150 Jahre Paragraph 218 sind genug! KORSO fordert liberale Regelung

Schwangerschaftsabbruch ist Grundversorgung!

Seit 150 Jahren kämpfen Frauen nun schon gegen das Verbot und damit gegen die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Dies schilderte die Historikerin und Sozialwissenschaftlerin Dr. Gisela Notz, eine der drei geladenen Expertinnen, sehr eindrücklich bei der Online-Themenwerkstatt des KORSO am 20. August vor fast 30 Interessierten aus dem säkularen Spektrum.

Der KORSO hat sich entschlossen, dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung beizutreten und diesen Schritt auch seinen Mitgliedsorganisationen zu empfehlen. Das Bündnis fordert die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Konkret bedeutet das die Streichung der Paragraphen 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch, insbesondere die Abschaffung der Pflichtberatung und der Wartezeit. Ebenso ist der Paragraph 219a ersatzlos zu streichen, der es Ärztinnen und Ärzten untersagt, Informationen zum Schwangerschaftsabbruch bereitzustellen. Ein kostenloses und öffentlich finanziertes freiwilliges Beratungsangebot muss jedoch nach Ansicht des Bündnisses erhalten bleiben.

Die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs sind Voraussetzung für die Bereitschaft seitens der Ärztinnen und Ärzte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Nur so kann der zunehmenden Verschlechterung der Versorgungslage entgegengewirkt werden. Zudem muss die Praxis des Schwangerschaftsabbruchs in den Lehrplan des Medizinstudiums sowie in die Facharztausbildung und die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten aufgenommen werden. Die flächendeckende Versorgung mit kostenlosen Zugangsmöglichkeiten zu Beratungsangeboten und Schwangerschaftsabbruch und die dazu nötige Aufnahme in den Leistungskatalog der Krankenkassen sind damit verbundene Forderungen. Dazu gehören auch Aufklärung, die kostenlose Beratung über Verhütungsmittel und Sicherstellung des Zugangs zu modernen Verhütungsmitteln. Die konsequente Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen gegen sogenannte "Gehsteigberatungen" und Belästigungen vor Praxen und Beratungsstellen durch Abtreibungsgegner ist ein unverzichtbarer Beitrag, den Länder und Kommunen leisten müssen, um Schwangere, Beratungsstellen und Praxen zu schützen.

Mit der Ratifizierung der Frauenrechtskonvention hat die Bundesrepublik Deutschland sich 1985 unter anderem zur Sicherstellung reproduktiver Rechte verpflichtet. Mehrmals wurde die Bundesregierung bereits durch das Staatenberichtsverfahren aufgefordert, Verbesserungen im Bereich der reproduktiven Rechte vorzunehmen, zum Beispiel, die Beratungspflicht und die dreitägige Wartefrist vor einem Schwangerschaftsabbruch abzuschaffen. Wie der neunte Staatenbericht zeigt, hat die Bundesregierung diese Forderungen erneut ignoriert.

Der KORSO unterstützt den Safe Abortion Day am 28. September und ruft seine Mitgliedsorganisationen dazu auf, sich mit eigenen Aktionen vor Ort oder im Zusammenschluss mit bereits vorhandenen Initiativen zu beteiligen. Ein laufend aktualisierter Überblick geplanter Aktionen findet sich auf der Aktionsseite. Aktionsmaterial steht hier zur Verfügung. Am 18. September 2021 findet in Berlin eine Gegenveranstaltung zum "Marsch für das Leben" statt.

Auch wenn es vielen nicht bewusst ist, gilt der Schwangerschaftsabbruch auch heute noch als Straftat, auch wenn er unter bestimmten Bedingungen nicht verfolgt wird. Seit der Verurteilung von Kristina Hänel und weiteren Ärztinnen und Ärzten wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot Paragraph 219a StGB ist das Thema Schwangerschaftsabbruch wieder aktuell und wird öffentlich diskutiert. Dr. Ines Scheibe vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung erinnerte in ihrem Impulsvortrag am Rande der Online-Themenwerkstatt daran, wie Anfang der 1990er Jahre die Chancen versäumt wurden, nach der Wende eine einheitliche Fristenlösung für alle Frauen in Deutschland zu verabschieden. Wieder waren es konservative, religiöse Kräfte, die mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs verhinderten. Sie machte deutlich, wie wichtig eine gute Beratung für ungewollt Schwangere ist, wenn sie freiwillig in Anspruch genommen werden kann.

Nora Száz, Frauenärztin aus Kassel, berichtete anschaulich, wie ungewollt Schwangere das langwierige Prozedere rund um den Schwangerschaftsabbruch erleben und wie schwer die Gesetzeslage es Ärztinnen wie ihr macht, die Frauen beim Abbruch gut zu begleiten und zu behandeln.

Erstveröffentlichung des Textes auf der Webseite des KORSO. Die Online-Themenwerkstätten finden einmal monatlich zu unterschiedlichen Themenfeldern im säkularen Spektrum statt. Wer informiert werden und teilnehmen möchte, kann eine E-Mail an info[at]korso-deutschland.de schicken.

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