Rezension

Peter Singers Deutung des effektiven Altruismus

BONN. (hpd) Der Philosoph Peter Singer erläutert in seinem Buch "Effektiver Altruismus. Eine Anleitung zum ethischen Leben" die Grundlagen und Praktiken zum "Gutes tun". Dabei arbeitet der Autor mehr mit Fallbeispielen weniger mit philosophischen Reflexionen – kann aber auch das Problem der Vergleichbarkeit nicht lösen.

Die Auffassung, so viel Gutes zu tun wie möglich, gilt als ethisches Ideal. Doch wie macht man das besonders intensiv? Welche Kriterien, Instrumente und Schwerpunkte sind dabei von Bedeutung? Antworten auf diese Fragen wollen die Anhänger des "effektiven Altruismus" geben.

Dabei handelt es sich um eine Auffassung, die in einschlägigen sozialen Bewegungen immer größere Aufmerksamkeit findet. Es geht darum, finanzielle und zeitliche Ressourcen mit größtmöglicher Wirkung einzusetzen. Für eine einschlägige Auffassung muss es dann sowohl rationale Argumente wie empirische Belege zur Bewertung geben. Eine Menschenrechtsorganisation A, die 20 Prozent der Einkünfte für Verwaltungsaufgaben einsetzt, scheint so effektiver zu sein als eine Menschenrechtsorganisation B, die 40 Prozent der Einkünfte für Verwaltungsaufgaben einsetzt. Eine der wichtigsten philosophischen Protagonisten des "effektiven Altruismus" ist Peter Singer, der an der Princeton University in den USA und der University Melbourne in Australien lehrt.

Der gemeinte Ansatz gab auch seinem neuesten Buch den Titel: "Effektiver Altruismus. Eine Anleitung zum ethischen Leben". Dessen Ausgangspunkt ist das erwähnte Ideal: "Der effektive Altruismus beruht auf einer ganz einfachen Idee: Wir sollten so viel Gutes tun wie möglich" (S. 11).

Der damit einhergehende Gedanke sei bemerkenswert, weil er tatsächlich etwas bewege, dem Leben einen Sinn verleihe, neue philosophische und psychologische Fragen aufwerfe und die Begeisterung junger Menschen dafür Anlass zum Optimismus geben würden. Einschlägige Handlungen könnten bestehen in einem bescheidenen Leben mit hoher Spendenbereitschaft, Aufklärung über die Effektivität von Wohltätigkeitsorganisationen, eine berufliche Karriere zur Erlangung von Geld für Spendenpotentiale, aber auch in der Stiftung von Blut über Knochenmark bis zur Niere. Für all das nennt Singer nach einer kurzen Beschreibung zur Entstehung der gemeinten Bewegung eine Fülle von Beispielen, um so die ganz verschiedenen Dimensionen des altruistischen Helfens deutlich zu machen.

Danach geht es um die Motive und Rechtfertigungen vom Glücksempfinden über Liebe bis zum Mitgefühl. Derartiges Agieren müsse auch kein Opfern bedeuten: "Anstatt zu sagen, dass etwas ein Opfer ist, wenn es dazu führt, dass man weniger Geld hat, wäre es vernünftiger zu sagen, dass etwas ein Opfer ist, wenn es bewirkt, dass man über ein geringeres Maß an Wohlbefinden verfügt, kurz: weniger glücklich ist" (S. 125). Und schließlich erörtert Singer auch die Frage, wie man Organisationen und Zwecke am besten auswählt. Sollten es eher globale oder lokale Projekte sein? Lassen sich angemessene Vergleiche bezüglicher der Effizienz vornehmen? Wie wählt man die besten Organisationen aus? Auch dies macht der Autor anhand von konkreten Beispielen und Themenfeldern deutlich. Dazu gehört ebenso die Frage nach der richtigen Minderung des Tierleids. Singer bilanziert dann am Ende mit den Worten: "Der effektive Altruismus bedeutet einen Fortschritt sowohl in unserem ethischen Verhalten als auch in der praktischen Anwendung unserer Vernunft" (S. 222).

Dafür liefert der Autor eine Fülle von Fallbeispielen, die Handlungsoptionen wie Kriterien aufzeigen. Er macht gegenüber Kritikern deutlich, dass es hier nicht um ein eiskaltes Kalkulieren geht. Bereits zu Beginn stellte Singer außerdem klar: "Für effektive Altruisten wiegt ein Leid nicht weniger schwer, weil es Menschen betrifft, die weit entfernt oder in einem anderen Land leben oder einer anderen Ethnie oder Religion angehören" (S. 22).

Problematisch ist der Vergleich von Projekten. Bei anderen Gelegenheiten wies der Autor darauf hin, dass die Ausbildung eines Blindenhundes 42.000 Dollar koste, während man in Entwicklungsländer allein mit 40 Dollar eine erfolgreiche Operation gegen Erblindung bezahlen könne. Dies trifft von der Sache her zu. Doch was folgt daraus? Rein mathematisch gesehen, wäre damit die Ausbildung eines Blindenhundes ineffektiv. Ein Blinder würde dies gleichwohl anders sehen. Derartige Fragen bleiben bei Singer unbeantwortet. Gleichwohl liefern seine Erörterungen genügend Stoff für konstruktive Debatten.

Peter Singer, Effektiver Altruismus. Eine Anleitung zum ethischen Leben, Berlin 2016 (Suhrkamp), 237 S., 24,95 Euro