Landauf, landab protestieren Konfessionsfreie gegen die Verbote am "stillen Feiertag" Karfreitag. Die einen führen den (verbotenen) Film "Das Leben des Brian" auf, andere tanzen gegen die Bevormundung an. So unter anderem auch in Regensburg und Leipzig.
Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 2016 gilt das in einigen Bundesländern strikt verfolgte "Tanzverbot an Karfreitag" nicht, wenn der Tanz "Ausdruck eines weltanschaulichen Bekenntnisses" ist. Deshalb lädt der Bund für Geistesfreiheit (BfG) Regensburg am Karfreitag zum Freigeistertanz in fünf Regensburger Lokale ein.
Als besonderes Highlight wird das Künstlerkollektiv bambule.babys auf den Protestversammlungen angekündigt. Dieses führt ihre vom Regensburger Kulturamt und dem Bistum Regensburg zensierte "Kunstperformance 'My home is not my home' zu jeder vollen Stunde in einer der teilnehmenden Kneipen auf: 22:00 Tiki Beat, 23:00 Heimat, 0:00 Vinyl, 1:00 Alte Filmbühne, 2:00 Wunderbar." Die Performance ist "eine radikale Verhandlung von Heimatideologien anhand von Mythen, Körpern und symbolischen Akten."
Für den Bund für Geistesfreiheit ist die Kunstfreiheit ein hohes Gut. So zeigt zur Einstimmung auf den Freigeistertanz bereits am Samstag von 9-18 Uhr die Galerie der Kirchenkritik aus Eichstätt in der Schwarze-Bären-Straße ihre umfangreiche Sammlung kirchenkritischer Kunst der Öffentlichkeit.
Der Lustfeindlichkeit der katholischen Kirche will der BfG eine "frühlingshafte Aufbruchstimmung" gegenüberstellen: Es werden kostenlos Kondome verteilt.
In Leipzig richtet die Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung ("gbs Leipzig") eine Heidenspaß-Party aus. Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig, sagte dazu: "Ein weltanschaulich neutraler Staat darf seine Bürger nicht zur kollektiven 'Jesus starb für unsere Sünden'-Trauer verpflichten und ihnen das Tanzen, Sport und sonstige öffentliche Vergnügungen verbieten! Genau das steht aber immer noch im Sächsischen Sonn- und Feiertagsgesetz, um den 'ernsten Charakter' des Karfreitags zu schützen. Hiergegen demonstrieren wir mit einer Heidenspaß-Party in der Moritzbastei."
Die Heidenspaß-Party beginnt um 20:00 Uhr mit einem Vortrag des vierfachen Bestseller-Autors Philipp Möller, der den Gästen noch einmal erklärt, warum für uns gilt: "Gottlos glücklich – warum wir ohne Religion besser dran wären." (So auch der Titel seines aktuellen Buches.) Ab ca. 22:00 Uhr wird bis in den Ostersamstag hinein getanzt. Dabei berufen sich auch die Leipziger auf das o. g. Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn wer immer in der Moritzbastei mittanzen will, muss bestätigen,
a) dass er oder sie einer humanistischen Weltanschauung folgt,
b) weder an Götter noch an Elfen, Kobolde oder Dämonen glaubt und
c) dass jede noch so kleine rhythmische Zuckung seines oder ihres Körpers auf der Heidenspaß-Party Ausdruck dieses weltanschaulichen Bekenntnisses ist.
Steinhaus erklärt, warum trotz der Entscheidung aus Karlsruhe weiterhin Protest nötig ist:
"Zwar gibt es in Sachsen laut Gesetz die Möglichkeit, von dem Vergnügungsverbot eine 'Befreiung' zu beantragen. Doch die Kirchen haben sich im Gesetz ein Mitspracherecht gesichert (§ 7 Absatz 2). Vor allem aber kann es nicht sein, dass sich die über 70 Prozent Nicht-Christen ihre Aktivitäten genehmigen lassen müssen, nur um die religiösen Gefühle einer christlichen Minderheit zu schützen. Die Politik sollte nicht immer nur die streitbare Legende vom christlichen Abendland bemühen, sondern auch endlich die geänderten Realitäten akzeptieren: Ostern ist – zumindest in Sachsen – längst kein christliches Fest mehr, sondern ein volkstümliches Familien- und Frühlingsfest. Daran ändert auch nichts, dass die Kirchenbänke ausnahmsweise mal wieder für ein paar Stunden voll sind."
Die Termine zu allen Gegen-Veranstaltungen am Karfreitag finden sich im hpd-Kalender.
3 Kommentare
Kommentare
Colin Goldner am Permanenter Link
Der "Bund für Geistesfreiheit Regensburg" lädt auch zum diesjährigen Karfreitag wieder zu einem "Freigeistigen Stammtisch" ein, genauer: zum "Schweinebratenessen mit Sauerkraut und Knödeln&qu
Schon im letzten Jahr hatte ich als Mitglied des bfg Regensburg mein Missfallen über das rituelle Schweinebratenessen zum Karfreitag ausgedrückt: "Noch nie was gehört vom unermesslichen Leid der Tiere in der 'Nutztierhaltung'? Von der katastrophalen ökologischen Bilanz der 'Nutztiermast'? Von der Welthungerproblematik, die mit der Gier der Wohlstandsnationen nach Fleisch einhergeht? Von den gesundheitlichen Risiken des Fleischkonsums? Auf all dies hätte man aufmerksam machen können, anstatt dem biblischen Motto zu frönen: 'Machet sie euch unterthan und fresset...'"
Auch wenn der Vorstand des bfg mir seinerzeit recht gab und sich bedankte "für diese zutreffenden und beschämenden Argumente", gibt's heuer das gleiche karfreitagliche Schweinebratenfressen. Grund genug für mich, aus dem bfg Regenburg auszutreten.
Claudia am Permanenter Link
Könnt ihr den Karfreitagsvorschriften der Christenheit nicht anders den Stinkefinger zeigen, als durch den Verzehr geschlachteter Tiere? Nur weil das an diesem - und nur an diesem - Tag verboten ist???
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Ihr seid super, Ihr Jungen: der Staat muss an seine weltanschauliche Neutralität (die 1949 und vorher mal angedacht war) erinnert werden.
herumbauen wollen. Bloß das nicht. Kirchen(n) haben wir genug! Aber damit sind wir die dummen 40%. Bisschen viel Dumme, lieber Staat, liebe Parteien. Ich hoffe, dieses Unrecht stößt Euch irgendwann gehörig auf. Denkt Euch rechtzeitig Lösungen aus. Für die Bettelei der reichen Kirchen habt ihr ja auch Gehör. Wir sind wirklich arm (dran). Und sind loyale Staatsbürger, die das GG gut finden bis auf das Kirchensurplus. Also wir sind es wert, geschützt, bezahlt und gefördert zu werden. Ist das so schwer zu kapieren??? Gruß Karin Resnikschek, Tübingen