aber umso mehr kann man dann in dem wohligen Gefühl der Toleranz schwelgen. Der Plan ist allerdings an keinem Punkt durchdacht und am wenigsten unter politischen Gesichtspunkten. Und er zeigt in aller Traurigkeit, wie wenig politisch die gute Frau Reker denkt. Mit ihr natürlich ihre Berater oder Beraterinnen, und wer auch immer an dieser Entscheidung beteiligt war.

Von welchen Moscheen in Köln kann man den Muezzinruf überhaupt rufen? So, dass der Ruf auch vernehmbar ist? Natürlich könnte man auch vor irgendwelchen Hinterhofmoscheen den Muezzin rufen lassen, aber so richtig zur Geltung kommt er doch vor allem von der großen Ditib-Moschee in Ehrenfeld!

Und damit sind wir mitten im politischen Minenfeld. Die Ditib-Moschee ist inzwischen ein Symbol für den politischen Islam, eine politische Institution mit Gebetsmöglichkeiten. Um das nicht zu erkennen, muss man politisch blind und taub sein. Man denke nur mal kurz an die Eröffnung der Moschee 2018, bei der Erdogan das große Wort führte und zu der nicht einmal der ehemalige OB Fritz Schramm eingeladen war, der sich über Jahre für den Bau dieser Moschee eingesetzt hatte. Die Erlaubnis für den Muezzinruf von der Ehrenfelder Moschee ist also ein Knicks vor dem politischen Treiben Erdogans, auch in Deutschland. Ein Schlag ins Gesicht aller politischen Dissidenten, die in Deutschland politisches Asyl bekommen haben. Übrigens auch in Köln.

Welche unpolitischen Köpfe fällen eine Entscheidung zugunsten des Muezzinrufs, da gerade das Mutterhaus von Ditib, die türkische Religionsbehörde Diyanet zum Staat im Staate aufgebaut wird und der Vorsitzende der Diyanet zum religiösen Führer in der islamischen Welt? Der Muezzinruf aus Köln wird damit zu einem Ruf des politischen Islams! Ist das den Verantwortlichen in Köln nicht wirklich klar? Zu einem Zeitpunkt, da Erdogan davon spricht, dass aus seiner Sicht theologisch keine Differenz zu den Taliban besteht, will man in Köln die Ditib den Muezzinruf erschallen lassen.

Wie sagte mal Gottfried Benn "das Gutgemeinte ist selten das Gute!"

Frau Reker, Ihre Entscheidung ist mehr als ungut. Sie ist unpolitisch und das Gegenteil von gelebter Toleranz!

Der Text erschien erstmals auf der Facebook-Seite von Dr. Lale Akgün am 09.10.2021. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

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