Teufelstier

Auf der großen Heidenspaßparty des BfG Bayern im Münchner Oberangertheater, bei der am zurückliegenden Karfreitag der renommierte Kunstpreis "Der freche Mario" verliehen wurde, gab es neben den Arbeiten der Preisträger selbst und großartigen Lesungen von Piero Masztalerz und Ralf König auch eine kleine Skulptur zu bewundern, die, thematisch passend, erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt wurde: eine Fledermaus, jahrhundertelang verfemt und verfolgt als "Teufelstier", in Gestalt einer gotischen Madonna.

Die Fledermaus (mhd. vlederen = flattern) galt im christlichen Mittelalter als Hexen- und Dämonenwesen schlechthin. Die von den Scholastikern als Inbegriff des Bösen neuerfundene Gestalt des Teufels wurde meist mit Fledermausflügeln dargestellt, im Gegensatz zu Engeln, die mit strahlend weißen Schwanenflügeln gezeigt wurden. Fledermäuse, so glaubte man, würden gegen jegliche göttliche Ordnung verstoßen: am Tag schlafen, in der Nacht jagen und kopfüber von der Decke hängen. All dies ließ vermuten, sie besäßen widernatürliche, sprich: teuflische Kräfte. Ungezählte Tiere wurden getötet und zu Zaubermitteln verarbeitet, vielfach wurden sie auch als Schutz gegen schwarze Magie an Haus- und Stalltüren angenagelt. Mancherorts wurde getrocknetes Fledermausblut auch ins Schießpulver gemischt, um die Kugel sicher ins Ziel bringen.

Bis herauf in die Neuzeit wurden Fledermäuse, vor allem ihr Blut und ihre Knochen, in der Volksheilkunde eingesetzt. Fledermauspräparate sollten bei Zahnweh, Rheumatismus und Augenleiden wirksam sein, zudem bei Furunkeln, Warzen, Krätzebefall und übelriechenden Darmwinden. Wo Gebete nicht halfen, mußte der Teufel mit Teuflischem ausgetrieben werden.

Als Gegenentwurf zum fledermausgeflügelten "Fürsten der Unterwelt" zeigt sich in der christlichen Ikonographie seit dem Mittelalter mithin die Gestalt Mariens als Muttergottes: vielfach als stehende Figur in faltengeworfenem Mantel, die das Jesuskind auf dem Arme trägt.

Skulptur von Krystyna Jankowska
Skulptur von Krystyna Jankowska

Die aus Polen stammende Künstlerin Krystyna Jankowska hat in ihrer Skulptur die Fledermaus aus dem Bereich des Verfemten herausgeholt. Sie gibt ihr jene Würde zurück, die ihr und all den anderen von christlichem Hexen- und Dämonenwahn verteufelten Tiere geraubt wurde. "Ja", schreibt Karlheinz Deschner, "wer kennt nicht in romanischen, in gotischen Christentempeln all die zerquälten Tiergesichter, von irgendwelchen Heiligenquanten zerquetscht. An Portalen, Tympana, an Kapitellen mutiert das Tier zur Bestie: Raben, Hunde, Hasen, Kröten, Esel, Löwen, Wölfe, Widder, (und eben auch Fledermäuse), samt und sonders Satansbiester, Teufelsfratzen."

Ein "Teufelstier" in Gestalt einer gotischen Madonna - als liebevolle Mutter(gottes) mit kleinem Kind auf dem Arm - ist künstlerische Provokation sondergleichen. Das kleine Kunstwerk in Lebensgröße einer echten Fledermaus könnte unmöglich im Herkunftsland der Künstlerin öffentlich gezeigt werden: es fände sich wohl keine Galerie, die derartige Blasphemie ausstellen würde.