Mit der international berühmt gewordenen Großplastik "Der Hängemattenbischof" will das "Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen sexueller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche" gemeinsam mit der Giordano-Bruno-Stiftung in Stuttgart während des Katholikentags demonstrieren. Obwohl die Demonstration vor vier Wochen ordnungsgemäß angemeldet wurde, will die Versammlungsbehörde den Protest ins Abseits drängen. Dagegen hat das Protestbündnis gestern Abend Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht.
Nach dem Willen der Behörde soll die Demonstration auf den Stauffenbergplatz ausweichen. Dort wäre sie jedoch kaum sichtbar, da große Bäume und die vielen weißen Zelte des Katholikentags den Protest wie eine Mauer abschirmen. Hierzu Agnes Wich, Betroffene im Aktionsbündnis:
"So wie das Thema 'Missbrauch’ insgesamt, sollen auch die Betroffenen weiterhin ins Abseits gedrängt werden. Aufgrund der fadenscheinigen Argumentation der Versammlungsbehörde hat es für uns zumindest ein 'Geschmäckle', dass der Chef der Versammlungsbehörde, Bürgermeister Dr. Clemens Maier, zugleich auch Religionsbeauftragter der Landeshauptstadt Stuttgart und studierter katholischer Theologe ist (Quelle)."
Mit ihrem Protest kritisiert das Bündnis die vollkommen unzureichende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche. Hierzu Matthias Katsch, Geschäftsführer von Eckiger Tisch e. V., der dem Bündnis angehört:
"Das Zentralkomitee der Katholiken rühmt sich der zahlreichen Repräsentanten des Staates – wie Bundespräsident und Bundeskanzler –, die den Katholikentag besuchen. Wir wünschen uns, dass das ZdK seine guten Kontakte nutzt und die Politiker*innen überzeugt, dass der Kirche die Aufarbeitung aus der Hand genommen werden und der Staat eine stärkere Rolle übernehmen muss."
Dies wäre nur konsequent, denn immerhin hat die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, im Januar nach der Veröffentlichung des zweiten Gutachtens zum Missbrauch im Erzbistum München selbst gesagt, sie glaube "nicht mehr, dass die Kirche allein die Aufarbeitung schafft" und eine Stärkung der staatlichen Rolle vorgeschlagen. Dabei hatte sie auch die von Betroffenen schon lange erhobene Forderung nach einer Wahrheitskommission aufgegriffen.
Wo das Protestbündnis vom 25. bis 29. Mai demonstrieren wird, ist bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts unklar. Angemeldet wurde eine Fläche vor dem Kunstmuseum (Schlossplatz, Höhe Königsstraße). Am Vorabend des Katholikentags war dort noch ausreichend Platz. Die Versammlungsbehörde zeigte sich jedoch nicht kooperativ und hat sich erst eine Woche vor dem Beginn des Katholikentags gemeldet, obwohl der Versammlungsleiter David Farago ausdrücklich ein früheres "Kooperationsgespräch" gewünscht hat. In den Verhandlungen hat die Behörde die Religionsfreiheit des Katholikentags pauschal höher bewertet als die Versammlungsfreiheit des Protestbündnisses. Während dem Katholikentag nahezu unbegrenzt Flächen (ohne Sondernutzungsgebühr!) zur Verfügung gestellt werden, soll dem Protestbündnis nicht einmal eine kleine Fläche in Sichtweite des Katholikentags zur Verfügung gestellt werden. Zunächst wollte die Behörde dem Protestbündnis aufgrund der Verwendung mehrerer Großplastiken sogar den Charakter einer Versammlung absprechen und den Protest als "Sondernutzung" einstufen. Dies hätte der Behörde die Ablehnung erleichtert, konnte jedoch im Verlauf der vergangenen Woche nach der Einschaltung eines Rechtsanwaltes noch abgewendet werden.
Den endgültigen Bescheid hat die Versammlungsbehörde erst am gestrigen Dienstag, um 14 Uhr verschickt, das heißt keine 24 Stunden vor dem beabsichtigten Beginn der Versammlung. Auch vier angebotene Alternativstandorte hat die Behörde nicht akzeptiert. Insgesamt fehlt es nahezu vollständig an einer Abwägung durch die Versammlungsbehörde. Die gesamte Zielsetzung der Behörde lässt sich an dem folgenden Satz des angegriffenen Bescheids erkennen: "Weiterhin ist es die Aufgabe der Behörde, die uneingeschränkte Durchführung der Veranstaltung zum Katholikentag zu garantieren sowie das ausgearbeitete Sicherheitskonzept umzusetzen." – Das Versammlungsrecht anderer Bürger wird dabei vollkommen ausgeblendet.
Zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung stützte sich die Behörde zu guter Letzt nur noch darauf, dass ein Sicherheitsabstand von 7 Metern nicht eingehalten werden könne. Dies stimmt jedoch faktisch nicht, da genügend Platz vorhanden ist. Darüber hinaus hat die Behörde nicht einmal versucht, die genaue Positionierung der Demonstration vor dem Kunstmuseum mit den Veranstaltern zu erörtern. Im Übrigen wird von dem willkürlich festgelegten 7-Meter-Erfordernis für Aufbauten des Katholikentags an mehreren Stellen eine Ausnahme gemacht. Zusätzlich behauptet die Behörde, es gäbe eine Bannmeile um das Landtagsgebäude. Seltsamerweise gilt diese Bannmeile nicht für den Katholikentag.
Das Protestbündnis rechnet am frühen oder späten Nachmittag mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts und wird mittels seiner Social-Media-Kanäle über den weiteren Verlauf informieren.