Hessen

Kein Unterlassungsanspruch des Zentralrats der Muslime gegen staatlichen Islamunterricht

Das Bundesland Hessen erprobt derzeit den nicht-bekenntnisorientierten Islamunterricht an seinen Schulen. Gegen diesen staatlichen Islamunterricht ohne Einflussnahme von islamischen Religionsgemeinschaften hatte der Zentralrat der Muslime einen Eilantrag auf Unterlassung beim Verwaltungsgericht Wiesbaden gestellt. Das Gericht wies den Antrag ab.

Im Schuljahr 2013/2014 führte das Bundesland Hessen den bekenntisorientierten islamischen Religionsunterricht ein. Da laut Gesetz die inhaltliche Gestaltung des Religionsunterrichts entsprechenden Religionsgemeinschaften zu überlassen ist, wurden vom hessischen Kultusministerium der DITIB Landesverband Hessen e. V. sowie Ahmadiyya Muslim Jamaat in der Bundesrepublik Deutschland e. V. als Kooperationspartner ausgewählt.

Als die DITIB (Diyanet İşleri Türk İslam Birliği – auf Deutsch: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) wegen zu enger Verflechtungen mit der türkischen Politik in die Kritik geriet und 2018 bekannt wurde, dass der Verfassungsschutz die Beobachtung des Verbands plant, regten sich im Hessischen Kultusministerium Zweifel hinsichtlich einer weiteren Zusammenarbeit bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts. Die DITIB wurde aufgefordert, ihre Unabhängigkeit zu beweisen.

Gleichzeitig wurde mit Beginn des laufenden Schuljahrs 2019/2020 ein Modellversuch gestartet: Islamischer Religionsunterricht in staatlicher Eigenregie. Ein Fach, in dem es nicht um die Vermittlung eines Bekenntnisses geht, sondern um die Vermittlung von Wissen über den Islam. Sozusagen eine Art Islamkunde-Unterricht.

Gegen den Islamunterricht in rein staatlicher Regie hatte der Zentralrat der Muslime umgehend einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht, durch den das Land Hessen gezwungen werden sollte, den nicht-bekenenntnisorientierten Islamunterricht zu unterlassen. Gestern wurde bekannt, dass der Eilantrag am 6. September von der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zurückgewiesen wurde.

Zur Begründung seiner Entscheidung erklärte das Gericht:

"Das Land Hessen erprobt im laufenden Schuljahr an sechs weiterführenden Schulen im Rahmen eines Schulversuches gemäß § 14 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) jeweils in den 7. Jahrgangsstufen die Einführung des Schulfaches 'Islamunterricht'. Dagegen hat der Zentralrat der Muslime einen Eilantrag beim Gericht gestellt und beantragt, dem Land Hessen aufzugeben, diesen Unterricht zu unterlassen.

Der Antragsteller beruft sich darauf, dass er selbst und sein hessischer Landesverband in ihren Rechten als Religionsgemeinschaften betroffen seien. Das Land Hessen verstoße gegen die Verfassung, indem es ohne Beteiligung von islamischen Religionsgemeinschaften einen islamischen Religionsunterricht anbiete. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) müsse der Staat die inhaltliche Bestimmung des Religionsunterrichts den Religionsgemeinschaften überlassen. Er selbst sei zur religiösen Neutralität verpflichtet und dürfe keinen "Islamunterricht" an den Religionsgemeinschaften vorbei einrichten. Der "Islamunterricht" dürfe außerdem nicht als Schulversuch nach § 14 HSchG angeboten werden, weil das Land Hessen damit den Gesetzgeber umgehe. Auch die durch die Mitgliedsverbände vertretenen Muslime, deren Kinder in die Jahrgangsstufe 7 wechseln, seien durch diesen 'Islamunterricht' in ihren Rechten verletzt.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist diesen Argumenten nicht gefolgt und hat den Eilantrag zurückgewiesen.

Es sei bereits fraglich, ob der Zentralrat der Muslime überhaupt antragsbefugt sei, denn es beständen zumindest Zweifel an seiner Einstufung als Religionsgemeinschaft. Der Gesamtverband des Zentralrates der Muslime bestehe aus einer Vielzahl von Mitgliedern mit ganz unterschiedlichen Konfessionen und unterschiedlichen Auslegungen des Islams. Der Verband könne auch nicht die Rechte der durch ihn vertretenen Muslime geltend machen, vielmehr müssten diese selbst um Rechtsschutz nachsuchen.

Jedenfalls aber sei der Eilantrag unbegründet, weil die Rechte des Antragstellers durch den Unterricht nicht verletzt würden. Das angebotene Fach stelle gerade keinen Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG dar. Nach der Konzeption des Faches diene es vielmehr der Information über den Islam, solle also Wissen vermitteln und nicht bestimmte religiöse Bekenntnisinhalte als wahr darstellen. Auch die Auswirkungen des Islams auf Lebensstil, Geschichte, Kultur, Philosophie und Ethik stellten wesentliche Lehrinhalte dar. Insgesamt ähnele der vom Land Hessen konzipierte 'Islamunterricht' eher dem Ethikunterricht als einem Religionsunterricht. Dem Land Hessen ginge es also nicht darum, über Glaubensinhalte zu bestimmen, sondern lediglich darum, über den Islam als solchen und seine zahlreichen Bezüge zu informieren. Die staatliche Neutralitätspflicht werde dadurch nicht verletzt. Darüber hinaus sei der 'Islamunterricht' nicht verpflichtend, vielmehr könnten die Schüler auf den Ethikunterricht oder auf den christlichen Religionsunterricht ausweichen.

Durch die Einrichtung des 'Islamunterrichts' als Schulversuch umgehe das Land Hessen auch nicht den Gesetzgeber, weil dieser Unterricht ein neues Fach darstelle, das in der Praxis erprobt werden dürfe. Damit lägen die Voraussetzungen des § 14 HSchG vor."

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden kann der Zentralrat der Muslime innerhalb einer Frist von zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einreichen.