Seit Jahren schwelt in Berlin die Diskussion um die Benennung des U-Bahnhofes Mohrenstraße. Die aktuellen Debatten haben diese neu befeuert und das Unternehmen BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) will noch in diesem Jahr den Bahnhof umbenennen.
Nach jahrelangen Diskussionen soll die U-Bahnstation "Mohrenstraße" umbenannt werden. Künftig soll die Haltestelle nach dem russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka (1804–1857) Glinkastraße heißen. Das teilten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am vergangenen Freitag mit.
Eine Sprecherin der BVG sagte, dass die Umbenennung sicher einige Wochen in Anspruch nehmen werde, aber noch in diesem Jahr erfolgen soll. In der Pressemitteilung hieß es: "Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab." Und weiter: "Aus Verständnis und Respekt für die teils kontroverse Debatte um den Straßennamen hat die BVG sich nun entschieden, ihn nicht weiter für die Benennung des U-Bahnhofs zu verwenden."
Der Name der Straße geht vermutlich auf dunkelhäutige Bewohner, die früher in der Gegend wohnten, zurück und ist seit Jahren ein Streitpunkt in Berlin. ("Mohren" ist ein veraltetes Wort für Menschen mit dunkler Hautfarbe.) Daher wird der Straßenname schon längere Zeit als rassistisch kritisiert. Der Bezirk Mitte prüft bereits, ob auch die namensgebende Straße umbenannt werden soll. Hier wird jedoch wegen der erwünschten Beteiligung der Anrainer von einem längeren Prozess ausgegangen.
Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Protesten gegen den Namen der U-Bahn-Station, indem der Name übermalt oder kreativ verändert wurde.
Allerdings regt sich auch gegen die Umbenennungspläne bereits Protest. So wird der russische Komponist Glinka als Antisemitist bezeichnet. Die Berliner Verkehrsbetriebe haben bereits am Dienstag auf die Vorwürfe reagiert: Es sei noch keine Entscheidung gefallen, erklärte Pressesprecherin Petra Nelken auf Nachfrage von rbb24. "Wir haben uns bislang lediglich gegen den Namen Mohrenstraße entschieden."
Welchen Namen die U-Bahnstation letztendlich ab Dezember 2020 tragen wird ist nach der jüngsten Kritik noch ungewiss. Jedoch hat durch die angekündigte Umbenennung des U-Bahnhofes die BVG endlich etwas getan, das die Diskussionen um Straßennamen in Berlin (aber nicht nur dort) wieder neu belebt. Denn überall in Städten und Dörfern gibt es Straßen, die nach historischen Personen, Orten oder Begebenheiten benannt sind, die wir heute nicht mehr ehren sollten.
15 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das umbenennen von derartigen Dingen ist einfach lächerlich, was verändert werden muss ist die Gesinnung welch dahinter steckt, oder glauben Sie, dass durch das vermeiden von
DerZeus am Permanenter Link
Nur dass durch Verwenden dieser Begriffe, Menschen diffamiert, beleidigt und erniedrigt werden.
Kommt Ihnen nicht in den Sinn, was?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Man kann ja alles benennen wie man will. Solange sich Menschen noch zurecht finden.
Doch die Aussage ("Mohren" ist ein veraltetes Wort für Menschen mit dunkler Hautfarbe.) ist so zu kurz gesprungen. Es geht möglicherweise auf ein griechisches Wort für "dunkel" (mauros) zurück, das sprachlich den lateinischen "niger" entspricht, aus dem sich "Neger" entwickelte und übersetzt "Schwarzer" bedeutet.
Der Mohr ist also auch ein Schwarzer, jedoch mit der ursprünglichen Eingrenzung auf Mauren (lat. Maurus), die allerdings nur grob einer ethnischen Gruppe angehören. Der heutige Staat Mauretanien leitet sich von Mauren (= Mohren) ab.
Vielleicht wurde ich in meiner Kindheit zu wenig mit negativen Konnotationen des Wortes "Mohr" konfrontiert, sondern mit positiven (ich liebe bis heute den Sarotti-Mohr, einer der Helden meiner Kindheit), sodass mir noch immer Mohrenköpfe schmecken und ich mir nie dabei vorstelle, den Kopf eines Menschen mit dunkler Hautfarbe zu verspeisen.
Ich würde auch Schiller nicht umschrieben und statt "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen" schreiben "Der Schwarze hat seine Schuldigkeit getan, der Schwarze kann gehen". Schließlich erzeugt dieses Zitat Mitleid mit einer Person, die weggeschickt wird, im Moment, wo sie "überflüssig" wird. Also ein Gefühl, dass viele kennen, die z. B. wegrationalisiert wurden. Hier soll ein Solidarisierungseffekt erzeugt werden - und eine Ablehnung desjenigen, der den "Mohr" in die Wüste schickt -, anstatt eines rassistischen Hasses auf das Opfer. So habe ich das immer gesehen und werde es immer sehen.
Ist es umgekehrt nicht auch ein Zeichen von Rassismus, wenn wir eine Bezeichnung von Bewohnern Nordafrikas (die über den Sarotti-Mohr freundlich besetzt und über Schiller sogar zu einem Synonym für den rassistisch verfolgten Schwarzen wurden) durch den Namen eines Antisemiten ersetzen?
Wie gesagt: Man darf U-Bahn-Stationen oder Straßen/Plätzen etc. alle Namen geben, die man will. Doch beobachte ich in letzter Zeit zunehmend eine Hysterie dabei, die oft von wenig Nachdenken begleitet ist. Wenn wir aus Angst jede Erinnerung an Menschen anderer Hautfarbe löschen wollen, wenn letztlich alle Menschen nur noch Ureinwohner sind, mehr oder weniger völkergewandert, dann diskriminieren wir einen Teil unserer Kultur, als ob wir uns dessen schämen würden. Denn es geht nicht um die Worte, es geht um die Menschen dahinter, die ersetzt werden durch oft fragwürdige Begriffe oder Namen.
So, als hätte Schiller in visionärer Ahnung Recht behalten: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen...
Roland Weber am Permanenter Link
Mit den Straßennamen ist es wie mit dem Glauben:
Man stört sich vor allem nicht daran, da man zu wenig weiß und weil es zu wenige Menschen wirklich interessiert.
In jeder Stadt könnte man eine Fülle von Werte-Diskussionen lostreten, wenn man die geehrten Namensgeber erst einmal ins (ge)rechte Licht stellen würde.
Mit den Straßennamen ist es wie mit dem Glauben:
Nichts stört eben mehr als Fakten! - Selbst mit Nachdenken, hinken wir der Wahrheit zwangsläufig oft nur hinterher - und wir will gar Vordenken?!
Peter Müller am Permanenter Link
Die BVG vollendet jetzt, was die Nazis damals nicht geschafft haben. Auch die hatten sich an dem Staßennamen gestört und wollten ihn umbenennen, wozu es jedoch nicht gekommen ist.
Junius am Permanenter Link
Ich schlage vor, die Straßen durchzunumerieren. Dann hat man den Stress schon mal nicht mehr.
Peter Müller am Permanenter Link
Ich sage nur 88...
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Umbenennung der Mohrenstr.
Sollte es die Absicht sein den Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts zu bewerten oder gar gänzlich zu verurteilen, ist die Umbenennung des U-Bhfs Mohrenstr. kein hilfreicher Weg. Wir haben jetzt die Diskussion im Zusammenhang mit der Umbenennung der Mohrenstr. in Berlin Mitte, aber Ende dieses Jahres, spätestens nächsten Jahres ist das Thema Kolonialismus in der öffentlichen Diskussion wieder verschwunden. Daher denke ich, wäre es sehr viel besser, so wie es ein Beitrag bereits im Tagesspiegel erörtert hat, in diesem U-Bahnhof eine auffällige, rote, Information-Stele aufzustellen, für jeden Eingang eine, und zwar auf dem Bahnsteig. Während man auf den Zug wartet, kann man sich dann über das wichtige Geschichtsthema informieren. Natürlich in mindestens zwei Sprachen, besser zusätzlich noch in einer afrikanischen Sprache.
In Sachen Straßenumbenennung haben wir in Dahlem bereits eine Diskussion hinter uns, vor ein paar Jahren ging es gleich um die Umbenennung von drei! Straßen: In Dahlem wurde das Problem gut gelöst: Es gibt eine rote Stele in der Lansstr. mit der Darstellung des geschichtlichen Hintergrundes zu den Ereignissen des Boxeraufstandes (Herbst 1899 bis 7. September 1901; „Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie“) in China, wobei die Takustraße nach den durch die Alliierten beschossenen Taku-Forts benannt wurde, die Iltisstraße nach dem beim Boxeraufstand eingesetzten deutschen Kanonenboot SMS Iltis und die Lansstraße nach Wilhelm von Lans, dem Kommandanten dieses Kanonenboots. (Quelle: Wikipedia) Zum Glück gibt es die Straßennamen heute noch, so dass eben auch jüngere Menschen etwas über das koloniale Treiben des deutschen Kaiserreiches erfahren können. Auch für chinesische Studenten mag es vielleicht ganz informativ sein, wie in einer offenen, freien Gesellschaft mit der eigenen Geschichte umgegangen wird. Ich muss gestehen, dass ich erst durch diese Stele die Tragweite des deutschen Kolonialismus zur Kaiserzeit erfahren habe und damit diese drei Straßennamen mein Verständnis auch für China wachhalten.
Ähnliche wichtige Erkenntnisse zur deutschen Geschichte erwarte ich jetzt auch von solch einer Stele im U-Bhf Mohrenstr.. Der geneigte Leser mag sich auch bei Wikipedia unter dem Begriff „Mohr“ informieren, es ist ein recht ausführlicher Beitrag, und wird merken, welch oberflächliches Denken eigentlich durch solch eine Umbenennung verdeutlicht wird.
Eine Umbenennung der genannten Art fördert aber nur das Vergessen der eigenen Geschichte, dabei ist es doch das allgemeine öffentliche Credo, auch der Common Sense, den Kampf gegen das Vergessen niemals erlahmen zu lassen! Ich denke, mit diesem Beitrag habe ich erst einmal meine Schuldigkeit getan, und kann jetzt gehen.
Harald Specht am Permanenter Link
Ich halte das für einen ausgezeichneten Vorschlag.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Besten Dank auch für Ihre Unterstützung!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Also ich fände Möhren- pfiffiger als Glinka-. Und Dibobe- (dem ersten Berliner Zugführer afrikanischer Herkunft, wie von der J.A. vorgeschlagen) ist irgendwie..., ja, wie vom Regen in die Traufe.
Marianne Mauch am Permanenter Link
Na, da böten sich doch als neue Namen Wilhelmstraße oder Maurerstraße an - verbreiteter Vorname bzw. klassisches Handwerk, wunderbar unverfänglich... Aber das wäre wohl zu einfach.
Folker Pollmeier am Permanenter Link
Die aus heutiger Sicht unangenehmen Namen und Ereignisse unserer Geschichte verschwinden nicht durch Umbenennung von Straßennahmen etc..Adam Sedgwick ist zu zustimmen und es sollte die Gelegenheit genutzt und werden m
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Lieber Herr Pollmeier,
DerZeus am Permanenter Link
Unfassbar, diese Kommentare hier zu lesen.
Kein Mensch hier geht auf Rassismuserfahrungen der Schwarzen Menschen & PoC - auch durch Verwendung dieser Bezeichnungen - ein.
Was für unempathische Bürger...
Enttäuschend!