Ein beträchtlicher Teil der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl am 26. September vertritt eine säkulare oder nichtreligiöse Weltanschauung: Immerhin fast 39 Prozent der Bevölkerung in Deutschland bezeichneten sich 2019 als konfessionsfrei, Tendenz steigend. Doch inwiefern tragen die Parteien mit ihren Plänen den Werten und Anliegen der säkularen Bürgerinnen und Bürger Rechnung? Die offiziellen Wahlprogramme bleiben in diesen Fragen häufig nur vage oder sparen die Themen gänzlich aus.
Als Orientierungshilfe für die individuelle Entscheidung hat der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) eine Liste von Fragen zu zentralen Themen der säkularen Debatte formuliert und an zehn demokratische Parteien versandt. Hierzu gehören die im Bundestag vertretenen CDU/CSU, SPD, FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen, außerdem die Freien Wähler und Die Partei, die bei der letzten Bundestagswahl jeweils einen Stimmenanteil über 1 Prozent erreicht hatten. Zusätzlich wurden mit der Piratenpartei, der Partei der Humanisten (PdH) und Volt drei Parteien hinzugenommen, die im säkularen Spektrum auf erhöhtes Interesse treffen. Geantwortet haben bisher alle bis auf Die Partei. Dabei ergibt sich ein differenziertes Bild, wie zwei Beispiele zeigen.
Eine bedeutende Aufgabe der Politik in der kommenden Legislaturperiode wird die Ausarbeitung von Bestimmungen zur Sterbehilfe beziehungsweise zur Selbstbestimmung am Lebensende werden. 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil jedem freiverantwortlichen Menschen das Recht zur selbstbestimmten Beendigung des Lebens zugesprochen. Vor diesem Hintergrund befürchtet die Union einen "Missbrauch der Suizidhilfe" und fordert eine gesetzliche Neuregelung. Die Suizidassistenz durch fachkundiges Personal (im gekippten Gesetz missverständlich als "geschäftsmäßig" bezeichnet, Paragraph 217 StGB) soll weiter strafbar bleiben. Dem letztgenannten Punkt schließt sich auch die SPD an, wenngleich sie die indirekte Sterbehilfe bei Sterbenden und Todkranken ebenso befürwortet wie den Abbruch medizinischer Behandlungen, sofern er dem Patientenwillen entspricht. Ähnlich äußern sich die übrigen Parteien, wobei Grüne und Volt darauf verweisen, dass zur zusätzlichen Unterstützung von terminal Schwerstkranken die Palliativversorgung vor Ort ausgebaut werden müsse.
Auch zur rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und des Informationsangebots für ungewollt Schwangere gehen die Positionen der Parteien weit auseinander. Während CDU/CSU angesichts der derzeitigen, kriminalisierenden Bestimmungen keinerlei Handlungsbedarf formulieren, plädieren SPD, FDP, Linke, Grüne und Volt für eine ersatzlose Streichung von Paragraph 219a StGB. Dieser verbietet, so wörtlich, "Werbung für den Schwangerschaftsabbruch". Würde dieser Paragraph verschwinden, dürften Ärztinnen und Ärzte darüber informieren, dass sie Abbrüche vornehmen. Darüber hinaus sprechen sich Linke, Grüne, Piraten, Volt und PdH dafür aus, dass die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.
Weitere Fragen umfassen die Themen:
- Diskriminierung und kirchliches Arbeitsrecht
- Ablösung der altrechtlichen Staatsleistungen
- "Blasphemieparagraph" 166 StGB
- Weltanschauliche Neutralität im öffentlichen Raum
- Ethikräte / Rundfunkräte / Gedenkfeiern
- Kirchensteuereinzug.
Die ausführlichen Antworten der Parteien stehen hier zum Download als PDF zur Verfügung. Aktualisierungen um weitere Antworten der angefragten Parteien finden sich auf der Website des KORSO.
Hinweis der Redaktion: Der Text wurde am 10.09.2021 um 18:40 Uhr aktualisiert, nachdem auch die Antwort der Freien Wähler beim KORSO eingegangen war.